Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander (прочитать книгу .TXT) 📗
Wortlos nickte Bolitho und versuchte, die Entfernung zu schatzen, die sie uberwinden mu?ten. Sonderbarerweise kam sie ihm im Dammerlicht gro?er vor; aber nach den ruhigen Stimmen zu urteilen, die hier und da in Bruchstucken vom Schoner heruberklangen, schienen sie dort noch nicht bemerkt zu haben, da? einer von ihnen fehlte.
Davy glitt heran.»Ich habe Carwithens Abteilung losgeschickt, Sir. «Er warf einen Blick auf die wenigen hellen Wolkchen.»Der Wind ist ziemlich stetig.»
«Ja. «Bolitho kontrollierte seine Pistole und schnallte den Gurtel enger.»Folgt mir einzeln im Gansemarsch.»
Geistergleich glitten sie uber die letzte Felsbarriere. Wenn einer auf lose Kiesel trat, horte sich das in der Abendstille uberlaut an. Aber wie Davy schon bemerkt hatte, hielt sich der Wind, so da? die Brandung laut genug war, um die schwachen Gerausche zu ubertonen, welche die Manner machten.
Einmal, als sie um den Fu? des Hugels bogen, traten sie fast auf zwei schlafende Seevogel, die mit schrillem Kreischen aufflatterten. Die ganze Abteilung erstarrte vor Schreck.
Bolitho wartete, horchte auf seinen eigenen Herzschlag und auf das erregte Atmen der Manner hinter ihm. Nichts. Er hob den Arm, und sie schritten weiter.
Uber die Schulter konnte er hinten noch die Felsbrocken sehen, in deren Schutz sie ungeduldig auf den Sonnenuntergang gewartet hatten; jetzt lagen sie schon weit oberhalb seiner langsam vorruckenden Abteilung. Inzwischen hatten sie fast Meereshohe erreicht; er horte einen Mann leise fluchen, der aus Versehen in den ersten kleinen Priel trat. Davys Abteilung mu?te zur Rechten flaches Wasser durchwaten; Bolitho hoffte nur, es wurde keiner der Lange nach in einen der Priele fallen, die dort von der auflaufenden Flut schon uberdeckt wurden.
Fluchtig dachte er an sein Schiff, das auf der anderen Seite der Insel vor Anker lag, an die altgewohnten Gerausche und Geruche. An Herrick, der nervos auf die Nachricht von Sieg oder Katastrophe wartete. Im letzteren Fall konnte er ihnen nicht mehr helfen. Es wurde dann seine Sache sein, mit dem Feind Kontakt aufzunehmen und daraus zu machen, was er konnte. Es war leichter, wenn man die anderen als Feinde betrachtete, nicht als Menschen von Fleisch und Blut wie man selbst.
Allday fa?te ihn hastig am Arm.»Ein Boot halt auf uns zu,
Captain!»
Bolitho hob den Arm, beide Abteilungen machten lautlos halt. Das Boot mu?te von der ihnen abgewandten Seite des Schoners gekommen sein. Er sah den Schaum der eintauchenden Riemen und der Bugwelle — jetzt stie? es durch die Brandung.
Bolitho dachte an Carwithen und seine Handvoll Manner, die au?en herum gingen, um dem einsamen Wachter in den Rucken zu fallen. Sie mu?ten jetzt ungefahr am Ziel sein. Carwithens brutale Wildheit fiel ihm wieder ein — ob er den unglucklichen Posten inzwischen niedergemacht hatte?
Unvermittelt erklang eine Stimme in der Dunkelheit, und Bolitho dachte schon, Carwithen sei aufgehalten worden. Aber die Stimme kam vom Boot her, und trotz der fremden Sprache horte Bolitho, da? der Mann eine Frage stellte. Oder vielleicht einen Namen rief.
Allday flusterte:»Sie suchen nach dem Vermi?ten, Captain. «Er lie? sich auf die Knie nieder, um das Boot gegen die hellere Brandung besser erkennen zu konnen.»Sechs sind es.»
Leise sagte Bolitho:»Aufpassen, Jungs! La?t sie rankommen. «Er horte, wie einer der Manner mit den Zahnen knirschte: gespannt, nervos, das waren sie alle, verangstigt vielleicht durch die ungewohnte Umgebung.
«Einer klettert druben den Abhang zum Ausguck hinauf«, flusterte Allday.
Vorsichtig zog Bolitho seinen Degen. Naturlich. Dort mu?te jemand zuerst hingehen und den Posten fragen, ob er den Vermi?ten gesehen hatte. Die anderen funf schlenderten den Strand entlang und unterhielten sich, sorglos ihre Waffen schwingend.
Bolitho warf einen Blick hinter sich. Seine Manner knieten fast unsichtbar, duckten sich hinter Felsen oder lagen im flachen Wasser. Er wandte sich wieder um und beobachtete die naherkommenden Schatten. Noch zwanzig Yards, noch funfzehn. Jetzt mu?ten sie bald entdeckt werden.
