Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗
Er knopfte sein spanisches Hemd auf und betastete das kleine Medaillon an seinem Hals. Kate hatte sich nie daran gestort. Vorsichtig offnete er es und betrachtete die kastanienbraune Locke. Im Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, glanzte sie so blank wie an dem Tag, als er Cheney zum erstenmal gesehen hatte. Damals noch die Verlobte seines Admirals. Cheney Seton, das Madchen, das er erkampft und geheiratet hatte. [24] Er schlo? das Medaillon und knopfte das Hemd wieder zu. Nichts hatte sich geandert. Er liebte sie noch immer. Kein Wunder, da? er im Fieber nach ihr gerufen hatte.
Pascoe kam herein, Hut unterm Arm, Signalbuch in der Hand. Bolitho sah ihn an und versuchte seine plotzliche Niedergeschlagenheit zu verbergen, so gut er konnte.
«Na, Adam, nun wollen wir mal sehen, was wir fur neue Tricks erfinden konnen, eh?»
«Kurs Nordost zu Nord, Sir! Liegt an!»
Bolitho horte den Master mit seinem Ruderganger flustern, eilte aber zu den Netzkasten an der Reling, in denen jetzt die sauber gepackten Hangematten verstaut waren. Seltsam bleich schimmerten sie im Mondschein.
Farquhar trat zu ihm und meldete:»Wind ist stetig, Sir. Wir sind etwa zwanzig Meilen sudwestlich der Insel. Die Buzzard steht in Luv, Sie konnen ihre Marssegel in der Mondbahn ausmachen.»
«Nichts von einem Boot zu sehen?»
«Nichts. Vor drei Stunden habe ich den anderen Kutter unter Segel losgeschickt. Ob Veitch ihn gesehen hat, wei? ich nicht — jedenfalls hat er weder durch Pistolenschu? noch mit der Laterne Signal gegeben.»
«Na schon. Wie lange, denkt der Master, konnen wir auf diesem Kurs bleiben?»
«Hochstens eine Stunde, Sir. Dann mu? ich meinen Kutter zuruckrufen und wenden. Sonst kommen wir zu dicht unter Land; und wenn wir noch einen gro?en Bogen schlagen mussen, sind wir bei Morgengrauen weiter von der Durchfahrt entfernt, als mir lieb ist.»
«Einverstanden«, sagte Bolitho zogernd.»Also eine Stunde noch.»
«Halten Sie es wirklich fur richtig, die Nicator in die nordliche Einfahrt zu schicken, Sir? Wenn Probyn nicht zur rechten Zeit angreift, gibt es eine Katastrophe.»
«Die Durchfahrt ist eng, ich wei?, aber bei einigerma?en gunstigem Wind kann es die Nicator schaffen.»
«Ich rede nicht von der Passage oder von der Gefahr, Sir. «Far-quhars Gesicht lag jetzt im Schatten, aber seine Epauletten schimmerten hell auf dem dunklen Uniformrock.»Ich mu? Ihnen gestehen, da? ich kein Vertrauen zum Kommandanten der Nicator habe.»
«Wenn er einsieht, wieviel beim Gelingen der ganzen Aktion von ihm abhangt, wird er seine Pflicht tun.»
Doch Bolitho dachte an Probyns rotes Gesicht, sein Drumherumreden, seine standigen Bedenken. Aber was konnte er tun? Wenn es so kam, wie er voraussah, wurde die Osiris hier das Schlimmste abbekommen und mu?te am langsten durchhalten. Er konnte Javal nicht zumuten, seine leichte Fregatte einem schweren Artilleriebeschu? auszusetzen; dessen Anteil an der Aktion war ohnehin schon schwierig genug. Ohne Hilfe der Lysander blieb das Uberraschungsmoment eben Sache der Nicator. Anders ging es nicht. Vermutlich war Farquhar jetzt wutend uber sich selber, weil er Herrick ohne Unterstutzung losgeschickt hatte und nicht nach den Regeln der Geschwadertaktik vorgegangen war. Und dabei hatte er sich schon als Oberkommandierender gefuhlt!
«An Deck! Lichtsignal in Luv voraus!»
Eilends trat Bolitho auf der Backbordlaufbrucke und spahte uber die bemalte Leinwand.
«Das Signal, bei Gott!«rief Farquhar aus.»Mr. Outhwaite, drehen Sie bei und machen Sie alles klar zum Einholen der Boote!»
Das Schiff wurde lebendig. Wie Gespenster huschten die Matrosen im Mondschein an die Brassen und Fallen.
Hochrufe ertonten, als der erste und gleich danach der zweite Kutter an die Bordwand stie? und Matrosen hinunterkletterten, um mit zuzufassen.
Unter Segeln und Riemen zugleich — das mu?te eine zermurbende Fahrt gewesen sein, dachte Bolitho. Er wartete an der Achterdecksreling, die Hande hinterm Rucken fest verschrankt, um seine Ungeduld zu zugeln und nicht mit den anderen zur Fallreepspforte zu rennen. Er sah einen untersetzten, hinkenden Mann und erkannte ihn sofort.
