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Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander (читать книги полностью без сокращений бесплатно txt) 📗

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XVI Ein eigenes Kommando

Als sie weiter aus dem Schutz der Insel ins offene Wasser trieb, wurde die Yawl rasch manovrierunfahig. Mit den schweren Schaden im Schiffskorper und dem Gewicht der Waffen und Munition ging sie mit jeder Welle ihrem sicheren Untergang entgegen.

Die Brigg hatte wieder gewendet und lag nun annahernd auf Parallelkurs, wahrend ihre Geschutzbedienungen weiter auf das kleinere Fahrzeug einhammerten, um es zur Aufgabe zu zwingen. Da gab es keinen Gedanken an Schonung oder Rettung; selbst viele der entsetzten Gefangenen fielen unter dem morderischen Feuer.

Bolitho fand immerhin noch so viel Zeit festzustellen, da? die Brigg, offensichtlich von einer hervorragenden Werft erst vor kurzem gebaut, nicht voll bewaffnet war, sonst ware das Gefecht langst voruber gewesen. Nur aus der Halfte ihrer Stuckpforten wurde gefeuert, und er nahm an, da? der Rest der Geschutze wohl noch im Laderaum seiner Yawl lag. Dies war der zweite Versuch: der erste hatte viele Menschenleben und den Verlust der Spite gekostet. Es schien, als sei die Brigg gefeit gegen alle Gefahren und wurde auch jetzt wieder entkommen.

Es gab einen gewaltigen Ruck an Deck, der Gro?topp sturzte mitsamt der Saling in einem Gewirr von Takelage und flatterndem Segeltuch herab. Sofort bekam das Schiff schwere Schlagseite, die Manner rutschten auf dem schiefliegenden Deck, und noch mehr abgetrennte Takelage kam von oben.

Aus der offenen Luke horte Bolitho den heftigen Wassereinbruch und die Schreie der Gefangenen, als die See durch die zersplitterten Planken der Bordwand uber sie hereinbrach. Er klammerte sich an die Reling und rief:»Entlassen Sie diese Manner, Mr. Couzens! Helft den Verwundeten!«Er starrte Stockdale an, der das nutzlos gewordene Ruder loslie?.»Helfen Sie ihnen!«Er buckte sich, als weiteres Gewehrfeuer dicht uber ihre Kopfe pfiff.»Wir mussen von Bord!»

Stockdale warf sich einen bewu?tlosen Seemann uber die Schulter und schritt dann an die Reling, um sich zu vergewissern, da? der ubriggebliebene Kutter noch schwimmfahig war.

«Ins Boot! Reicht die Verwundeten hinunter!»

Bolitho spurte, wie das Schiff sich noch mehr uberlegte, das schragliegende Deck noch steiler wurde. Sie sackte uber den Achtersteven ab, die Heckreling und der Stumpf des Besanmastes wurden schon uberspult.

Wenn nur die Brigg mit dem verdammten Beschu? aufgehort hatte! Es bedurfte nur noch einer einzigen Kugel, und die Yawl mu?te den Kutter mit sich in die Tiefe rei?en. Er musterte die bewegte Wasserflache mit ihren lebhaften, wei?en Schaumkammen. Sie hatten ohnehin nur eine geringe Uberlebenschance. Auf der Insel, die Meilen entfernt schien, konnte er ein paar Rotrocke erkennen und vermutete, da? der gro?te Teil der Marineinfanteristen zuruckrannte, um in die Boote zu gehen. Aber die Rotrocke waren keine Seeleute. Bis sie sie erreicht hatten, war vermutlich alles vorbei.

Couzens stolperte keuchend heran.»Der Bug ist noch aus dem Wasser, Sir!«Er duckte sich, als ein weiterer Schu? das Gro?segel in Fetzen ri?.

Stockdale versuchte, wieder an Deck zu klettern, aber Bolitho rief:»Bleiben Sie weg, sie sinkt rasch!»

Mit versteinertem Gesicht, das wie eine Maske wirkte, warf Stockdale die Fangleine los und lie? den Kutter mit der Stromung freitreiben. Bolitho sah Frowd mit seinem zerschmetterten Knie sich im Boot nach achtern kampfen, um die sinkende Yawl im Auge zu behalten, sah ihn mit blutigen Fingern den hocherhobenen Degen uber seinem Kopf schwenken.

Die Brigg kurzte Segel, die Fock verschwand ganz und gab den Blick auf den Rest ihres schnittigen Rumpfes frei.

Wollen sie uns retten oder umbringen? Bolitho sagte:»Wir mussen schwimmen, Mr. Couzens.»

Der Knabe nickte heftig, unfahig zu sprechen, schleuderte die Schuhe von den Fu?en und zerrte krampfhaft an seinem nassen Hemd.

Ein Schatten bewegte sich in der offenen Luke, und Bolitho glaubte, ein Verwundeter sei noch unten, aber es war ein Leichnam, der in dem jetzt hochstehenden Wasser trieb.

