Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander (читать книги полностью без сокращений бесплатно txt) 📗
Sparke rief:»Mr. Bolitho! Sie wird uns aufs Korn nehmen, wenn wir nicht vorsichtiger sind!»
Midshipman Libby flitzte bereits wie ein Kaninchen nach achtern, und Sekunden spater wehte die britische Flagge frei von der Gaffel, so leuchtend rot wie die uber dem vergoldeten Heck der Trojan.
Unten in der winzigen Kabine wischte Stockdale Quinns Stirn mit einem feuchten Tuch ab und blickte hinauf zum Oberlicht.
Langsam bewegte Quinn die trockenen Lippen.»Was war das fur ein Gerausch?»
Stockdale betrachtete ihn traurig.»Hurrarufe, Sir. Sie scheinen die gute alte Trojan gesichtet zu haben!»
Dann verlor Quinn wieder das Bewu?tsein, hinweggeschwemmt von einer Woge Schmerz. Wenn er am Leben blieb, dachte Stock-dale, war er wohl nie wieder derselbe wie vorher. Dann dachte er wieder an das Klatschen, mit dem die Leichen, Freund wie Feind, uber Bord gegangen waren, und er sagte sich, da? Quinn immer noch besser dran war.
IV Rendezvous
Bolitho schritt nach achtern und hielt vor der Treppe zur Schanze inne. Er fuhlte die vielen Augen auf sich gerichtet, die ihm schon auf dem Weg uber das Deck gefolgt waren, nachdem er an Bord gekommen war. Er war sich auch seines schmutzigen und abgerissenen Aufzuges bewu?t, des Loches im Armel, der getrockneten Blutflecken auf seinen Breeches.
Noch einmal blickte er sich um und betrachtete die Prise, die aus dieser Entfernung noch hubscher wirkte, wie sie da schmuck an Trojans Leeseite lag. Nur schwer konnte er sich vorstellen, was sich letzte Nacht auf ihr abgespielt, noch schwerer, da? er es uberlebt hatte.
Sparke war sofort auf die Trojan ubergestiegen, nachdem zwischen beiden Schiffen Signalkontakt bestand, und hatte Bolitho den Transport der Verwundeten und die Bestattung des Unglucksschutzen mit der weggerissenen Gesichtshalfte uberlassen, der inzwischen seinen Verletzungen erlegen war.
Bevor er sich beim Kommandanten meldete, war Bolitho ins Lazarett hinabgestiegen, voller Angst, was er dort vorfinden wurde. Wieder empfand er seine Verantwortung fur das Geschehene, als er die wie gekreuzigt auf dem Operationstisch liegende Gestalt erblickte, die im Licht der schwankenden Decklampen wie ein Leichnam schimmerte. Quinn war nackt, und als Thorndike den verfilzten Verband entfernt hatte, sah Bolitho zum erstenmal die klaffende Wunde. Von Quinns linker Schulter lief sie diagonal uber die Brust, offnete sich wie ein obszoner Mund.
Quinn war bewu?tlos; Thorndike hatte kurz gesagt:»Nicht schlecht, aber wir mussen abwarten.»
Auf Bolithos Frage:»Konnen Sie ihn retten?«hatte sich Thorn-dike in seiner blutigen Schurze ihm zugewandt und geknurrt:»Ich tue, was ich kann. Einem Mann habe ich bereits ein Bein abgenommen, ein anderer hat einen Splitter im Auge.»
Bolitho hatte verlegen geantwortet:»Tut mir leid, ich werde Sie nicht langer aufhalten.»
Jetzt, auf dem Weg zur Kajute, wo ein scharlachrot gekleideter Seesoldat stand, fuhlte Bolitho dumpfen Schmerz von Selbstvorwurfen und Verzweiflung. Sie hatten eine Prise genommen, aber der Preis dafur war zu hoch.
Der Seesoldat knallte seine Stiefel zusammen, und Foley, adrett wie immer, offnete die au?ere Tur. Seine Augen weiteten sich in offensichtlicher Mi?billigung, als er Bolithos abgerissene Ersche i-nung wahrnahm.
In der Kajute sa? Kapitan Pears an seinem papierubersaten Schreibtisch, ein gro?es Glas Wein in der Hand.
Bolitho starrte Sparke an. Der war so sauber gekleidet, gewaschen und rasiert, als hatte er das Schiff niemals verlassen.
Pears befahl:»Wein fur den Vierten Offizier!»
Er beobachtete Bolitho, als dieser dem Steward das Weinglas abnahm, sah die Uberanstrengung, die bleierne Mudigkeit in seinem Gesicht.
«Mr. Sparke hat mir von Ihren eindrucksvollen Taten erzahlt, Mr. Bolitho. «Pears Miene blieb ausdruckslos.»Der Schoner ist ein guter Fang.»
