Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander (читать книги полностью без сокращений бесплатно txt) 📗
Als Bolitho davoneilen wollte, fugte Sparke noch hinzu:»Au?erdem mochte ich, da? alles so ruhig wie moglich ablauft. Eventuell sind fremde Boote in der Nahe, und ich beabsichtige, dieses Schiff als Prise zu behalten.»
Bolitho suchte nach seinem Hut, der ihm wahrend des Kampfes vom Kopf gefallen war. Das sah Sparke ahnlicher, dachte er grimmig. Einen Augenblick hatte er geglaubt, Sparkes Anweisung, die Verwundeten nach unten zu schaffen, beruhe auf reiner Menschlichkeit. Er hatte es besser wissen mussen.
Die Aufgaben wurden sofort in Angriff genommen. Die Gesunden verrichteten die schwereren Arbeiten, die Leichtverletzten bewachten die Gefangenen. Die Schwerverwundeten — darunter der Mann, der torichterweise seine Muskete vorzeitig abgefeuert und dabei eine Gesichtshalfte verloren hatte — halfen, soweit sie dazu in der Lage waren.
Sparke hatte diesen Zwischenfall nicht erwahnt, ohne den die Verluste erheblich reduziert worden, wahrscheinlich sogar minimal geblieben waren. Die Schonerbesatzung war gewi? tapfer gewesen, aber ohne diesen Warnschu? hatte es wohl nur ein paar blutige Nasen gegeben, zumal ihnen die eiserne Disziplin der Trojaner fehlte. Auch Sparke mu?te sich das uberlegt haben, doch hoffte er wohl, da? Pears nur die Prise sehen und daruber alles andere vergessen wurde.
Einige Male stieg Bolitho in die Kapitanskajute hinunter, wo der gefallene Kapitan Tracy gelebt und seine Plane gemacht hatte. Quinn lag dort bla? auf einer rohen Koje, den Verband blutgetrankt, die Lippen vor Schmerz zerbissen.
Bolitho fragte Stockdale nach seiner Meinung; der antwortete ohne Zogern:»Er hat den Willen zum Leben, aber viel Hoffnung besteht nicht.»
Die ersten Anzeichen der Morgendammerung kamen, der Nebel lichtete sich.
Aus des Schoners Lazarett hatten alle eine gro?zugige Rumzuteilung erhalten, auch die beiden jungen Fahnriche.
Aus der gesamten Gruppe von sechsunddrei?ig Seeleuten waren zwolf gefallen oder lagen im Sterben, und von den Uberlebenden hatten einige so schwere Wunden, da? sie im Augenblick kaum von Nutzen waren.
Bolitho beobachtete den sich lichtenden Nebel, in dem der Schoner langsam Gestalt annahm. Er sah Couzens und Midshipman
Libby von Sparkes Boot auf die gro?en Blutflecken an Deck starren. Moglicherweise wurde ihnen erst jetzt klar, was sie hinter sich hatten.
Mr. Frowd, der Steuermannsmaat, wartete am Ruder und beobachtete die schlaffen Segel, die Bolithos Leute losgemacht hatten, klar fur die erste aufkommende Brise. Die einzigen Gerausche waren das Schlagen der Blocke und das Quietschen der Gaffeln und Baume beim heftigen Rollen des Schiffes in der Dunung.
Mit dem Morgengrauen kam das Gefuhl der Gefahr, wie es wohl ein Fuchs beim Uberqueren offenen Gelandes bei Buchsenlicht empfindet.
Die Faithful, das sah Bolitho jetzt, hatte acht Sechspfunder und vier Drehbassen, Schwenkgeschutze, die alle in Frankreich hergestellt waren. Dieser Umstand, dazu die Entdeckung frisch verpackten, erstklassigen Cognacs deutete auf enge Verbindung mit den franzosischen Kaperschiffen hin.
Es war ein handliches kleines Fahrzeug von ungefahr zwanzig Meter Lange, das hoher an den Wind gehen konnte als die meisten anderen Schiffe, und das bestimmt jeden Rahsegler ausstechen wurde.
