Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗
Wahrend die Osiris und die Nicator mit Langsamstfahrt nach Nordost zogen und Javals Fregatte in endlosem Zickzackkurs zu ihnen aufkreuzte, war das verwischte Stuckchen Leinwand des Spahers kaum jemals au?er Sicht.
Den ganzen Nachmittag, wahrend der Segelmacher und seine Maaten mit gekreuzten Beinen auf jedem freien Stuck Deck sa?en, die Kopfe gebeugt, mit blitzenden Nadeln und metallenen Handschutzern arbeitend, lief Bolitho auf der Kampanje herum. Manchmal ging er auch in die Kajute, um sich ein paar Minuten auszuruhen.
Bis zur zweiten Hundewache, [23] als der Ausguck» Land in Sicht «aussang, nahm Bolitho an, da? die spionierende Brigg jetzt uberzeugt sei, das Geschwader, ob nun gro? oder klein, segle tatsachlich nach Korfu.
Durch die Wanten musterte er eindringlich den purpurnen Schatten, das Land, und stellte sich die Insel vor. Der Kommandant der Brigg hatte sich zu starr an seine Order gehalten und war zu lange geblieben. Jetzt kam ihm die Nacht uber den Hals, und er mu?te bis zum Morgen warten, um seine Meldung an den Mann zu bringen. An seiner Stelle, dachte Bolitho, hatte er das Mi?fallen des Admi-rals riskiert und die Jagd schon lange vorher abgebrochen. Er konnte dem Admiral weit mehr nutzen, wenn er neben dem Flaggschiff lag, statt sich die ganze Nacht an dieser gefahrlichen Kuste herumzutreiben. Die Brigg war zu neugierig gewesen. An sich nichts Schlimmes, aber in diesem Falle vielleicht entscheidend.
Bolitho ging wieder in die Kajute. Dort wartete Farquhar mit Veitch und Plowman auf ihn.
«Sie wollten diese beiden sprechen, Sir?«sagte Farquhar.
Bolitho wartete, bis der Steward eine Laterne uber der Karte aufgehangt hatte.
«Also, Mr. Plowman. Ich brauche einen tuchtigen Freiwilligen, der an Land rekognosziert.»
Der Steuermannsmaat beugte sich uber die Karte und studierte die Klippen und Untiefen der Westkuste. Dann grinste er bedachtig.»Aye, Sir. Wei? schon, was Sie meinen.»
Farquhar fuhr dazwischen:»Was denn, Sir, Sie wollen Leute bei Nacht an die Kuste schicken?»
Bolitho gab keine direkte Antwort. Er sah einfach Plowman an und fragte:»Trauen Sie sich das zu? Wenn es nicht so wichtig ware, wurde ich es Ihnen nicht zumuten.»
«Hab schon Schlimmeres gemacht. Einmal in Westafrika. «Er seufzte.»Aber das ist 'ne andere Geschichte, Sir.«»Gut.»
Bolitho sah ihn ernst und nachdenklich an. Vielleicht forderte er zu viel, schickte Plowman und andere in den Tod. Er spielte mit dem Gedanken, selbst mitzugehen; doch er wu?te, das ware so oder so sinnlos gewesen. Weder personliches Geltungsbedurfnis noch verzweifelte Tollkuhnheit oder die qualende Ungewi?heit durften eine Rolle spielen. Er wurde hier gebraucht, und das sehr bald.
Zu Farquhar sagte er:»Sie brauchen einen Kutter und eine verla?liche Mannschaft. «Dann wandte er sich an Veitch:»Sie befehligen die Landeabteilung. Suchen Sie sich Ihre Leute sorgfaltig aus. Manner aus dem Bergland, die ein bi?chen klettern konnen und nicht gleich von jeder Klippe fallen.»
Der Leutnant hatte erst sehr ernst dreingesehen; jetzt anderte sich das: Befriedigung, Stolz sogar, weil er eine so schwierige Mission selbstandig ausfuhren sollte. Wenn Bolitho Zweifel hegte, dann lagen sie bei ihm selbst. Veitch hatte bereits seinen Wert und sein Konnen unter Beweis gestellt.
Plowman studierte immer noch die Karte.»Das hier — «, er stie? mit einem dicken Finger zu — ,»konnte passen. Und Mond haben wir heute auch. Wir konnen bis dicht unter Land segeln, nur das letzte Stuck rudern wir.»
«Sie haben die ganze Nacht Zeit, um an Land zu kommen«, sagte Bolitho.»Aber morgen mussen Sie zu erfahren versuchen, was da vor sich geht. An der Stelle, die Sie ausgesucht haben, ist die Insel ungefahr funf Meilen breit. Die Berge sind tausend Fu? hoch oder mehr. Von dort oben mu?ten Sie so viel sehen konnen, wie fur uns wichtig ist.»
Nachdenklich sagte Veitch:»Es wird vielleicht schwierig sein, den Kutter zu verstecken, Sir.»
