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Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander (читать книги полностью без сокращений бесплатно txt) 📗

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Sie drangen in sudwestlicher Richtung vor, die Ordonnanz folgte ihnen in respektvoller Entfernung. Das Meer lag zu ihrer Linken, zwar au?er Sichtweite, aber doch in trostlicher Nahe.

Dicht vor ihnen spurte Bolitho einige von d'Esterres Kundschaftern, die gerauschlos wie Waldtiere durch das Gestrupp zogen und ihren Kommandeur vor einem Uberraschungsangriff schutzten.

Schweigend gingen sie weiter, uber sich den langsam heller werdenden Himmel und die verblassenden Sterne, wahrend die Umgebung allmahlich Formen annahm.

Plotzlich erhob sich lautlos eine dunkle Gestalt aus dem Schatten, und Paget sagte:»Aha, der kanadische Gentleman!»

Der Spaher winkte lassig mit der Hand.»Dies ist nahe genug,

Major, den Rest des Weges mussen Sie auf dem Bauch zurucklegen.»

Paget schnippte mit den Fingern, und die Ordonnanz zog etwas hervor, das aussah wie ein kurzes grunes Cape. Paget nahm Hut und Sabel ab und stulpte sich das Gebilde uber den Kopf: bis zum Gurtel war seine Uniform nun vollkommen verborgen. Bolitho sah, da? der Spaher und auch Couzens offenen Mundes hinstarrten, die Ordonnanz jedoch verzog keine Miene.

«Hab' das Ding letztes Jahr machen lassen«, erklarte Paget.»Keine Lust, mir von irgendeinem Hinterwaldler ein Loch in den Kopf schie?en zu lassen.»

Bolitho grinste.»Gute Idee, Sir. Dergleichen habe ich auch schon bei Wilderern gesehen.»

Der Major lie? sich vorsichtig auf Hande und Knie nieder, und sie robbten eine gute halbe Stunde, bis sie einen geeigneten Aussichtspunkt entdeckt hatten. Jetzt war es schon bedeutend heller, und als Bolitho sich ein wenig aufrichtete, sah er die See' der Horizont wirkte wie ein dunner Goldfaden. Er robbte weiter, die scharfen Grasspitzen zerstachen ihm Gesicht und Hande, der Boden wimmelte von Insekten. Die Sonne stand noch unter dem Horizont, daher lag die Lagune in tiefer Dunkelheit, aber das Fort hob sich gegen die hellere See mit ihren leuchtenden Schaumkronen jetzt deutlich ab: ein schwarzer, formloser Schemen am Ende der flachen Insel. Bolitho sah zwei Laternen und etwas wie ein abgeschirmtes Feuer au?erhalb der Mauern, sonst nichts.

Schwer atmend richtete Paget sein Fernrohr durch Gras und Gestrupp auf das Fort. Er schien laut zu denken.»Mu? vorsichtig sein bei diesem Winkel. Wenn die Sonne aufgeht, wird sie von dem verdammten Glas reflektiert.»

Couzens zischte Bolitho zu:»Konnen Sie die Kanonen sehen,

Sir?»

Dieser schuttelte den Kopf und stellte sich vor, wie die Marine Infanteristen uber den angeblich vorhandenen Damm in einen Kartatschenhagel hineinsturmten.»Noch nicht. «Er blickte angestrengt hinuber.»Das Fort ist nicht quadratisch oder rechteckig, es hat sechs oder gar sieben Seiten. Also vielleicht ein Geschutz pro Seite.»

Der Spaher kroch naher.»Sie sollen ein Pontonflo? haben, Major. «Er hob den Arm, worauf sich ein saurer Geruch verbreitete.»Wenn sie Lieferungen von der Landseite her bekommen, packen sie Pferde und Wagen auf den Ponton und ziehen das Ding hinuber.»

Paget nickte.»Wie ich's mir dachte. So werden auch wir morgen fruh um diese Zeit ubersetzen, wenn die Burschen noch schlafen.»

Der Spaher sog an seinen Zahnen.»Nachts ware es besser.»

Paget erwiderte verachtlich:»Die Dunkelheit ist fur alle gleich hinderlich, Mann! Nein, heute beobachten wir sie, morgen fruh greifen wir an.»

«Wie Sie wollen, Major.»

Paget walzte sich schwerfallig zur Seite und blickte Bolitho an.»Sie ubernehmen die erste Wache. Schicken Sie den Jungen zu mir, wenn Sie was Besonderes sehen. «Damit verschwand er erstaunlich lautlos im Gestrupp.

Couzens lachelte etwas gezwungen.»Sind wir allein, Sir?«Zum ersten Mal klang seine Stimme nervos.

Bolitho lachelte ebenso gezwungen.»Scheint so. Aber Sie haben gesehen, wo der letzte Posten steht. Wenn Sie mit einer Meldung zuruck mussen, lassen Sie sich von ihm weiterleiten, damit Sie sich nicht verirren.»

