Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander (читать книги без txt) 📗
Wahrend die Hyperion heftig stampfend in den Wind drehte und die Bramsegel — von Drohungen und Fluchen an Deck begleitet — aufgeholt und festgemacht wurden, uberlegte Bolitho, welche Art Nachrichten Farquhar wohl uberbrachte. Es bedurfte sicher mehr als dieser Darbietung ausgezeichneter Seemannschaft, um den Kommodore zufriedenzustellen.
Das Deck schaukelte heftig im Wind und Wellengang, und alle Wanten und Fallen vibrierten, als die Manner auf den schwankenden Rahen mit der wild um sich schlagenden Leinwand kampften und sie schlie?lich bandigten.
Inch sagte verachtlich:»Die Spartan wird nicht gerade Dank ernten, da? sie beim Angriff auf Las Mercedes nicht dabei war.»
Bolitho wischte sich das Spritzwasser aus den Augen, als weitere Signalflaggen uber dem stampfenden Rumpf der Telamon erschienen. Weil die Korvette ihn zum Gluck nicht gefunden hatte, lag Farquhar jetzt nicht mit seinem Schiff neben der Abdiel auf dem Meeresgrund.
Der Signalmaat rief:»Ein Boot setzt von der Spartan ab, Sir.»
Bolitho hielt sich an den Finknetzen fest und beobachtete die kleine Jolle, die im lebhaften Seegang auf- und niedertanzte, wobei ihre Riemen wie Mowenflugel nach oben und unten schlugen. Er erkannte die kerzengerade im Heck sitzende Gestalt Farquhars und seinen goldbestickten Dreispitz, der als zusatzlicher Ansporn uber den Kopfen der sich machtig ins Zeug legenden Ruderer schimmerte.
Er horte, wie Leutnant Roth sagte:»Der bringt sicher schlechte Nachrichten.»
Inch ma?regelte ihn.»Behalten Sie Ihre Meinung fur sich!»
Bolitho beobachtete, wie die Jolle an den Rusteisen des Hollanders einhakte, wobei der leichte Bootskorper gegen die machtige Bordwand geschleudert wurde und die Manner alle Hande voll zu tun hatten, es vorm Kentern zu bewahren. Er hatte trotzdem die Bitterkeit in Inchs Stimme bemerkt. Es war der gleiche Ton wie kurzlich, als er erklart hatte, warum Pelham-Martin zum Angriff auf Las Mercedes zu spat gekommen war. Der Kommodore hatte offenbar nicht geglaubt, da? Bolithos Landungskorps imstande ware, den Sumpf zu durchqueren und die versteckte Batterie zu zerstoren. Bolitho hatte Entschuldigungsgrunde fur Pelham-Martins Bedenken, aber gleichzeitig konnte er sich auch die Enttauschung und den Arger auf den Schiffen vorstellen, als sie darauf warteten, was die Korvette Dasher uber den Ursprung des Geschutzfeuers meldete.
Uber eines war sich Bolitho klar: Wenn er diese Geschutze lediglich zerstort hatte, ohne sie vorher gegen die vor Anker liegenden franzosischen Schiffe abzufeuern, hatte Pelham-Martin niemals diesen letzten und entscheidenden Angriff gewagt. Dann waren er und seine Leute elend umgekommen. Und au?erdem: die Verantwortung fur diesen Fehlschlag ware dann, wie Fitzmaurice schon vorher geau?ert hatte, in jede m Bericht nach Hause auf seine, Bo-lithos Schultern, abgewalzt worden.
In wachsender Ungeduld knirschte er mit den Zahnen, bis Car-lyon schlie?lich rief:»Befehl an alle: Kommandanten sofort zu mir an Bord!»
Bolitho machte eine heftige Handbewegung.»Mein Boot, bitte!«Er sah sich nach Allday um, doch der stand schon mit seinem goldbetre?ten Hut und Rock da.
Wahrend er seinen verschossenen Bordrock beiseite warf, sah er einige seiner Matrosen das geschaftige Treiben an Bord der Tela-mon mustern und fragte sich kurz, was sie jetzt wohl dachten. Nur die wenigsten an Bord wu?ten uberhaupt, wo ihr Schiff sich befand und wie das nachstgelegene Land hie?. Auf all solche Dinge hatten sie keinen Einflu?. Sie hatten zu gehorchen und ihren Dienst zu verrichten, und viele seiner Kollegen sagten, das genuge vollig. Bolitho dachte anders daruber, und eines Tages…
Er blickte auf, als Inch meldete:»Boot liegt langsseit, Sir. «Er hatte nicht einmal bemerkt, wie es ausgeschwungen und zu Wasser gebracht worden war. Er war zu mude, zu erschopft, und das begann sich zu zeigen.
Er nickte und eilte den Niedergang zur Fallreepspforte hinunter. Zwischen seinen Beinen konnte er die unteren Stuckpforten sehen, und im nachsten Augenblick, als das Schiff zur anderen Seite uberholte, die Kupferhaut des Unterwasserschiffs, die im Sonnenlicht aufleuchtete. Ein schnelles Atemholen und dann den richtigen Augenblick abgepa?t und gesprungen. Hande ergriffen seine Arme und Huften, und als er zum Hecksitz taumelte, sah er die Hyperion schon zu- ruckfallen, wahrend die Riemen in die Wellenberge einschlugen und Allday auf die Telamon zuhielt.