«Sehen Sie zu, was sich tun la?t. Notfalls mussen Sie ihn versenken. Ich lasse Sie dann spater abholen.»
Farquhar rausperte sich laut.»Uber eines mu? man sich klar sein, Sir: Die ganze Abteilung kann auch sofort bei der Landung gefangengenommen werden.»
Bolitho nickte grimmig. Also raumte selbst Farquhar jetzt ein, wie ernst die Lage hier in Wirklichkeit war — der Feind war auch fur ihn eine Tatsache, kein Schatten.
«Ubermorgen, bei Sonnenaufgang, greifen wir von Suden her an. Wenn Mr. Veitch herausfinden kann, wo die Kustenbatterien stehen, wird es leichter fur uns. «Er mu?te uber ihre grimmigen Gesichter lacheln.»Unser Besuch wird ihnen auf jeden Fall unwillkommen sein, furchte ich.»
Veitch atmete gerauschvoll aus.»Wir werden unser Bestes tun, Sir. Hoffentlich haben die Franzosen keine von ihren neuen Geschutzen langs der Kuste plaziert.»
«Das bezweifle ich. «Bolitho stellte sich vor, wie diese weitreichende Artillerie seine kleine Streitmacht zerschmettern konnte, ehe sie uberhaupt zum Einsatz kam.»Die hebt sich Bonaparte fur wichtigere Dinge auf.»
Veitch und Plowman gingen, um ihre Mannschaft zusammenzustellen und auszurusten.»Ich mochte meinen Signaloffizier sprechen«, sagte Bolitho zu Farquhar.»Morgen segeln wir in unserer neuen Verkleidung nordwarts; aber die Buzzard bleibt in Luv. Vielleicht hat Javal Gluck und schnappt diese Brigg oder einen anderen Spion, wenn er gerade an der richtigen Stelle ist. Ein weiteres Schiff unter unserer Flagge ware mir hochst willkommen.»
Er sah sich im Geiste wieder in Spithead auf das Boot warten, das ihn zur Fregatte bringen sollte. Und dann die Fahrt nach Gibralter, zur Lysander, und all die zahllosen Stunden, die er seitdem gesegelt war. Hierher. In einem Kreuzchen auf der Karte. Ihn frostelte trotz der druckenden Hitze. Es war beinahe symbolisch. Und gerade jetzt hatte er Herrick am notigsten gebraucht: seine Treue, seine Anhanglichkeit. Was mochte wohl Farquhar wirklich uber diese Unternehmung denken? Sah er sie als eine Chance, seinen neuen Adelstitel mit Ruhm zu bekranzen? Oder nur als das Ende all seiner Hoffnungen?
Sie spielten das Risiko herunter, das taten sie vorher immer. Aber er verlangte viel von jedem einzelnen. Zuviel. Wenn die Schlacht erst in Gang war, zahlten die Sache und die gro?en Ideale wenig. Es kam darauf an, wie schnell man feuern und nachladen konnte. Wieviel Kraft man in sich hatte, um den furchtbaren Anblick, den ohrenbetaubenden Donner auszuhalten.
Er schuttelte die lastende Depression ab.»Nun, Captain Farquhar — «, auch der schreckte aus tiefen Gedanken hoch — ,»wir werden es zusammen schaffen, und wenn einer von uns fallt, wird der andere weitermachen. So oder so — getan werden mu? es.»
Farquhar blickte sich in der stillen Kajute um.»Ja — das sehe ich jetzt ein.»
Ein paar Stunden bevor es ganz hell war, erschienen die Obersegel der Brigg aufs neue, beruhrten die Kimm, blieben aber vorsichtig weit in Luv. Entweder hatte der Kommandant in der Nacht ein Boot mit seiner Meldung an Land schicken konnen, oder ihm lag sehr viel daran, mehr uber Bolithos Schiffe zu erfahren.
Und Bolitho sorgte dafur, da? der Spaher moglichst viel zu sehen bekam und scharf aufpassen mu?te. Pascoes Signalgasten hi?ten allerlei sinnlose Flaggen, die von der Nicator und der Buzzard ebenso eifrig bestatigt wurden. Und dann, als Bolitho ein echtes Signal gab, um seine Kommandanten an Bord zu rufen, spielte er seine andere Karte aus: Mit backgestellten Segeln drehte die Osiris in den Wind, prasentierte dem fernen Schiff ihre Breitseite und den falschen, aber eindrucksvoll hohen Rumpf eines Dreideckers.
Als Javal in seiner Gig eintraf, rief er bewundernd:»Ich dachte schon, ich sehe Gespenster, Sir. Oder St. Vincent ware mit seinem Flaggschiff da! Von meiner Gig aus sieht sie Zoll fur Zoll aus wie ein Erster-Klasse-Schiff!»
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Damals die beiden Wachen von 16 bis 18 und von 18 bis 20 Uhr. Die geteilte Wache sollte den Wachrhythmus andern, damit nicht immer dieselben Leute die unangenehme Wache von 0 bis 4 Uhr hatten.