Er nahm die Pistole aus dem Gurtel und untersuchte sie sorgfaltig, dann zog er den Dolch aus der Scheide und steckte ihn in den Boden, damit die Klinge nicht reflektierte.

Langsam wurde es unertraglich hei?; Bolitho versuchte, nicht an kuhles Trinkwasser zu denken.

Nach einer Weile sagte Couzens:»Endlich wei? ich, da? ich etwas tue, etwas Nutzliches.»

Bolitho seufzte.»Hoffentlich haben Sie recht.»

Als sich nach einiger Zeit die Sonne uber den Horizont schob und ihre ersten Strahlen das Fort und den geschutzten Ankerplatz in helles Licht tauchten, hatte Bolitho eine ganze Menge uber seinen Gefahrten erfahren. Couzens war der funfte Sohn eines Geistlichen aus Norfolk, hatte eine Schwester namens Beth, die den Sohn des Gutsherren heiraten wollte, wenn sich auch nur die geringste Chance dazu bot, und seine Mutter konnte den besten Apfelkuchen der ganzen Grafschaft backen.

Sie verfielen beide in Schweigen, als sie das nun klar zu erkennende Fort und dessen Umgebung betrachteten. Bolitho hatte hinsichtlich der Form recht gehabt. Es war sechseckig, und der Raum zwischen den dicken Doppelwanden aus Palmenholz war mit Steinen und festgestampfter Erde gefullt. Sowohl die innere wie auch die au?ere Palisade trugen eine Brustwehr. Bolitho schatzte, da? auch die schwerste Kanonenkugel kaum diese Wande durchschlagen konnte.

Auf der Seeseite stand ein gedrungener, viereckiger Turm mit einem Flaggenmast, und ziehender Qualm deutete darauf hin, da? im Innenhof irgendwo eine Kuche sein mu?te.

Die Wande wiesen die ublichen Schie?scharten auf, und als das Licht starker wurde, sah Bolitho auch zwei Geschutzpforten zum Festland hin und den Schatten einer Toreinfahrt dazwischen. Zwei kleine Boote wurden zum Strand gerudert, wo das Gerippe eines anderen Bootes lag, vermutlich das Uberbleibsel eines alten Gefechtes.

Couzens flusterte aufgeregt:»Dort, Sir, der Ponton!»

Bolitho senkte das Teleskop und betrachtete das Fort und den festgemachten Ponton. Es war eine grobe Konstruktion mit Schlepptauen und gerippter Verladerampe fur Pferde und Wagen. Der Sand war auf beiden Seiten des Sund aufgewuhlt vom haufigen An- und Ablegen.

Er schwenkte das Glas vorsichtig weiter bis zur Lagune, die zwar klein war, aber genugend Ankerplatz fur zwei Schiffe von der Gro?e einer Brigg oder eines Schoners bot.

Ein Trompetensignal ertonte von druben, und einen Augenblick spater stieg eine Flagge am Mast hoch und wehte lustlos in ihrer Richtung. Ein paar Kopfe bewegten sich uber dem Brustwall, dann sah Bolitho eine einzelne Gestalt sich auf dem Pontonflo? erheben und lassig ein Gewehr schultern. Er hielt den Atem an. Das war neu. Er hatte keine Ahnung gehabt, da? auf dem Flo? ein Posten stationiert war. Offensichtlich war die Nachtwache des Mannes jetzt voruber. Fur Pagets Plan mu?te dieser Posten vorher erledigt werden.

Wahrend der ersten Stunde beobachtete Bolitho das Fort systematisch, schon allein um sich von der gluhenden Hitze und dem grellen Licht abzulenken. Es schienen nicht viele Leute in der Garnison zu sein, und die Hufspuren bei dem Ponton deuteten darauf hin, da? vor kurzem eine gro?ere Anzahl Soldaten das Fort verlassen hatte. Vielleicht war dies schon eine Reaktion auf das vorbeisegelnde britische Geschwader.

Bolitho dachte an Konteradmiral Coutts listigen Plan, der im Grunde so einfach war. Sicher ware Coutts jetzt gern hier gewesen, um zu sehen, wie gut alles bisher gelaufen war.

Der Kanadier Macdonald lag plotzlich neben ihm, ohne auch nur das geringste Gerausch verursacht zu haben, und zeigte grinsend seine schmutziggelben Zahne.

«Zwecklos, nach dem Dolch zu greifen, Mister. «Sein Grinsen wurde breiter.»Hatte Ihnen muhelos die Kehle durchschneiden konnen.»

Bolitho schluckte.»Wahrscheinlich. «Er sah Quinn und Fahnrich Huyghue durch das Gestrupp auf sie zurobben und sagte:»Wir sind abgelost, scheint mir.»

Spater, in Pagets provisorischem Kommandostand, berichtete Bolitho, was er gesehen hatte.

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