Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗
Er sah ihnen in die Gesichter: Farquhar hatte grimmig die Brauen zusammengezogen; Outhwaite starrte ihn mit seinen feuchten Augen sprachlos und fasziniert an. Und Pascoe fiel das schwarze Haar uber ein Auge, als hatte auch er eine Narbe zu verbergen.
«Nun, Captain Farquhar«, fragte Bolitho,»was halten Sie jetzt von der Sache?»
Farquhar zuckte die Achseln.»Ware nicht die Nicator schon unterwegs, so wurde ich Ihnen raten, sich zuruckzuziehen, Sir. Es hat keinen Sinn, Ihre Ehre hoher einzustufen als den Verlust eines ganzen Geschwaders. Wir haben darauf gesetzt, da? die Franzosen ihre kostbare schwere Artillerie eingepackt lassen und sich mit konventionellen Geschutzen begnugen wurden. «Er warf einen kurzen Blick auf Plowman, der erschopft in seinem Stuhl eingeschlafen war.»Aber wenn Kerle wie er und Leutnant Veitch bereit sind, ihr Leben durch die Ankerkluse zu schmei?en — ja, dann werde ich wohl desgleichen tun!»
Gelassen blickte er seinen Ersten Offizier an.»Befehl vom Kommodore: eine warme Mahlzeit und eine doppelte Portion Rum fur alle Mann, Mr. Outhwaite. Danach konnen Sie das Kombusenfeuer loschen und das Schiff gefechtsbereit machen lassen. Die Leute werden heute nacht neben den Kanonen schlafen — wenn sie schlafen konnen. Und nun, Sir, bitte ich, mich zu entschuldigen. Ich habe Briefe zu schreiben.»
Als sie allein waren, sagte Bolitho zu Pascoe:»Adam, ich wunschte, du warst auf einem anderen Schiff. Uberall anderswo als hier.»
Pascoe sah ihn forschend an.»Mir ist es ganz recht so, Onkel. «Bolitho trat ans Fenster und blickte auf den silbernen Glanz im Wasser hinaus. Wie auf gekrauselter Seide wechselten die Muster unaufhorlich. An wen schrieb Farquhar wohl? An die Admiralitat? An seine Mutter?
«Mein Verwalter in Falmouth«, sagte er,»hat einen Brief in Verwahrung, Adam. Fur dich.»
Pascoe trat neben ihn; er sah sein Spiegelbild in der dicken Scheibe. Wie Bruder sahen sie aus in dem seltsamen Licht.
«Sag nichts. «Bolitho legte ihm den Arm um die Schulter.»In dem Brief steht, was du zunachst tun mu?t. Alles andere ist dann deine Sache.»
«Aber Onkel«, sagte Pascoe mit zitternder Stimme,»du darfst nicht so sprechen.»
«Es mu? aber gesagt werden. «Lachelnd wandte er sich zu ihm um.»So wie es auch mir einst gesagt worden ist. Und jetzt«-, er verdrangte den Schmerz aus seinen Gedanken — ,»mussen wir Mr. Plowman nach unten bringen.»
Doch als sie sich umdrehten, sahen sie, da? Plowman schon weg war.
XV Die Katastrophe
Farquhar stand beim Ruder und sah zu Bolitho hinuber.»Steuern Sie Nordnordost«, sagte er zum Master.»Wir runden die Landspitze so dicht es irgend geht, verstanden, Mr. Bevan?»
«Aye, Sir«, entgegnete der Master nervos,»aber es ist eine schlechte Einfahrt. Sandbanke vor der Spitze, und vor der Kuste auch; auf der Karte sind sie nicht genau eingezeichnet.»
Farquhar ging zur Achterdecksreling.»Noch ruhrt sich nichts.»
Bolitho hob sein Teleskop und suchte langsam den unregelma?igen Kamm der Landspitze ab, die etwa eine Meile vor ihnen an Backbord lag. Alles ruhte noch in tiefem, purpurnem Schatten; nur dicht unter dem bleichen Himmel waren die Hohen und Tiefen verschwommen auszumachen. Ganz vorn konnte er bewegtes Wasser erkennen; dort brach sich die See schaumend uber einem steil abfallenden Strand mit gezackten Riffen. Ihm fiel auf, wie schroff Farquhar plotzlich mit seinem Master sprach — vermutlich wollte er nur seine innere Spannung abreagieren. Aber es war verkehrt, sich dazu ausgerechnet den Master auszusuchen. Bevan, ehemaliger
Steuermann auf einem Indienfahrer, brauchte jetzt seine Nerven, seinen Verstand und zumindest das unbedingte Vertrauen seiner drei Ruderganger, wenn schon der Kommandant an all und jedem seine schlechte Laune auslassen mu?te.
