Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .TXT) 📗
Er knallte das Glas auf den Tisch.»Nachfullen!»
Und eben hatte er noch den Offizieren Vortrage daruber gehalten, wie gewisse Vorkommnisse der Moral schaden konnten! War Fow-ler schon kein Mensch mehr, sondern ein Vorkommnis?
Er dachte an Pomfret und daran, was dieser ihm antat, ihm und dem ganzen Schiff.»Hol dich der Teufel! Zur Holle mit dir, du Elender!«Seine Stimme bebte so vor Wut, da? Gimlett sich wie ein geprugelter Hund in die Ecke druckte.
Schlie?lich ri? sich Bolitho mit einem Ruck zusammen.»Ist schon gut, Gimlett. Keine Angst. «Er hob den Becher ans Licht der Lampe und wartete, bis der Wein still und blutrot im Glas stand.»Sie habe ich nicht gemeint, Gimlett. Sie konnen jetzt gehen.»
Als Bolitho wieder allein war, zog er Cheneys Brief aus der Brusttasche und begann zu lesen.
XV Zuerst die Menschen!
Gewi? war Bolitho darauf vorbereitet und gewillt, die Stimmung im Schiff trotz Pomfrets Winkelzugen nicht absinken zu lassen, doch die Wirklichkeit wurde viel schlimmer, als selbst er vorausgesehen hatte. Woche um Woche fuhr die Hyperion ihre anscheinend endlose Patrouille, ein riesiges, eintoniges Rechteck auf dem offenen Meer. Nur gelegentlich unterbrach die ferne Kuste Frankreichs oder der lauernde Schatten der Insel Cozar die Leere.
Zweimal begegneten sie der Schaluppe Chanticleer; sie hatte wenig zu melden, was Bolithos wachsende Nervositat hatte beschwichtigen konnen. Die Situation der Schaluppe war genauso scheu?lich wie seine eigene, denn die unberechenbaren Wetterverhaltnisse des Mittelmeeres spielten einem so kleinen Fahrzeug besonders mit. Bellamy, der Kommandant, konnte sich das Ausbleiben jeglicher Nachrichten aus Pomfrets Hauptquartier ebensowenig erklaren wie Bolitho selbst. Es gab nur Geruchte. Angeblich bombardierten die Franzosen St. Clar mit Belagerungsgeschutzen; im Weichbild der Stadt wurde bereits gekampft, so da? man kaum noch ohne Gefahr auf die Stra?en konne.
Aber an Bord der Hyperion waren solche Spekulationen ebenso unnutz wie fernliegend, denn in ihren menschenwimmelnden Decks bedeutete Wirklichkeit: heute — und allenfalls morgen. Bolitho wu?te, da? seine Leute sich alle Muhe gaben, ihre Enttauschung, ihren Mi?mut nicht zu zeigen. Sie verhielten sich wunschgema?, einen ganzen Monat lang gab es standig Wettkampfe und freundschaftliche Konkurrenzen aller Art. Verschiedene Preise wurden ausgesetzt; fur die beste Splei?arbeit, das schonste Schiffsmodell, fur Hornpipe- und Jigtanzer, sogar fur die zahllosen kleinen Gegenstande, welche die alteren Matrosen mit gro?er Liebe und Sorgfalt herstellten: winzige, zierliche Schnupftabaksdosen, aus steinhart getrocknetem Salzfleisch geschnitzt und dann poliert, oder Kamme und Broschen aus Knochen und Glasstuckchen.
Aber das konnte nicht von Dauer sein. Kleine Streitigkeiten wuchsen sich zu Schlagereien aus, Unzufriedenheit und Beschwerden zogen wie Giftschwaden durch das Gedrange an Bord; und einmal schlug ein wutender Matrose einen Unteroffizier ins Gesicht. Das brachte ihm selbstverstandlich Prugelstrafe ein. Und diese blieb nicht die einzige.
Auch die Offiziere waren gegen die wachsende Unruhe und Unzufriedenheit nicht immun. Bei einem Kartenspiel in der Offiziersmesse hatte Rooke den Zahlmeister des Falschspiels bezichtigt. Hatte Herrick nicht mit fester Hand eingegriffen, hatte der Vorfall blutige Konsequenzen gehabt. Doch auch Herricks wachsames Auge konnte nicht alles sehen.
Der einzige Verbundete Bolithos war das Wetter. Im Verlauf der Wochen verschlechterte es sich betrachtlich, und haufig mu?ten die Matrosen in einer einzigen Stunde alle Segel setzen und wieder reffen; dann waren sie so mude, da? sie nicht einmal die Energie zum Essen aufbrachten. Allerdings gab es auch nichts Vernunftiges mehr zu essen. Was Bolitho in St. Clar an frischen Lebensmitteln hatte auftreiben konnen, war bald verbraucht, und jetzt lebte das ganze Schiff von den Grundrationen: Salzfleisch und Schiffszwieback — viel mehr gab es nicht.
