Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗
«Ist das alles, Sir?«Herrick sah mude und mi?mutig aus.
«Nein, Thomas. «Bolitho wandte sich ab; Herrick wirkte so abgespannt, da? er ihm leid tat. Vermutlich hatte er seit dem Gefecht hochstens eine Stunde oder zwei geschlafen.»Es ist leider nicht alles. «Er deutete auf einen Stuhl, doch Herrick blieb stehen, Bo-litho hatte es vorhergewu?t. Er fluchte innerlich. Das eben war das Schlimme. Sie kannten einander so gut, da? sie sich Konflikte eigentlich nicht leisten konnten. Er begann:»Ich habe meinen Bericht an den Admiral fertigzustellen. Fruher oder spater mu? ich ihm eine Depesche schicken, meine personliche Meinung zur Lage. Davon konnte ein ganz neues strategisches Konzept abhangen. Wenn ich die Lage falsch beurteile, steht viel mehr als nur mein Kopf auf dem Spiel. Wenn St. Vincent eine gro?e Flotte ins Mittelmeer schickt und wir spater entdecken, da? die Franzosen im Westen sind statt im Osten, vielleicht um zu ihren Geschwadern in den Biskayahafen zu sto?en, dann geht es nicht nur um eine verlorene Schlacht, sondern unter Umstanden um England.»
«Das ist mir klar, Sir. Eine schwere Verantwortung.»
Bolitho starrte ihn an.»Wollen Sie mir ausweichen? Sie wissen verdammt genau, was ich meine! Wir sind auf einer hochwichtigen Mission, fur deren Erfolg kein Risiko zu gro? ist. Wenn ich dem Admiral meine erste Depesche schicke, mu? ich ihm auch uber den Zustand meines Geschwaders berichten.»
Herrick starrte zuruck.»Wahrend sich die ubrigen Schiffe unseres Geschwaders irgendwo herumgetrieben haben, Sir, haben unsere Leute besser gekampft, als ich es fur moglich gehalten hatte. Das habe ich auch in meinem eigenen Bericht zum Ausdruck gebracht.»
Traurig schuttelte Bolitho den Kopf.»Und was ist mit Ihnen selbst, Thomas? Was soll ich uber Sie schreiben?»
Herrick sah auf einmal todmude aus.
«Ich rede nicht von Ihrer Seemannschaft«, fuhr Bolitho fort,»auch nicht von Ihrer Schiffsfuhrung unter Beschu? — die zu kritisieren, besteht kein Anla?.»
Herrick sah an ihm vorbei.»Ich habe mein Bestes getan.»
Bolitho zogerte, doch er wu?te, da? jetzt, und nur jetzt, der richtige Moment war.»Es war aber nicht gut genug«, sagte er rundweg,»und das wissen Sie.»
Ein Ruf des Ausgucks ertonte von oben:»An Deck! Segel in Lee voraus!«Also kamen Farquhars Schiffe in Sicht — wenn sie es waren.
«Falls das Ihre Meinung ist, Sir«, erwiderte Herrick,»dann schlage ich vor, Sie schreiben es auch in Ihren Bericht.»
Bolitho wurde beinahe wutend.»Seien Sie doch nicht so ein verdammter Narr!«Das Blut stieg ihm zu Kopf, die Wildheit der Schlacht erwachte wieder.»Sie waren zu langsam, Thomas. Sie haben vor jeder Entscheidung zu lange gezogert. Sie wissen so gut wie ich, da? in einem Gefecht Breitseite gegen Breitseite keine Zeit zum Nachdenken ist.»
Herrick blieb bei diesem Zornesausbruch au?erlich ruhig.»Glauben Sie, ich wei? das nicht?«Hilflos, verzweifelt hob er die Schultern.»Schon als ich voriges Jahr die Impulsive verlor, kamen mir Zweifel. Zweifel an meinen Kraften, an meinen Nerven, wenn Sie wollen. «Er blickte zur Seite.»Ich habe die Lysander in diese Bucht gesegelt, weil ich nicht anders konnte; irgend etwas zog mich hin, wie in alten Zeiten, wenn ich einfach wu?te, es mu? getan werden. Sie hatten nicht signalisiert, aber irgendwie wu?te ich, da? Sie da waren und auf mich warteten. Es war vielleicht dasselbe Gefuhl, das Sie bei Adam Pascoe hatten. Das sitzt tiefer als alle Logik.»
«Und vor vier Tagen?»
Wieder blickte Herrick ihn an.»Ich habe diese beiden Schiffe stundenlang beobachtet, wie sie immer naher kamen. Habe mir ihre Besatzungen vorgestellt, wie sie mit ihren Kanonen auf mich zielten. Und als Sie sich entschlossen, allein, ohne Unterstutzung anzugreifen, da konnte ich mich kaum ruhren und kaum ein Wort herausbringen. Ich horte meine Stimme wie von fern, als ich die Befehle gab. Aber dahinter war alles wie aus Stein. Wie tot. «Er wischte sich mit dem Handrucken den Schwei? von der Stirn.»Ich kann nicht mehr. Seit der Schlacht im vorigen Jahr wei? ich das.»
