Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗
Diesmal stockte der Kiel. Bolitho fuhr fort: «Ihr gegenwartiges Kommando ubernimmt Captain Thomas Herrick.»
Er schritt zum Tisch und sah Moffitt uber die schmale Schulter.»Zwei Kopien. Gleich. «Er nahm dem Schreiber die Feder aus der Hand, der sie anstarrte, als wolle er sie bannen. Mit fast wutendem Schwung setzt er unter den Text: «Eigenhandig unterschrieben an Bord Seiner Majestat Schiff Lysander, gezeichnet Richard Bolitho, Commodore.»
Es war getan.
Thomas Herrick hatte die Mannschaft nach dem Strafvollzug wegtreten lassen. Die naherkommenden Schiffe waren als Osiris und Nicator identifiziert worden. Nun trat Herrick wieder in Bo-lithos Kajute, um Meldung zu machen.
Bolitho sa? unter den gro?en Fenstern und blickte auf die lebhaft schwingenden Rahen der Osiris hinaus, deren Segel den Wind aufnahmen, so da? sie sich wieder auf ihre Position achteraus von der Lysander begeben konnte.
«Beide Kommandanten sollen sofort an Bord kommen«, sagte er.
«Jawohl, Sir«, antwortete Herrick mude.»Ich habe schon signalisiert. Wenn alle Schiffe auf ihren Positionen sind, drehe ich bei. Die Osiris will schnellstens berichten.»
Bolitho nickte. Farquhar mu?te Neuigkeiten haben, wichtige Neuigkeiten, deretwegen er das vereinbarte Treffen nicht eingehalten hatte. Bolitho sah nicht nach dem versiegelten Umschlag hin. Die Neuigkeit, die er hatte, wurde selbst den blasierten Farquhar uberraschen.
Er sagte:»Ich habe das, was Sie mir vorhin anvertraut haben, in meinem offiziellen Logbuch nicht erwahnt, auch nicht in meinem Bericht an den Admiral.»
Er sah, wie Herrick die Schultern sinken lie?.»Aber ich nehme es selbstverstandlich zur Kenntnis. «Oben klapperten Blocke und knarrten Taljen, denn das Schiff rollte schwer unter verringerten Segeln; jede Minute konnten die anderen Kommandanten eintreffen. Dann ging es noch einmal von vorn los. Er sprach weiter:»Ich konnte meinen Stander auf einem anderen Schiff hissen, Thomas. Aber ich habe so etwas schon einmal erlebt und erinnere mich nur zu gut daran, welche Folgen das hatte. Die ganze Besatzung empfand das als einen personlichen Vorwurf, als ein Mi?trauensvotum des Admirals. Ich hielt das damals fur unfair und tue es heute noch.»
Herricks Stimme war heiser.»Ich verstehe. Der Gedanke an mein Versagen und was es bedeutet, ist mir alles andere als angenehm. Aber ich will auch nicht gegen etwas protestieren, das meine Schuld ist. «Hilflos zuckte er die Achseln.»Meine Einstellung zur
Marine und zu Ihnen ist derart, da? ich mich lieber umbringen wurde, als Menschenleben und die Interessen meines Landes zu gefahrden, um meine Fehler zuzudecken.»
Bolitho sah ihn mitleidig an.»Ich habe nicht die Absicht, Sie Ihres Dienstes zu entheben.»
Herrick fuhr auf.»Warum haben Sie mich dann…»
Bolitho stand rasch auf.»Was hatte ich denn machen sollen? Gilchrist das Kommando ubergeben und Sie nach Hause schicken? Oder Sie vielleicht gegen Javal austauschen, obwohl wir blo? eine Fregatte fur die ganze Mission haben?«Er blickte zur Seite.»Ich gebe Ihnen die Osiris. Sie ist ein gutes Schiff mit hohem Ausbildungsstand. «Herrick atmete heftig ein, aber Bolitho achtete nicht darauf und fuhr fort:»Sie brauchen sich dann nicht mehr mit Geschwaderangelegenheiten herumzuargern, sondern konnen Sich auf Ihr Schiff konzentrieren. Was Sie daraus machen, ist Ihre Sache. Aber Ihnen traue ich zu, mehr als jedem anderen, da? Sie voll und ganz Ihre Pflicht tun.»
Langsam drehte er sich wieder um und sah zu seiner Besturzung, da? Herrick, genau wie vorher, unnaturlich ruhig war.»Farquhar wird hier vorlaufig Ihren Dienst ubernehmen, bis.»
Herrick nickte.»Wie Sie befehlen, Sir.»
«Befehlen?«Bolitho trat einen Schritt zu ihm hin.»Glauben Sie, ich mute Ihnen zu, da? Sie Tag fur Tag den Offizieren und Mannschaften ins Gesicht sehen mussen, die Sie ausgebildet und befehligt haben, seit Sie auf der Lysander sind? Und da? Sie dabei in jeder Sekunde Angst haben, Sie konnten ihnen auf irgendeine We i-se nicht gerecht werden?«Er schuttelte den Kopf.»Das mache ich nicht. Ebensowenig will ich die Kampfkraft des Geschwaders aufs Spiel setzen, weil Ihre Freundschaft mir kostbar ist.»