Ein furchtbarer Schrei zerri? die Stille und hing noch in der Luft uber der Felsenkante, als der Mann schon tot war.
Die funf Schatten fuhren erschrocken herum — der Todesschrei mu?te von ihrem Wachtposten oben gekommen sein.
«Drauf, Leute!«brullte Bolitho.
Wortlos sprangen alle hoch und sturzten sich auf die funf Gestalten, die auf die Brandung zurannten. Einer rutschte aus, fiel lang hin, versuchte aufzustehen, wurde aber vom Entersabel eines Matrosen niedergeschlagen und blieb als winselnder Haufen liegen, wahrend der Matrose weiterlief. Die anderen hatten das Boot erreicht, konnten es aber, da zwei Mann fehlten, nicht sofort ins tiefere Wasser schieben. Stahl blitzte in der Dunkelheit auf, die Matrosen waren uber ihnen, es kam zu einem wilden und morderischen Kampf. Ein Matrose blieb mit dem Fu? in einer Ducht hangen, fiel hin und wurde, ehe er wieder hochkommen konnte, von einem langen Sabel buchstablich in den Sand genagelt. Aber sein Gegner fiel fast gleichzeitig uber ihn. Die restlichen beiden warfen ihre Waffen weg, wurden aber von den wutenden Matrosen niedergemacht.
«Wir haben einen Mann verloren, Sir«, meldete Davy knapp, drehte den Leichnam auf den Rucken und nahm ihm den Entersabel aus der Hand.
Bolitho stie? seinen Degen in die Scheide. Ihm zitterten die Beine vom schnellen Rennen, aber auch vor nervoser Spannung. Er blickte zu dem vor Anker liegenden Schoner hinuber: kein Ruf, kein Alarmzeichen. Einmal glaubte er, Gesang uber die rauschende Brandung heruberwehen zu horen, eine fremde, unbestimmt traurige Melodie.
«Verdammt nachlassiger Ausguck, Sir«, sagte Davy heiser.
Die Manner sammelten sich jetzt bei den Booten. Das eine lag schon den ganzen Tag hier und am hochsten auf dem Strand. Um es zu Wasser zu bringen, wurden mehr Manner notig sein als bei dem zuletzt angekommenen.»Hatten Sie an ihrer Stelle mit einem Angriff gerechnet?«fragte Bolitho.
Davy zuckte die Schultern.»Wahrscheinlich nicht.»
Carwithen kam den Abhang herunter; er lief so schnell, da? seine Manner Muhe hatten, ihm zu folgen. Wutend sagte er:»Dieser elende Narr Lincoln war zu langsam mit seinem Dolch!«Bose funkelte er die Umstehenden an.»Mit dem rede ich noch!»
«Boote zu Wasser«, befahl Bolitho. Zu den sechs Marineinfanteristen sagte er:»Ihr nehmt das zweite. Was zu tun ist, wi?t ihr.»
Einer von ihnen, der, welcher den Schoner zuerst gesehen hatte, brummte:»Alles klar, Sir. Wir gehen mit dem Boot so auf Position, da? wir die Poop sehen konnen, und putzen jeden weg, der da an den Laternen vorbeikommt.»
Bolitho lachelte zufrieden.»Hauptmann Bellairs hat Sie mit Recht ausgesucht.»
«Hier lang, Captain«, flusterte Allday.
Die Brandung umspulte ihm Beine und Unterkorper; er fuhlte das rauhe Dollbord des Bootes und Alldays Hand, die ihn hineinzog.
«Sto? ab!»
Bolitho zwang sich gewaltsam, nicht auf die wild arbeitenden Riemen zu blicken, auch nicht auf Allday, der sich mit allen
Kraften bemuhte, das Boot durch die Brandung zu steuern. Jetzt brauchte es nur eine Ladung gehacktes Blei vom Schoner, und sein ohnehin fadenscheiniger Plan mi?lang schon im Ansatz. Das Boot stampfte schwer; die Riemen zogen besser, als es sich erst einmal aus der starken Grundstromung gelost hatte. Die schlanken Masten des Schoners drohten heruber; das Gewirr der restlichen Takelage verschwamm gegen den dunklen Himmel.
Allday stand breitbeinig und wachsam uber der Ruderpinne, die er leicht mit den Fingerspitzen hielt.
«Ruder an!«Er neigte sich vor, damit sie ihn besser horten.»Achtung, im Bug!»
Achteraus horte Bolitho das regelma?ige Eintauchen der Riemen des zweiten Bootes, das eilig zum Bug des Schoners pullte.
«Jetzt oder nie, Captain!«stie? Allday aus und entblo?te die Zahne, so da? die Manner im Boot sich fragten, was er denn zu grinsen hatte.