Bolitho war kaum zu Atem gekommen, als es schon wieder Zeit war, an der Bordwand des Hollanders zur schon verzierten Einla?pforte hochzuklettern.
Als er einem dunkelhautigen Leutnant zur Hutte folgte, bemerkte er, da? dort weitere Flaggen unter Aufsicht eines britischen Signalmaaten gehi?t wurden. Er nahm an, da? dem Verband befohlen wurde, Kurs und Formation wieder aufzunehmen. Es wurde also wieder eine lange Besprechung geben.
Plotzlich horte er Kommandos und Rufe und sah, wie ein Bootsmannsstuhl, der von einem Takel uber dem Fallreep herabhing, uber die Laufbrucke eingeschwenkt wurde. Kapitan Fitzmaurice von der Hermes ging offenbar kein Risiko ein und zog es vor, sich wie ein Sack an Bord hieven zu lassen, statt sich der Gefahr auszusetzen, ins Wasser zu fallen und zu ertrinken oder zwischen Boot und Bordwand zerquetscht zu werden.
In der Admiralskajute war es, im Vergleich zum blendenden Sonnenlicht drau?en, ziemlich dunkel, und Bolitho brauchte einige Minuten, bevor er Pelham-Martins massive, in einen Stuhl gequetschte Gestalt erkannte. Die Stuhlbeine waren fest an zwei Ringbolzen an Deck gelascht, um zu verhindern, da? der Stuhl samt Insassen bei heftigen Schiffsbewegungen quer durch den Raum rutschte. Farquhar stand in entspannter Haltung am Tisch, wahrend Mulder, der Kommandant der Telamon, vom Heckfenster umrahmt wurde. Er hielt den Kopf geneigt, als lausche er auf die Tatigkeiten seiner Leute oben an Deck.
«Ah, Bolitho!«Pelham-Martin nickte ihm kurz zu.»Wir wollen auf Fitzmaurice warten, bevor wir anfangen.»
Bolitho hatte sich schon gefragt, was er wohl empfinden wurde, wenn er wieder mit dem Kommodore zusammentraf. Verachtung oder Zorn? Er war uberrascht, da? er gar nichts empfand. Man hatte erwarten konnen, da? der Kommodore etwas wie Freude uber die Vernichtung zweier feindlicher Schiffe au?ern wurde. Quince hatte Bolitho verraten, da? er mehr als nur Verwundete auf der zusammengeschossenen Indomitable mit nach Antigua genommen habe; namlich einen gluhenden Bericht fur den Admiral und ganz England uber ihren Sieg, aber nichts uber die Schiffe, die entkommen konnten. In dem Bericht stand auch nichts uber das Ratsel Lequil-ler, das noch immer ungelost war.
Indessen sa? Pelham-Martin ganz gelassen und in volligem Schweigen da. Als Bolithos Augen sich an das Halbdunkel gewohnt hatten, bemerkte er, da? Farquhars Gesicht mude und uberanstrengt aussah und da? seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepre?t waren. Als er Bolithos Blick bemerkte, gab er nur ein knappes Zeichen mit der Schulter.
Dann kam Fitzmaurice, und ehe er sich noch fur seine Verspatung entschuldigen konnte, sagte Pelham-Martin kurz:»Kapitan Farquhar brachte sehr ernste Nachrichten. «Er schaute den jungen Kapitan an und setzte bedeutungsvoll hinzu: Sie wiederholen es am besten mit Ihren eigenen Worten.»
Farquhar schwankte vor Mudigkeit, aber seine Stimme war so frisch und unpersonlich wie je.»Vor vier Nachten patroullierte ich nordwestlich von Tortuga, als Kanonendonner in ostlicher Richtung gemeldet wurde. Beim ersten Tageslicht entdeckte ich zwei Fregatten, die im heftigen Kampf miteinander lagen. Die eine war spanisch, die andere die franzosische Thetis, mit vierzig Kanonen. «Er wu?te, da? alle an seinen Lippen hingen, zeigte aber weder Gemutsbewegung noch Stolz.»Ich bemerkte bald, da? die spanische Fregatte jene war, die ich in Caracas gesehen hatte und die als Begleitung fur das alljahrliche Schatzschiff bestimmt war. Sie sah schlimm aus und war fast vollig entmastet. «Er seufzte plotzlich, und dieser Ton wirkte bei einem sonst so beherrschten Mann ungewohnt menschlich.»Ich rief meine Leute auf Gefechtsstationen und griff die Thetis unverzuglich an. Wir kampften fast eine Stunde, und ich verlor dabei zehn Leute, aber der Gegner mu? die funffache Zahl eingebu?t haben. «Sein Ton wurde etwas harter.»Darauf brach der Franzose das Gefecht ab, und ich beeilte mich, die Uberlebenden des spanischen Schiffes zu retten.»