Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗
«Ich gehe an Deck und begru?e die Kommandanten«, sagte er. Und dann sage ich Herrick auf Wiedersehen, fugte er in Gedanken hinzu.»Danke, da? Sie — «, er blickte in Alldays vertrautes Gesicht — ,»da? Sie mich erinnert haben.»
Damit ging er hinaus.
Allday sah ihm nach und legte Ozzard den Arm um die Schulter.
«Bei Gott, nicht fur 'n Dutzend Madels und einen Ozean voll Rum mochte ich seinen Posten haben!»
Ozzard grinste.»Den wird man dir auch kaum anbieten.»
An Deck war es noch hell. Die abendliche See hatte eine lebhafte Krauselung bei langer flacher Dunung. Die drei Linienschiffe lagen mit killenden Segeln beigedreht und hatten ihre Boote ausgesetzt. Zu jeder anderen Zeit hatte Bolitho bei diesem Anblick das Herz im
Leibe gelacht. Jetzt, als er auf der Kampanje stand und die beiden Boote in raschem Tempo auf die Lysander zukommen sah, war ihm zumute wie bei einem schweren Verlust.
Den Hut tief ins Gesicht gezogen, stand Herrick an der Leereling. Dicht neben ihm wartete Gilchrist, die Arme verschrankt, die dunnen Beine gespreizt, um die unregelma?igen Bewegungen des Schiffes abzufangen. Spuren des Gefechtes waren kaum noch zu sehen: ein paar helle Stellen in den Planken, wo der Zimmermann und seine Maaten ihr Werk getan hatten; frische Farbe, wo etwas ersetzt worden war. Die Segel uber dem geschaftigen Deck waren sauber geflickt. Nur schwer konnte man sich noch Pulverqualm und Kampfgetose vorstellen.
Kaum wagte sich Bolitho auszumalen, was Herrick in diesem Moment dachte. Er mu?te sehr stolz darauf sein, wie gut seine Mannschaft gekampft und alles Schlimme hinterher verkraftet hatte. Noch vor ein paar Monaten hatten die meisten dieser tuchtigen Seeleute an Land gearbeitet, auf einer Farm, in der Stadt, mit mehr oder weniger Konnen und Erfolg, und hatten nicht entfernt daran gedacht, da? sie einmal auf einem Kriegsschiff dienen wurden.
Es wurde ihnen leid tun, da? ihr Kommandant von Bord ging. Besonders fur die neuen Matrosen war Herrick so etwas wie einer von ihnen, in gewisser Hinsicht ein Anfanger wie sie selbst. Empfanden sie Bedauern oder Arger, so mu?te es sich gegen den Kommodore richten. Nun, damit wurde er notfalls schon noch fertig werden, dachte er grimmig. Auf keinen Fall durfte das gute Andenken an Herrick durch diese Entscheidung beeintrachtigt werden, mochte sie nun richtig oder falsch gewesen sein.
Das erste Boot machte jetzt an den Rusten fest. Es war Farquhar. Naturlich. Er stieg so elegant und schick durch die Fallreepspforte, als kame er von seinem Londoner Schneider. Als er gru?end den Hut zum Achterdeck hin luftete, glitten seine Blicke gelassen uber die angetretenen Marine-Infanteristen und ihre blinkenden Bajonette. Sein hellblondes Haar, im Nacken zusammengebunden, glanzte uber dem Kragen wie blasses Gold.
Bolitho beobachtete ihn, wie er Herrick die Hand schuttelte. Wie schlecht die beiden zusammenpa?ten! Farquhars Onkel, Sir Henry
Longford, war Bolithos erster Kommandant gewesen, als er, zwolf Jahre alt, mit ehrfurchtsvollem, erschrockenem Staunen an Bord des Achtzig-Kanonen-Schiffes Manxman [18] gekommen war. Vierzehn Jahre spater hatte ihm Longford, inzwischen Admiral, eine Fregatte gegeben, der sein Neffe als Midshipman zugeteilt wurde. Und jetzt war Farquhar, Anfang Drei?ig und Fregattenkapitan, wieder bei ihm. Wenn er den Krieg uberlebte, wurde er zu hohem Rang aufsteigen, in der Flotte wie in der Heimat. Bolitho hatte von Anfang an nicht daran gezweifelt, und Herrick hatte sich nie damit abgefunden.
Wieder trillerten die Pfeifen, und George Probyn von der Nica-tor, unordentlich wie immer, schob sich durch die Pforte.
Auf der anderen Seite des Achterdecks stand Pascoe bei Luce und seinen Signalgasten; und Bolitho fand, da? er selbst ebenso ausgesehen haben mu?te, wenn er als junger Leutnant zugesehen hatte, wie irgendwelche unerreichbaren, erhabenen Vorgesetzte kamen und gingen.