Bolitho stand auf und ging langsam zum Fenster. Er erinnerte sich, wie aufgeregt Herrick damals gewesen war, als er auf der Admiralitat die Ernennung zum Flaggkapitan bekam. Herricks Freude war ebenso gro? gewesen wie seine eigene. Uber die Gefahren und Tucken ihrer Mission hatten sie sich keine Gedanken gemacht, beide hatten sie sich nicht gefragt, ob sie all dem gewachsen waren.
«Sie sind so mude, da? Sie nicht richtig denken konnen, Thomas.»
«Bitte, Sir«, erwiderte Herrick heiser,»bemitleiden Sie mich nicht, demutigen Sie mich nicht noch durch Ihr Verstandnis! Sie wissen, was mich das kostet, also ersparen Sie mir in Gottes Namen noch weitere Beschamung!»
Drau?en auf dem Gang waren Schritte zu horen, und Bolitho sagte:»Lassen Sie mich allein. Ich mochte nachdenken. «Er versuchte, die richtigen Worte zu finden, und war wutend uber sich selbst, weil Herrick ihm solchen Schmerz antun konnte.»Sie sind mir zu wertvoll, als da? ich etwas falsch machen mochte.»
Die Tur offnete sich einen Spalt weit, und Midshipman Saxby steckte den Kopf in die Kajute.»Captain, Sir?«Zahnluckig und angstlich grinste er, als er Bolitho sah.»Mr. Gilchrist la?t respektvoll fragen, ob Sie an Deck kommen konnen?»
Da Herrick nicht gleich antwortete, fragte Bolitho:»Ist was nicht in Ordnung?»
Saxby schluckte hinunter.»N-nein, Sir. Der Erste Offizier wunscht die Anwesenheit der Mannschaft beim Strafvollzug.»
Herrick erwachte aus seinem Sinnen.»Ich komme, Mr. Saxby. «Und mit einem Blick auf Bolitho:»Entschuldigung, Sir.»
Lange sah Bolitho auf die geschlossene Tur. Es war, als hatten Herricks Augen durch eine fremde Maske geblickt. Ein Gefangener. Wie hatte er gesagt? Wie tot.
Er fuhr herum, als Ozzard lautlos durch die andere Tur in die Kajute kam. Oben und vor der Schottwand horte er Leroux' MarineInfanteristen in ihren Stiefeln trampeln, und dann die leichtfu?igen Matrosen, die sich an Deck versammelten, um dem Strafvollzug beizuwohnen.
«Kann ich irgend etwas tun, Sir?«fragte Ozzard leise.
Bolitho sah zum Skylight auf und horte die dumpfen Hammerschlage, mit denen die Grating aufgeriggt wurde, an der dieser Mann festgebunden und ausgepeitscht werden sollte.
«Ja! Machen Sie das verdammte Skylight zu!«Er runzelte die Stirn.»Pardon, ich wollte Sie nicht anschreien.»
Er schritt zur anderen Seite. Hole der Satan Gilchrist und seine Strafen! Was wollte er damit beweisen, und wem?
Vorsichtig sagte Ozzard:»Ihr Schreiber ist drau?en, Sir.«»Soll 'reinkommen!»
Moffitt trat in die Kajute und blinzelte in das gespiegelte Sonnenlicht.»Ich habe den ersten Teil fertig, Sir, und dachte…»
«Warten Sie. «Bolitho sprach lauter, um das Klatschen der Peitsche auf eines Mannes nacktem Rucken zu ubertonen.»Ich diktiere Ihnen einen Brief.»
An Deck ein kurzer Trommelwirbel, dann wieder der flache, klatschende Schlag der neunschwanzigen Katze auf nackter Haut.
«Wollen Sie anfangen, Sir?»
Ebenso wie Ozzard, der seelenruhig vor sich hin summend nebenan in der Schlafkajute wirtschaftete, war Moffitt von dem langwierigen Ritual des Strafvollzuges vollig unbeeindruckt. Wahrend er…
«An Captain Charles Farquhar von Seiner Britannischen Majestat Schiff Osiris.»
Bolitho legte die Stirn an die sonnenwarme Fensterscheibe und blickte auf das schaumende Wasser unterm Heck. Wie einladend das war. Kuhl. Reinigend. Hinter sich horte er Moffitts Federkiel uber das Papier kratzen. Er stockte durchaus nicht beim Wirbel der Trommel, beim Schlag der Peitsche. Farquhar wurde gute Grunde dafur haben, da? er seine Position verlassen hatte, ganz bestimmt.
«Sir?»
Bolitho pre?te die Fauste gegen die Oberschenkel, bis der Schmerz starker war als seine Nervositat.
«Bei Empfang dieser Order werden Sie auf das Flaggschiff Lysander versetzt…«Er zogerte wieder und kampfte mit sich selbst… »um dort die mit Ihrer Ernennung zum Flaggkapitan verbundenen Pflichten zu ubernehmen.»