«Mr. Plowman! Hierher!»
Der Steuermannsmaat lehnte sich an die Finknetze und versuchte, zu Atem zu kommen.»Bin ganz schon froh, da? ich hier bin, Sir!«Er deutete nach dem unsichtbaren Land, und Bolitho sah, da? er einen fleckigen Verband um die eine Hand trug; das Blut sickerte durch wie schwarzes Ol.
«Haben das zweite Boot kommen sehen, mu?ten uns aber verstecken. Die Gegend wimmelt von Patrouillen. Einer sind wir in die Arme gerannt. Das gab eine Keilerei. «Kritisch betrachtete er seine verbundene Hand.»Haben sie aber fertiggemacht.»
«Und Mr. Veitch?«Er wartete auf das Unvermeidliche.
«Dem geht's gut, Sir. Er ist an Land geblieben. Hat mir befohlen, ich soll das Schiff suchen und Ihnen berichten.»
Nach dem dammrigen Mondschein an Deck wirkten die Kajutlaternen viel zu hell. Bolitho sah, da? Plowman von Kopf bis Fu? vor Schmutz starrte; Gesicht und Arme waren von Steinen und Dornen zerkratzt und zerschrammt.
«Hier, trinken Sie. Was Sie wollen. «Inzwischen waren Farquhar, sein Erster Offizier und hinter ihnen Pascoe in die Kajute getreten.
Plowman seufzte dankbar.»Dann hatte ich gern einen ordentlichen Brandy, wenn ich bitten darf, Sir.»
«Sie haben ein ganzes Fa? voll verdient«, lachelte Bolitho. Stumm wartete er, bis Plowman einen Becher von Farquhars gutem Brandy ausgetrunken hatte.»Jetzt erzahlen Sie, was los ist.»
Plowman wischte sich den Mund mit dem Handrucken.»Nichts Gutes, Sir. «Er schuttelte den Kopf.»Wir haben's so gemacht, wie Sie sagten, und Mr. Veitch hat 'n ganz schonen Schreck gekriegt. Genau wie Sie sich dachten, Sir, blo? noch schlimmer.»
«Schiffe?«fragte Farquhar hastig.
«Aye, Sir. Mindestens drei?ig. Und davor ankert ein Linienschiff, ein Vierundsiebziger. Und 'ne Fregatte, noch 'ne Fregatte, und ein paar Korvetten — wie der Franzmann, den wir mit der Segu-ra erledigt haben.»
«Donnerwetter!«sagte Farquhar leise.»Das ist ja eine kleine Armada!»
Plowman ging nicht darauf ein.»Aber das ist noch nicht alles, Sir. Die haben zwei von den neuen Geschutzen auf die Landspitze geschafft. «Er beugte sich ungelenk uber die Karte und stie? mit dem Daumen auf die Stelle.»Da! Wir dachten erst, die loschen alle Schiffe, aber sie haben blo? diese zwei Schonheiten an Land gebracht. Bei Sonnenaufgang trafen wir 'n Schafer; einer von den Jungs, der ein bi?chen Griechisch kann, ist mit ihm ins Gesprach gekommen. Die Inselbewohner sind nicht sehr fur die Frogs. Die haben die Insel rein abgegrast. Und die Weiber auch, nach allem, was man hort. Jedenfalls machen die Schiffe seeklar, hat er gesagt. Wollen nach Kreta oder so, da sammeln sich noch mehr.»
«Brueys. Aber warum ist Leutnant Veitch an Land geblieben?«fragte Bolitho ernst. Dabei hatte er die Antwort schon erraten.
«Mr. Veitch denkt, Sie wollen trotzdem angreifen, Sir. Er sagte, Sie werden die Nicator vorschicken. «Grimmig zog er die Brauen zusammen.»Hatte ich nicht die kaputte Hand, ich ware bei ihm geblieben.»
«Da? Sie zuruckgekommen sind, ist mir wichtiger. Und ich danke Ihnen.»
Veitch hatte es von Anfang an erkannt: da? Bolitho, da er nicht mehr Schiffe besa?, keine Verbindung mit der Nicator haben konnte und sie auch vor Morgengrauen, wenn der Zeitpunkt zum Angriff gekommen war, nicht erreichen konnte.
Bolitho go? Plowman wieder ein. Der grinste melancholisch und fuhr fort:»Mr. Veitch sagte, er will versuchen zu helfen, Sir. Er hat drei Freiwillige bei sich — alle drei so verruckt wie er, wenn Sie entschuldigen. Mehr kann ich nicht sagen.»
Er schwankte vor Mudigkeit, und Bolitho befahl:»Allday soll ihn auf die Krankenstation bringen, damit die Hand verbunden wird. Und sorgen Sie dafur, da? beide Bootsmannschaften belohnt werden.»
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s. Kent: Nahkampf der Giganten