Mit einem Seufzer schritt er zur Kampanjeleiter. Eben sagte Herrick:»Wenn Sie bitte in meine Kajute kommen wollen, Captain Probyn. Der Kommodore will erst Captain Farquhar sprechen.»
Farquhar zog die Brauen leicht hoch.»Ach? So dienstlich, Cap-tain Herrick?»
«Jawohl«, antwortete Herrick kalt.
Bolitho beobachtete Farquhar beim Eintreten. Wachsam, im Zweifel vielleicht, wie sein Kommodore reagieren wurde; er spurte wohl auch, da? etwas Besonderes in der Luft war. Doch im ganzen blieb er durchaus selbstsicher.
«Hier mein Bericht, Sir.»
Bolitho deutete auf einen Stuhl.»Gleich. Unser Angriff war, wie Sie bemerkt haben werden, erfolgreich. Wir haben eine gute Prise, ein weiteres spanisches Schiff aus der Bucht ist auf dem Weg nach Gibraltar. Vor vier Tagen hatten wir Feindberuhrung: zwei franzosische Linienschiffe. Wir haben beide zerschossen und dann die Aktion abgebrochen. Unsere Verluste waren gering — verhaltnisma?ig.»
Farquhar lachelte gelassen, sah aber nicht mehr ganz so selbstbewu?t aus.»Ich handelte nach Ihren Instruktionen, Sir. Die Buz-zard meldete mir einen Konvoi von funf Schiffen, und wir nahmen die Verfolgung auf. Unter diesen Umstanden.»
«Das war durchaus korrekt. Haben Sie sie erwischt?»
«Captain Javal konnte ein paar Schiffe beschadigen, Sir, aber nur eins zum Beidrehen zwingen. Unglucklicherweise konnte ich nicht rechtzeitig zur Stelle sein, da ich meine Gro?maststenge in einer Sturmbo verloren hatte. Die Nicator griff an und feuerte auf Grund eines, ah, mi?verstandenen Signals eine halbe Breitseite in das franzosische Schiff, so da? es zu sinken begann.»
«Und dann?»
Farquhar zupfte ein Kuvert aus seinem eleganten Rock.»Dem Fuhrer meines Enterkommandos ist es gelungen, diesen Brief aus dem Panzerschrank des Kommandanten zu retten, ehe das Schiff kenterte und sank. Er ist an einen gewissen Yves Gorse adressiert, der anscheinend in Malta wohnt. Dieser Gorse soll Ankermoglichkeiten schaffen. «Er warf den Brief auf den Tisch.»Fur normale Handelsschiffe, oder so ahnlich wird es ausgedruckt. Ich nehme an, der Text ist verschlusselt; aber der Kommandant war ein solcher Dummkopf, da? ich nichts aus ihm herausbringen konnte. Das kleine Geleit kam aus Marseille. Eskorte war eine franzosische Korvette, nicht weil sie sich irgendwie von uns bedroht fuhlten, sondern wegen der Berberpiraten und dergleichen. «Das Wichtigste hob sich Farquhar bis zuletzt auf.»Mein Erster hat etwas herausbekommen, Sir. Ich habe mehrere franzosische Matrosen fur meine Mannschaft gepre?t; und einer von ihnen hat gehort, wie einer der Uberlebenden behauptete, dieser Brief sei auf personlichen Befehl von Admiral Brueys an Bord gebracht worden!»
Uberrascht sah Bolitho auf. Brueys war vielleicht der beste und fahigste Admiral der franzosischen Flotte. Vielleicht sogar aller Flotten.
«Das haben Sie gut gemacht. «Bolitho rieb sich die Hande an den Schenkeln trocken.»Dieser Gorse mu? ein Spion oder Agent sein. Vielleicht haben die Franzosen einen Angriff auf Malta vor.»
«Oder auf Sizilien?«uberlegte Farquhar stirnrunzelnd.»Bonaparte soll Absichten auf das Konigreich haben. Sie sind im Frieden miteinander; aber wahrscheinlich denkt er, da? man sich im Kriege einen Luxus wie Neutralitat nicht leisten kann — womit er meiner Ansicht nach recht hat.»
«Mag sein. «Bolitho versuchte, nicht an Herrick zu denken.»Wir segeln moglichst schnell nach Toulon und Marseille. Auf Grund Ihres Fundes konnen wir uns jetzt ein Bild davon verschaffen, wie weit sie mit ihren Vorbereitungen sind.»
«Und Ihre Prise, Sir«, fragte Farquhar,»was hat sie geladen?»
«Pulver und Munition. Und Futtermittel.»
«Futter?»
«Ja. Mich beunruhigt das auch. Alle Vorbereitungen der Franzosen und Spanier deuten auf einen Angriff gro?en Stils. Aber Futter? Das sieht nicht nach einem ortlich begrenzten Angriff aus. Mehr nach Kavallerie und schwerer Artillerie mit den notigen Mannern und Pferden.»
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Manxman: Einwohner der Insel Man.