«Das habe ich auch nicht erwartet. «Bolitho erstarrte, als uber dem nachsten Landbuckel etwas Schwarzes vorbeizog. Erst dachte er, es ware Rauch; aber es war nur eine einzelne fedrige Wolke. Sie zog schrag auf das Wasser hinter dem Landarm zu, das immer noch im Halbdunkel lag. Der vordere Teil der Wolke hatte die Farbe bleichen Goldes; es war der Widerschein der Sonne, die den Blik-ken der Manner auf beiden Schiffen noch verborgen war.
Er stieg auf einen Neunpfunder und spahte uber die Kampanje achteraus. Zwei Kabellangen weiter lag die Buzzard auf ihrer Position, Gro?- und Bramsegel aufgegeit, die machtige Fock so gebra?t, da? sie die leichte sudliche Brise erfa?te. In dem verschwommenen Licht sah sie sehr schlank und zierlich aus; er stellte sich vor, wie Javal und seine Offiziere das gleiche vorspringende Land beobachteten, die Zeit beschworen, schneller zu verstreichen, damit es endlich losging.
Aber, dachte er, eine Weile wird es noch dauern. Die Franzosen wurden abwarten und es nicht riskieren, den Feind durch vorzeitige Feuereroffnung entwischen zu lassen.
Er sprang von der Kanone herunter und fiel beinahe hin. Trotz des auf dem Achterdeck uberall reichlich gestreuten Sandes waren die Planken glitschig vom nachtlichen Tau. Ein Matrose fa?te ihn beim Ellbogen und grinste ihn an.»Sachte, Sir! Sonst hei?t es, ausgerechnet unser Geschutz hat den Kommodore umgeschmissen!»
Bolitho mu?te lacheln. Samtliche Kanonen an Bord waren geladen und voll bemannt. Um feuerbereit zu sein, brauchten nur noch die Stuckpforten geoffnet und die Rohre ausgerannt zu werden. Doch wenn an Land Beobachter sa?en, hatte es keinen Sinn, schon jetzt zu zeigen, da? die oberen Stuckpforten der Osiris nur schwarze Karos auf Leinwand waren.
«Und es soll auch keiner sagen, da? ich betrunken bin und nicht stehen kann, eh?«entgegnete er.
Sie lachten — selbstverstandlich. Im Umkreis der Kanonen hing trotz des kuhlen Windes ein schwerer Rumgeruch in der Luft; wahrscheinlich hatte jeder Mann weit mehr als die doppelte Ration gefa?t. Oder manche hatten mit ihren Rationen alte Schulden beglichen oder sie als Tauschmittel verwendet. Hochstwahrscheinlich hatten auch einige ihre Rationen als Wettkapital zuruckbehalten. Um was sie wohl wetteten? Wer fallen und wer uberleben wurde? Wieviel Prisengeld es geben wurde? Welcher von den Offizieren am langsten die Nerven behielt? Bestimmt wurde viel und um die verschiedensten Dinge gewettet.
Er ging wieder nach vorn zur Reling und starrte uber das verschattete Hauptbatteriedeck. Ruhelose Gestalten bewegten sich um die schwarzen Kolosse. Wie Sklaven pruften sie jedes Stuck fur ihre spatere Arbeit. Die Geschutzfuhrer hatten das Ihre getan, hatten fur die erste Salve Kugeln ausgesucht, die vollkommen rund und glatt waren, deren Gewicht genau stimmte, und hatten darauf geachtet, da? auch die Kartuschen fehlerlos waren. Darauf kam es vor allem bei den ersten Schussen an; nachher im blutigen Kampfgetummel war fur solche Feinheiten keine Zeit mehr.
Oben in den Masten sa?en bereits die Scharfschutzen der MarineInfanterie; auch im Vorschiff standen sie in gro?er Zahl lassig neben ihren langen Musketen oder schwatzten mit den Bedienungen der Karronaden.
«Hier ist Ihr Degen, Sir«, vernahm er Alldays Stimme.
Er streifte den Bootsmantel ab, den er seit drei Stunden vor dem Morgengrauen trug, und lie? sich von Allday den Degen umschnallen.
Der sagte leise, doch mit merkbarer Mi?billigung:»Sie sehen aber eher wie ein Seerauber als wie ein Kommodore aus, Sir! Mocht' nicht wissen, was sie in Falmouth dazu sagen wurden!»
Bolitho lachelte.»Einer meiner Ahnen war doch Seerauber, All-day. «Er schnallte das Koppel enger, denn durch seinen Fieberanfall hatte er an Gewicht verloren.»Aber das war selbstverstandlich damals ein respektabler Beruf.»
Er wandte sich um, denn eben eilte Farquhar vorbei.»Haben Sie zusatzlich Leute fur die Pumpen und Eimer eingeteilt?»
«Jawohl, Sir. «Farquhar fuhr sich mit dem Finger in die Halsbinde.»Auf gluhende Kugeln bin ich vorbereitet. «Er musterte die