Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander (читать книги полностью без сокращений бесплатно txt) 📗
Zu spat, zu spat.
Stetig folgte er dem Schatten des Kanadiers und wu?te die gesamte Gruppe dicht hinter sich. Er konnte sich sogar ihre Gesichter vorstellen: Rowhurst, der Artilleriemaat, Kutbi, der gro?augige Araber, Rabbett, der kleine Dieb aus Liverpool, der nur durch seine freiwillige Meldung zur Marine dem Strick entgangen war.
Die Gerausche der See kamen naher, hie?en sie wie alte Freunde willkommen und gaben ihnen Zuversicht.
Sie duckten sich hinter einige trockene Busche, die von oben viel gro?er gewirkt hatten, und starrten von dieser letzten Deckung aus hinuber zum Fort.
Der Kanadier beugte sich vor.»Dies sind die Fuhrungstaue fur das Flo?«, flusterte er.
Bolitho sah die gro?en Balken, an denen die Taue befestigt waren, und hoffte nur, da? der von ihnen errechnete Wasserstand stimmte, denn wenn die Ebbe schon starker fortgeschritten war und das Flo? auf Grund sa?, hatte man eine ganze Armee gebraucht, um es anzuschieben. Er dachte auch an die beiden schweren Geschutze, die auf das Festland und den jetzt unsichtbaren Damm gerichtet waren. Er bezweifelte, da? die Garnison ihnen in dem Fall Zeit lassen wurde, ihren Irrtum zu bedauern.
Ob Paget wohl von einem gunstigen Beobachtungspunkt aus, kochend vor Ungeduld, ihren Vormarsch verfolgte?
Dann brachte er seine abschweifenden Gedanken unter Kontrolle. Dies war nicht der rechte Ort, um nervos zu werden.
Der Spaher streifte sein Lederwams ab und sagte leise:»Dann gehe ich jetzt los. «Es hatte ebensogut eine Bemerkung uber das Wetter sein konnen.»Wenn ihr nichts hort, konnt ihr nachkommen.»
Bolitho beruhrte die dick eingefettete Schulter des Mannes und zwang sich zu sagen:»Viel Gluck.»
Der Spaher verlie? den Schutz der Busche und ging ohne Eile zum Strand hinab. Bolitho zahlte seine Schritte, vier, funf, sechs, dann hatte er das Wasser erreicht und war kurz darauf verschwunden.
Die Posten auf dem Fort gingen ihre Wache im Dreistundenrhythmus, vielleicht weil so viele Kameraden fehlten. Hoffentlich machte sie das besonders mude.
Die Minuten schlichen dahin, einige Male glaubte Bolitho, etwas zu horen, und erwartete Alarm.
Rowhurst murmelte:»Das sollte lange genug sein, Sir. «Er hatte sein Entermesser bereits gezogen.
Bolitho drehte sich im Dunkeln nach ihm um. War er so ungeduldig, oder dachte er, sein Leutnant habe den Mut verloren, und wollte ihn aufrutteln?
«Noch eine Minute«, sagte er, und dann, an Couzens gewandt:»Mr. Quinn soll sich bereithalten.»
Wieder mu?te er seine abschweifenden Gedanken im Zaum halten. Hatte Quinn uberpruft, ob die Leitern umwickelt waren? Er mu?te einfach daran gedacht haben.
Er nickte Rowhurst zu.»Sie nehmen das linke Tau. «Dann zu Stockdale:»Und wir das rechte.»
Die Seeleute waren in zwei Gruppen aufgeteilt' er sah sie uber den offenen Strand zu den schweren Balken schleichen, dann hangelten sie sich an den durchhangenden Tauen entlang, bis ihre Be ine und kurz danach der ganze Korper von der starken Stromung erfa?t wurden.
Nach der Hitze des Tages fuhlte sich das Wasser wie kuhle Seide an. Bolitho zog sich an dem Seil weiter, es war so fettig wie des Spahers Schulter.
Jeder Mann war extra ausgesucht worden, trotzdem horte er einige von ihnen grunzen und keuchen und fuhlte auch seine Arme vor Anstrengung schmerzen.
Dann waren sie plotzlich angelangt und zogen sich schwe igend, mit weit aufgerissenen Augen nach einem Angriff aus dem Dunkel ausspahend, auf den Ponton hinauf. Statt dessen trat der Spaher aus dem Schatten und knurrte:»Alles erledigt. Er ist nicht einmal aufgewacht.»
Bolitho schluckte. Er brauchte keine weiteren Einzelheiten zu horen. Der ungluckliche Posten mu?te eingeschlafen sein, um erst aufzuwachen, als des Spahers doppelschneidiges Jagdmesser bereits seine Kehle durchschnitt. So sagte er nur zu Rowhurst:»Sie wissen, was zu tun ist. Sammeln Sie druben die anderen auf, und lassen Sie das Ding von der Stromung zurucktreiben.»