Herrick blickte sich in der Kajute um.»Gut. Ich packe dann meine Sachen und gehe von Bord.»
«Kein Schatten wird auf Sie fallen, Thomas. Dafur sorge ich. Aber lieber sahe ich Sie als Kommandanten einer uralten Brigg, als da? Ihnen an Land das Herz bricht, weil Sie dem einzigen Leben entrissen sind, das Sie lieben und fur das Sie so viel geopfert haben.»
Anscheinend war Herrick im Moment etwas verwirrt.»Farquhar!«sagte er.»Den habe ich nie leiden konnen. Schon als Mids-hipman nicht. «Er wandte sich zur Tur.»Da? es so enden wurde, hatte ich nie gedacht.»
Bolitho kam quer durch die Kajute auf ihn zu und reichte ihm die Hand.»Nicht enden, Thomas!»
Aber Herricks Hande blieben unten.»Wir werden ja sehen, Sir. «Er ging hinaus, ohne sich umzusehen.
Dann kam Allday. Nach kurzem Zogern nahm er den Degen von seinem Gestell und prufte ihn.
Bolitho setzte sich wieder auf die Fensterbank und sah ihm trubselig dabei zu.
«Kapt'n Herrick geht also von Bord, Sir?«Aber Alldays Augen ruhten auf dem Degen.
«Fangen Sie nicht auch noch mit mir an, Allday!«Aber es klang keineswegs gereizt.»Ich habe die Nase voll fur diesen Tag. Fur tausend Tage.»
Alldays Augen waren sehr klar in dem reflektierten Licht.»Sie haben das Richtige getan, Sir. «Er lachelte melancholisch.»Ich bin blo? ein einfacher Seemann, und wenn Sie nicht waren, arbeitete ich im Mast und konnte fur jede lausige Kleinigkeit ausgepeitscht werden. Aber ich habe meine festen Ansichten uber die, denen ich diene und — «, er schien das richtige Wort nicht zu finden — ,»fur die ich was ubrig habe. «Sorgfaltig zog er den alten Degen aus der Scheide und hielt die Klinge in die Sonne, als prufe er die Schneide.»Kapt'n Herrick ist ein guter Mann. Auf einem anderen Schiff wird er sich schon wieder fangen. «Mit scharfem Klicken stie? er die Klinge wieder hinein.»Und wenn nicht — dann ist das Flaggschiff erst recht nicht der Ort fur ihn.»
Bolitho starrte Allday an. Es war schon oft so gewesen; aber noch nie hatte er Alldays moralische Unterstutzung so notig gebraucht wie jetzt. Auf seinem Schiff, ja in seinem ganzen kleinen Geschwader gab es keinen Menschen, mit dem er seine Angste, seine Zweifel wirklich teilen konnte. Als er aus der Offiziersmesse in die Kapitanskajute ubergewechselt war, und erst recht spater, als er seinen Kommodorewimpel bekommen hatte, mu?te er sich eines solchen Luxus' ein fur allemal entsagen.
Gelassen sprach Allday weiter:»Als ich auf Ihr Schiff gepre?t wurde, hatte ich mir vorgenommen, bei der ersten Gelegenheit abzuhauen. Ich wu?te genau, was auf Desertion steht, aber ich war fest entschlossen. Und dann, bei den Saintes, [17] als uns die Kanonenkugeln so dicht um die Ohren flogen, da? man sich nicht einmal mehr auf den lieben Gott verlassen konnte, da habe ich mal nach achtern geschaut und Sie gesehen. Und da wu?te ich, es gibt Kommandanten, die ein Herz fur unsereinen haben, fur uns arme Trottel, die fur Konig und Vaterland auch noch hurra rufen sollen, wenn sie in die feindliche Linie segeln.»
«Ich glaube, Sie haben jetzt genug gesagt«, unterbrach Bolitho leise. Wahrend Alldays Tirade hatte er den Kopf nicht erhoben.
«Nur Sie selber«, fuhr Allday fast verzweifelt fort,»Sie sehen das nie, Sir. Sie machen sich Sorgen um Kapt'n Herrick, oder was fur Chancen wir gegen diesen oder jenen Feind haben, aber nie nehmen Sie sich Zeit, an sich zu denken. «Er ri? sich zusammen, denn Ozzard, Bolithos Rock und Hut in Handen, kam durch die andere Tur hereingeschlichen.»Aber was vorbei ist, ist vorbei; es wird schon in Ordnung gehen.»
Bolitho stand auf; mit starren Augen, die nichts sahen, lie? er sich in den Rock helfen. Das Degenkoppel gab ihm Halt. Allday hatte von Anfang an, vielleicht schon als Herrick zum Flaggkapitan ernannt worden war, begriffen, wie die Dinge lagen.
17
Seeschlacht in der Karibik; siehe Kent: Zerfetzte Flaggen