In der elften Woche, als die Hyperion die sudliche Strecke ihrer Patrouille absegelte, flaute die scharfe Brise ab, die sie tagelang begleitet hatte. Der Wind krimpte ein paar Strich, und dieser Wechsel brachte Regen.
Bolitho stand in Luv auf dem Achterdeck und sah den Regen wie einen eisernen Vorhang auf das Schiff zukommen. Er trug weder Rock noch Hut und lie? sich richtig durchweichen. Im Vergleich zu dem fauligen Trinkwasser schmeckte der Regen wie Wein; und als er mit zusammengekniffenen Augen in den Wind spahte, sah er mehrere der auf dem Oberdeck arbeitenden Matrosen gleich ihm in diesem Himmelsgu? stehen, als wollten sie ihre Wut und Niedergeschlagenheit abwaschen lassen.
Tomlin, der Bootsmann, lie? im Vorschiff eiligst Segeltucheimer aufstellen; und Crane, der Kufer, trieb seine Maaten an, die leeren Fasser fertigzumachen, damit sie gefullt werden konnten, ehe der Regen aufhorte. Und jetzt kann ich nicht einmal mehr sagen, da? ich den Hafen anlaufen mu?, um Trinkwasser aufzunehmen, dachte Bolitho mi?mutig. So schnell kann aus einem Freund ein Feind werden!
Herrick kam ubers Deck. Sein triefendes Haar klebte auf der Stirn.»Wenn es jetzt aufklart, mussen wir Cozar Backbord voraus in Sicht bekommen, Sir. «Er verzog das Gesicht.»Ich sage ascheinend immer wieder dasselbe.»
Da hatte er recht. Wenn sie die Insel sichteten, bedeutete das nur, da? sie eine Seitenlange ihres Patrouillenreviers absolviert hatten. Die Hyperion fuhr eine Wende und begab sich zum soundsovielten Male auf den langen und langweiligen Torn in Richtung Festland.
Bolitho lehnte sich uber die Reling und achtete nicht darauf, da? Regen und Spruhwasser ihm Rucken und Hosenbeine durchna?ten. Kein Wunder, da? die Hyperion so langsam war, bei dem jahrealten Bewuchs an ihrem Unterwasserschiff! Jede Strahne Seegras, jeder Streifen Tang bedeutete eine Meile Ozean unter ihrem geteerten Kiel, jede Muschelkolonie hundert Drehungen des Ruderrades. Bolitho schmeckte Salz zwischen den Zahnen und sah beim Aufblicken, da? der Regen abgezogen war und nur noch im Osten die knuppeligen Wellen aufrauhte.
«An Deck!«Die Stimme des Ausgucks im Masttopp ubertonte den Wind.»Segel Backbord voraus!»
Bolitho blickte Herrick an. Sie hatten beide gedacht, der Mann wurde Cozar in Sicht melden. Ein Schiff — das war etwas Ungewohnliches, ein Ereignis.»Lassen Sie das zweite Reff herausnehmen, Mr. Herrick«, sagte Bolitho.»Wir sehen uns das mal naher an.»
Aber das ware gar nicht notig gewesen; denn sobald die Brams egel des fremden Schiffes in einem breiten Streifen Sonnenlicht uber der Kimm standen, halste es und nahm Kurs direkt auf die Hyperion.
Piper war bereits mit seinem Teleskop in den Besanwanten, als sich die ersten Flaggen an der Rah des Fremden entfalteten.
«Es ist die Harvester, Sir!«Er spuckte aus, denn ein plotzlicher Schwall Spritzwasser war in Luv ubergekommen und hatte ihn beinahe von seinem unsicheren Platz gefegt. »Harvester an Hyperion«, keuchte er.»>Habe Depeschen fur Sie<.»
Bolitho uberlief es; er hatte kaum auf dergleichen zu hoffen gewagt.»Klar zum Beidrehen, Mr. Herrick!»
Kaum hatte die Hyperion mit ihren klatschnassen, laut schlagenden Segeln das Manover beendet, da war die schnelle Fregatte schon so nahe, da? man die breiten Salzstreifen an ihrem Rumpf erkennen konnte und das nackte Holz, wo die ruhelose See die Farbe wie mit Messern weggekratzt hatte.
Unruhig bebten die Rahen der Fregatte, und das schmale Deck neigte sich, denn Leach drehte in den Wind, bis sein Schiff stampfend in Lee der Hyperion lag.
«Das ist seltsam, Sir«, sagte Herrick.»Er hatte die Depeschen doch an der Leine heruberdriften lassen konnen. Bei diesem Wind hat ein Boot machtig zu pullen, bis es hier ist.»
Aber die Harvester lie? bereits ein Boot zu Wasser, und als es endlich von der Bordwand klargekommen war, sah Bolitho, da? nicht etwa ein Midshipman im Boot sa?, sondern Captain Leach personlich.