Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗
Obwohl die franzosische Flotte gro?er war, hatte er bei Morgengrauen Brueys' samtliche Schiffe bis auf zwei vernichtet. Diese beiden waren in der Nacht entkommen, nachdem sie das schrecklichste Ereignis der ganzen Schlacht mitangesehen hatten: die l'Orient, Brueys' gro?es Hundertzwanzig-Kanonen-Schiff, war in die Luft geflogen und hatte dabei mehrere Schiffe schwer beschadigt; der Eindruck auf beiden Seiten war so uberwaltigend gewesen, da? eine Feuerpause einsetzte.
Brueys starb mit der l'Orient, aber seines Mutes, seiner Ausdauer wurde in der britischen Flotte mit ebensoviel Stolz gedacht wie in der franzosischen. Als ihm schon beide Beine abgeschossen waren, hatte er sich, die Stumpfe mit Aderpressen abgebunden, aufrecht in einen Stuhl setzen lassen, hatte seinem alten Feind ins Auge gesehen und seine Flotte bis zum bitteren Ende weiterkommandiert.
Bonapartes Traum war vorbei. Er hatte seine ganze Flotte verloren, dazu uber funftausend Mann, sechsmal so viel wie die Englander. Seine Armee stand an der Nilmundung, unverteidigt, isoliert.
Es war ein gro?er Sieg, und als Bolitho die letzte Phase mitansah, das bose rote Blitzen am Himmel uber der See, da hatte er gerechtfertigten Stolz empfunden, weil auch die Lysander dazu beigetragen hatte.
Spater, als er seinen Bericht abgeschickt hatte, wartete er gespannt auf die Reaktion des Admirals. Mit gewohntem Elan war Nelson bereits wieder dabei, seine Flotte seeklar zu machen; doch hatte er Zeit gefunden, einen Offizier mit einem kurzen, warmen Antwortschreiben heruberzuschicken:
Sie sind ein Mann nach meinem Herzen, Bolitho! Der Erfolg rechtfertigt das Risiko!
Er hatte Bolitho angewiesen, einige Prisenschiffe nach Gibraltar zu bringen, dort Fahrgelegenheit nach England zu suchen und sich wieder auf der Admiralitat zu melden. Captain Probyns Tod hatte Nelson uberhaupt nicht erwahnt — und das war, wie Herrick betonte, auch ganz gut so.
Bolitho wandte sich wieder um und sah Herrick an.»Merkwurdig, Thomas, von uns allen ist Francis Inch immer noch der einzige, der Our Nel personlich kennengelernt hat.»
«Aber sein Einflu? ist dennoch vorhanden, Sir«, nickte Herrick.»Dieser Brief von ihm und die Tatsache, da? der Kommodorestander immer noch uber diesem Schiff weht, ist viel mehr wert als sein Handedruck.»
«Nach allem, was wir durchgemacht haben, werde ich die Lysan-der sehr vermissen, Thomas.»
«Aye. «Herricks rundes Gesicht wurde traurig.»Sobald wir vor Anker liegen, lasse ich die gro?eren Reparaturen in Angriff nehmen. Aber ich furchte, in einem Gefecht wird sie nie mehr bestehen konnen.»
«Wenn Sie wieder in England sind, Thomas — aber das besonders zu erwahnen, erubrigt sich, nicht wahr? — , werde ich stets einen treuen Freund brauchen.»
Herrick drehte sich um und beobachtete einen Hochseekutter, der an den Heckfenstern vorbeizog. Die Mannschaft winkte und schrie zudem schwer mitgenommenen Vierundsiebziger hinauf, doch ihre Stimmen drangen nicht durch die dicken Glasscheiben.»Keine Angst, Sir. Wenn ich kann, komme ich.»
Ozzard erschien und inspizierte die beiden gro?en, abholfertig gepackten Seekisten.
«Ich habe viel Fehler gemacht, Thomas. Zu viele.»
«Aber zum Schlu? haben Sie immer die Losung gefunden, Sir. Nur darauf kommt es an.»