Dann stieg Bolitho vorsichtig von der Verladerampe an Land und stie? dabei gegen den Arm des Toten. Er versuchte, sich genau an alles zu erinnern, was er gesehen hatte: Das Fort lag etwa eine halbe Meile entfernt, nein, weniger. Die Posten wurden zur Seeseite hin aufpassen, wenn uberhaupt. Sie hatten allen Grund, sich sicher zu fuhlen. Der Logger hatte eine Ewigkeit gebraucht, um die Spitze der Insel zu umrunden. Selbst wenn sie nur blindlings feuerten, konnten sie ein gro?es Kriegsschiff im Nu zum Wrack schie?en. Niemand wurde mit einem Angriff von Land aus rechnen, da nicht einmal Boote zum Ubersetzen vorhanden waren.
Stockdale flusterte heiser:»Das Flo? ist freigekommen, Sir.»
Der Ponton glitt gerauschlos zum Festland, sein Umri? verschwamm mit dem Schatten der hohen Steilkuste.
Bolitho schlich weiter in Richtung Fort, die Leute schwarmten nach beiden Seiten aus. Jetzt fuhlte er sich wirklich allein und abgeschnitten von jeder Hilfe, wenn etwas schiefgehen sollte.
Nachdem sie sich eine Weile vorwarts getastet hatten, entdeckten sie einen flachen Abzugsgraben und krochen dankbar darin weiter.
Bei einem Halt stutzte Bolitho sein Glas auf den sandigen Grabenrand und versuchte ein Lebenszeichen zu entdecken' aber das Fort wirkte so ausgestorben wie die ganze Insel. Das ursprungliche Gebaude war von den ersten Siedlern zum Schutz gegen die Indianer errichtet worden und seit langem durch Feuer und Kampfe zerstort. Diese verwegenen Abenteurer mu?ten lachen, wenn sie uns jetzt sehen konnten, dachte Bolitho.
Nach schier endloser Zeit flusterte ein Seemann:»Mr. Couzens kommt, Sir.»
Gefuhrt von dem kanadischen Spaher, fiel Couzens au?er Atem in den Graben, glucklich, seine Kameraden gefunden zu haben. Er flusterte:»Mr. Quinn ist auch schon hier, Sir, dazu Hauptmann d'Esterre mit seiner ersten Abteilung.»
Bolitho atmete langsam aus. Was jetzt auch passieren mochte, er war nicht mehr allein und ohne Unterstutzung. Das Flo? war wieder auf dem Ruckwe g, und mit etwas Gluck wurden bald weitere Seesoldaten landen.
Zu Couzens sagte er leise:»Nehmen Sie zwei Mann und arbeiten Sie sich am Strand zu den beiden Booten vor. Bewacht sie fur den Fall, da? wir uns plotzlich zuruckziehen mussen. «Er fuhlte des Jungen Konzentration.»Ab mit euch!»
Kurz darauf sah er, wie Couzens mit zwei bewaffneten Seeleuten uber den Grabenrand kroch. Ein Grund zur Sorge weniger. Es war sinnlos, Couzens bei einem so riskanten Coup in Lebensgefahr zu bringen.
Er konnte sich leicht vorstellen, wie die Seesoldaten jetzt in zwei Gruppen zu den Toren schlichen, wahrend eine dritte Abteilung auf der Festlandsseite der Insel zuruckblieb, um den Angriff oder auch einen Ruckzug zu decken.
Bolitho vermutete Probyn bei Major Paget, wenn auch nur, um sicherzustellen, da? seine Rolle nicht vergessen wurde, wenn alles voruber war.
Eine weitere Gestalt rutschte in den Graben. Es war Quinns atemloser Fahnrich, der vor Anstrengung zitterte.
«Nun, Mr. Huyghue?«Bolitho dachte plotzlich an Sparke, der in der Hitze des Gefechts so kuhl und distanziert geblieben war. Dies war leichter gesagt als getan.»Ist Ihre Gruppe bereit?»
Huyghue nickte eifrig.»Aye, Sir, mit Leitern und Haken. «Er leckte sich die Lippen.»Mr. Quinn sagt, es wird bald hell.»
Bolitho blickte zum Himmel. Quinn mu?te recht nervos sein, wenn er dem Fahnrich gegenuber etwas so Offensichtliches erwahnte.»Dann sollten wir besser anfangen. «Damit stand er auf und lockerte sein Hemd. Wie oft noch wurden sich solche Situationen wiederholen? Und wann war es wohl an ihm, zu fallen und nicht wieder aufzustehen?
Heiser sagte er:»Mir nach!«Der unnaturliche Klang seiner Stimme argerte ihn.»Mr. Huyghue, Sie bleiben hier und passen auf. Wenn wir zuruckgeschlagen werden, verstandigen Sie Mr. Couzens bei den Booten.»
Huyghue trat von einem Fu? auf den anderen, als stunde er auf hei?en Kohlen.»Und dann, Sir?»