Bolitho lie? sich vom Wein den Magen warmen, den Schmerz in seiner Seele lindern. Sparke war schon fruher an Bord gekommen, hatte sich gewaschen und frisch gemacht, bevor er sich beim Kommandanten meldete. Wieviel hatte er ihm wohl uber den ersten Teil des Unternehmens erzahlt? Uber den ungluckseligen Gewehrschu?, der so viel zur Erhohung ihrer Verluste beigetragen hatte?
Pears fragte:»Wie geht es ubrigens Mr. Quinn?»
«Der Arzt hat Hoffnung, Sir.»
Pears betrachtete ihn seltsam.»Gut. Ich horte, da? sich auch beide Fahnriche wacker gehalten haben. «Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zu und sagte:»Diese Dokumente fand Mr. Sparke in der Kajute der Faithful. Sie sind von noch gro?erem Wert als die Prise selbst. «Mit grimmigem Gesicht fuhr er fort:»Sie enthalten Einzelheiten uber die Aufgaben des Schoners, die er nach der Erbeutung von Waffen und Munition aus unserem Konvoi hatte erfullen sollen. Die Geleitfahrzeuge hatten es bei diesem Wetter schwer gehabt, den gesamten Konvoi zu schutzen, und oben bei Halifax scheint es noch schlimmer gewesen zu sein. Jetzt mu? die Brigg Revenge allein zurechtkommen, obwohl anzunehmen ist, da? noch andere Wolfe diese fette Beute umschleichen. «Bolitho fragte:»Wann erwarten Sie, den Geleitzug zu sichten,
Sir?»
«Mr. Bunce und ich erwarten das fur morgen. «Er sprach, als ob es jetzt nicht mehr wichtig sei.»Aber etwas mussen wir sofort in Angriff nehmen. Die Faithful sollte zu einem Rendezvous mit anderen Feindschiffen am Ausgang der Delaware Bay segeln. Die britischen Streitkrafte in Philadelphia haben es schwer, ihren Nachschub flu?aufwarts bis zur Garnison zu sichern. Auf dem ganzen Weg werden unsere Boote und Schuten von feindlichen Spahtrupps beschossen. Stellen Sie sich vor, wie das erst wurde, wenn der Feind eine gro?ere Lieferung von Waffen und Munition erhielte.»
Bolitho nickte und nahm noch ein Glas Wein von Foley entgegen. Die Delaware Bay lag rund vierhundert Seemeilen sudlich. Ein rasches Fahrzeug konnte den Treffpunkt bei gunstigem Wetter in drei Tagen erreichen.
Sie waren so selbstsicher gewesen, dachte er. Der rote Flicken auf dem Gro?segel war das Signal fur die Wachen an Land. Auch der Ort war gut ausgesucht: sehr flach und tuckisch bei Ebbe; keine Fregatte wurde sich aus Angst vor Grundberuhrung dort hinwagen.
Er fragte:»Sie wollen die Faithful zum Rendezvous schicken,
Sir?»
«Ja. Es ist naturlich ein gewisses Risiko dabei. Die Fahrt konnte langer dauern als vorgesehen, und da der Feind nun wei?, da? die Faithful gekapert worden ist, wird er alles daran setzen, um diese Nachricht so schnell wie moglich in den Suden weiterzuleiten: Signale, schnelle Reiter, nichts wird er unversucht lassen.»
Sparke setzte sich kerzengerade auf und blickte Bolitho an.»Ich habe den ehrenvollen Auftrag, dieses Unternehmen zu fuhren.»
Pears fugte mit ruhiger Stimme hinzu:»Wenn Sie mochten, Mr. Bolitho, konnen Sie den Zweiten Offizier abermals begleiten. Die Entscheidung liegt jedoch bei Ihnen.»
Zu seiner eigenen Verwunderung nickte Bolitho, ohne zu zogern.»Aye, Sir, das wurde ich gern tun.»
«Dann ist das also geregelt. «Pears zog seine goldene Uhr.»Ich lasse Ihre Order gleich schreiben. Mr. Sparke kennt die wesentlichen Punkte bereits.»
Cairns trat ein, den Hut unter dem Arm.
«Ich habe ein paar Leute zum Schoner hinubergeschickt, Sir. Der Stuckmeister kummert sich um die Geschutze und sonstige Bewaffnung. «Er machte eine Pause, sein Blick ruhte auf Bolitho.»Mr. Quinn ist noch bewu?tlos, aber der Arzt sagt, Herz und Atmung sind in Ordnung.»
Pears nickte.»Sagen Sie meinem Schreiber, er soll sofort zu mir kommen.»
Cairns zogerte an der Tur.»Ich habe die Gefangenen an Bord gebracht, Sir. Soll ich sie vereidigen?»
Pears schuttelte den Kopf.»Nein. Freiwillige wurde ich akzeptieren, aber dieser Krieg ist schon zu erbittert geworden, als da? ein Seitenwechsel glaubhaft ware. Sie waren wie faule Apfel in einer Kiste, und ich mochte keine Unzufriedenheit auf meinem Schiff riskieren. Wir werden sie in New York den Behorden ubergeben.»