Couzens starrte ins Wasser und murmelte:»Ich bin kein guter Schwimmer, Sir!«Er klapperte trotz der hei?en Sonne mit den Zahnen.

Bolitho blickte ihn an.»Warum, in Dreiteufels Namen, sind Sie dann nicht in den Kutter gegangen?«Im selben Augenblick bereute er seine Worte und fugte ruhiger hinzu:»Wir werden zusammenbleiben. Ich sehe dort eine geeignete Spiere…»

Die Brigg feuerte wieder, die Kugel sprang uber die Wellenkamme, an dem schwankenden Kutter vorbei und schlug wie ein angreifender Schwertfisch zwischen einige zappelnde Schwimmer.

Das war also der Grund des Segelkurzens! Sie wollten sichergehen, da? die britischen Streitkrafte auch wirklich vollstandig vernichtet wurden, so da? jeder Offizier es sich kunftig uberlegen wurde, wenn er ihnen den dringend benotigten Nachschub wegnehmen wollte.

Die Yawl legte sich jetzt ganz auf die Seite, wobei sie loses Gerat und Leichen in die Wassergange und Speigatten kippte.

Bolitho behielt die Brigg im Auge. Ohne Couzens ware er an Bord geblieben und hier gestorben, das war ihm klar. Wenn er ohnehin sterben mu?te, war es besser, dem Gegner sein Gesicht zu zeigen. Aber Couzens verdiente einen solchen Tod nicht. Fur ihn mu?te es noch eine Chance geben.

Die Brigg legte das Ruder hart uber, ihre Rahen gerieten in Unordnung, als sie von dem treibenden Wrack abdrehte. Er konnte den

Namen lesen, als sie ihm das Heck zuwandte: White Hills. Aus dem Heckfenster starrte ihn ein entsetztes Gesicht an.

«Er dreht ab! Was denkt sich dieser Verbrecher?«Bolitho sprach laut mit sich selbst, ohne es zu wissen.»Gleich wird er sich festsegeln!»

Der Wind war zu stark fur die wenigen noch stehenden Segel der Brigg. In kurzester Zeit war sie hilflos, ihre Segel standen alle back, ein einziger chaotischer Protest.

Dann gab es einen halberstickten Knall, und im ersten Augenblick glaubte Bolitho, ein Mast oder eine der gro?en Rahen sei gebrochen. Dann sah er mit unglaubigen Augen ein riesiges Loch im Vormarssegel der Brigg klaffen, das nun vom Wind in Streifen gerissen und an den Mast geklatscht wurde.

Er fuhlte, wie Couzens ihn am Arm packte:»Das war die Trojan, Sir! Sie ist gekommen!»

Bolitho wandte sich um und sah den Zweidecker scheinbar bewegungslos im Dunst stehen, starr wie eine Fortsetzung der Inselkette.

Pears mu?te es auf die Sekunde genau berechnet, mu?te abgewartet haben, bis der die Brigg behindernde Wind ihn langsam quer vor deren einzigen Fluchtweg trieb.

Zwei leuchtende Zungen zuckten aus der Back, Bolitho sah im Geiste die Geschutzfuhrer vor sich, als sei er mitten unter ihnen. Wahrscheinlich uberwachte Bill Chimmo, der Stuckmeister der Trojan, selbst jeden sorgfaltig gezielten Schu?.

Er horte den splitternden Krach, mit dem die beiden Achtzehnpfundkugeln sich ihren Weg ins Innere der Brigg bohrten.

Dann begann das Deck unter seinen Fu?en wegzusacken, und wahrend Couzens sich wie eine Riesenschnecke an ihn klammerte, sprang er uber das Schanzkleid, aber nicht bevor er ein wildes Jubelrufen vom Kutter gehort und gesehen hatte, wie die leuchtende neue Flagge an der Gaffel der Brigg niedergeholt wurde!

Selbst auf diese Entfernung hatte die Trojan mit ihrer Steuerbordbreitseite die Brigg in wenigen Minuten zerschmettern konnen, und ihr Kapitan wu?te es. Ein bitterer Augenblick fur ihn, aber viele seiner Leute wurden ihm dafur danken.

Keuchend und spuckend erreichte Bolitho mit Couzens die treibende Spiere und klammerte sich daran fest.

Er brachte es fertig zu sagen:»Ich denke, Sie haben mich gerettet!«Denn im Gegensatz zu Couzens hatte er vergessen, sich seiner Sachen zu entledigen oder wenigstens seinen Degen abzuschnallen; jetzt war er dankbar fur den Halt, den die Spiere ihnen gab.

Als er den Kopf uber die steilen Wellenkamme zu heben versuchte, sah er den Kutter wenden und auf sie zukommen; die Seeleute lehnten sich uber Bord, um einige der Schwimmer aufzunehmen oder ihnen zu gestatten, sich au?en am Boot anzuklammern, da es total uberfullt war. Weiter entfernt naherten sich jetzt auch die anderen Boote: die Marineinfanteristen und die kleine, zuruckgelassene Bootswache, die aus Seeleuten bestand, schafften es besser und schneller, als Bolitho erwartet hatte.

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