«Tatsachlich?«lachelte er.»Ich wei? nicht recht. Auf jeden Fall habe ich eins gelernt: uber Leben und Tod zu entscheiden ist ke ineswegs leichter, wenn am Schlu? die eigene Flagge uber dem Endergebnis weht.»
Er warf einen Blick auf den polierten Weinschrank, den soeben zwei Matrosen in Sackleinwand einnahten. Ob er Kate wohl in London sehen wurde? Und wenn ja — wurde es dann zwischen ihnen weitergehen?
Ein paar Stunden spater, nach dem hallenden Donner der Salutschusse, dem Ankern, den notwendigerweise zu leistenden Unterschriften, ging Bolitho zum letztenmal an Deck.
In der untergehenden Sonne sah Gibraltar wie ein riesiger Korallenblock aus; auch die Werften, die Schiffe mit den aufgegeiten Segeln schimmerten rotlich.
Langsam schritt er die Reihen der Angetretenen ab, schuttelte hier eine Hand, nannte dort jemanden bei Namen und versuchte, moglichst unbewegt auszusehen. Major Leroux, den Arm in der Schlinge. Der alte Ben Grubb, der so wust aussah wie eh und je.»Alles Gute, Sir«, murmelte er. Zahlmeister Mewse, Leutnant Stee-re, die Midshipmen — nicht mehr so angstlich, sondern gebraunt und in den Monaten auf See merklich gereift.
Er blieb bei der Fallreepspfortestehen und sah hinunter. Allday stand im Boot, sehr stramm in seinem blauen Rock und der Nankinghose, und kommandierte die Ruderer. Auch sie sahen anders aus. Sie hatten sich seinetwegen feingemacht: saubere, karierte Hemden, frisch geteerte Mutzen.
Auch Ozzard sa? im Boot, ein kleines Bundel mit seinen Habseligkeiten im Arm, die Augen zum Schiff emporgerichtet. Als Bo-litho ihn gefragt hatte, ob er als Diener bei ihm bleiben wolle, da war er keiner Antwort fahig gewesen. Er hatte nur genickt; er konnte nicht gleich fassen, da? dieses Leben des Sichversteckens jetzt vorbei war.
Bolitho wandte sich um und sah Pascoe an.»Leb wohl, Adam. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. «Rasch druckte er dem Jungen die Hand und nickte Herrick dabei zu.»Pa?t gut aufeinander auf, eh?»
Dann luftete er den Hut vor der Ehrenwache und kletterte ins Boot hinunter. Wahrend es mit kraftigen Schlagen ablegte, drehte er sich noch einmal nach dem machtigen, dunklen Rumpf der Lysander um.
Allday beobachtete ihn, sah sein Gesicht bei den Hochrufen, die von Deck und aus den Wanten der Lysander erschallten.
«Eine Menge Gesichter fehlen«, sagte Bolitho nachdenklich.
«Nur keinen Kummer, Sir. Wir haben's den Franzosen gezeigt, und das ist die Hauptsache.»
Wahrend sich das Boot zwischen den vor Anker liegenden Kriegsschiffen hindurchschlangelte, stieg Herrick, der Bolitho nachgeblickt hatte, bis er nicht mehr zu sehen war, langsam zum Kampanjedeck hinauf. Seine Schuhsohlen blieben an manchem Splitter hangen, an Stellen, die noch reparaturbedurftig waren. Er wandte sich um, denn Pascoe kam hinter ihm her, den fleckigen, ausgefransten, breiten Kommodorestander uber der Schulter. Er lachelte, doch seine dunklen Augen waren noch von Trauer uberschattet.
«Ich dachte, Sie wurden ihn vielleicht gern haben wollen, Sir?»
Herrick blickte uber sein Schiff. Nachdenklich, voller Erinnerungen.»Ich habe das hier alles, das ganze Schiff, Adam«, sagte er.»Ich werde ihn an Captain Farquhars Mutter schicken. Die hat jetzt gar nichts mehr.»
Pascoe lie? ihn bei den durchlocherten Netzen allein und ging auf die andere Seite. Aber das Boot war nicht mehr zu sehen, und der Felsen von Gibraltar lag schon in tiefem Schatten.
Ende