Wer Kapitan Tracy auch gewesen sein mochte, er hatte in seine Plane sicher nicht die Moglichkeit einbezogen, da? er am fruhen Morgen nicht mehr am Leben sein wurde.
Der Baum des Gro?segels quietschte laut, und im Deck verspurte man ein Vibrieren.
Sparke rief:»Lebhaft, Leute, hier kommt der Wind!»
Bolitho sah sein Gesicht und schrie:»Klar bei Vorsegelfallen!«Dann winkte er Balleine:»Hei? Kluver und Stagsegel!«Des Schoners zuruckkehrendes Leben schien auch ihn zu beeinflussen.»Einen guten Mann ans Ruder, Mr. Frowd!»
Frowd zeigte grinsend seine Zahne. Er hatte langst einen Ruderganger ausgesucht, verstand aber Bolithos Stimmung. Er diente in der Marine schon so lange, wie der Vierte Offizier an Jahren zahlte.
Jeder von ihnen verrichtete die Arbeit von mindestens zwei Mannern, beobachtet von den schweigenden Gefangenen, schufteten sie auf dem engen Deck, als hatten sie seit Monaten nichts anderes getan.
«Sir! Mastspitzen an Steuerbord!»
Sparke fuhr herum, als Bolitho auf die davonziehende Nebelbank wies. Zwei Masten stie?en durch diese hindurch, einer mit schlaff hangendem Wimpel; es war klar zu erkennen, da? es sich um ein gro?eres Schiff als die Faithful handelte.
Die Blocke klapperten und quietschten, als die Seeleute keuchend die Fock und dann das umfangreiche Gro?segel mit dem seltsamen roten Flicken darauf hi?ten. Das Schiff holte uber, und der Ruderganger meldete mit rauher Stimme:»Schiff steuert wieder, Sir!»
Sparke blickte auf den Kompa?.»Windrichtung wie bisher, Mr. Frowd. Lassen Sie etwas abfallen, denn nach Moglichkeit wollen wir vor dieser Augenweide dort den Windvorteil nutzen, aber wenn notig, hauen wir ab.»
Die beiden gro?en Segel blahten sich, als die Baume nach au?en schwangen, und schuttelten den Regen des Vortages ab, wie Hunde, die aus dem Wasser steigen.
Bolitho rief:»Mr. Couzens, nehmen Sie sich drei Leute, und helfen Sie Balleine bei den Stagsegeln!»
Als er sich wieder umwandte, sah auch er, was Sparke gesehen hatte. Aus dem nach Lee abziehenden Nebel trat wie eine Ersche i-nung das andere Schiff hervor, eine Brigg. Von der Gaffel wehte, noch ein wenig schlaff in der erst aufkommenden Brise, die Unionsflagge mit ihren Sternen und Streifen.
Etwas wie ein Seufzer der Erleichterung entrang sich den zuschauenden Gefangenen; einer von ihnen rief:»Jetzt bekommt ihr gleich Blei zu spuren, bevor sie euch uber Bord werfen!»
Sparke fuhr auf:»Stopft dem Kerl das Maul oder jagt ihm eine Kugel in den Kopf!«Dann, zu Frowd gewandt:»Fallen Sie noch zwei Strich ab!»
«Nordost liegt an!»
«Soll ich die Sechspfunder ausrennen lassen?»
Sparke hatte ein Fernrohr gefunden und richtete es auf die Brigg.»Es ist die alte Mischief. Ah, ich sehe ihren Kapitan. Das mu? der andere Tracy sein. «Er blickte Bolitho an.»Nein. Denn wenn wir so dicht herangehen, da? wir diese kleinen Kanonen abfeuern konnen, verwandeln sie uns in Kleinholz. Wendigkeit und Schnelligkeit ist alles, was wir einsetzen konnen.»
Dann zog er die Uhr und blickte nicht einmal auf, als ein Geschutz bellte und im nachsten Augenblick eine Kugel die Fock durchschlug wie eine unsichtbare Faust.
Gischt peitschte jetzt uber den Bug und prasselte auf die dort arbeitenden Seeleute. Der Wind frischte auf, wahrend der Nebel vor dem Schoner zuruckwich, als furchte er, vom Kluverbaum aufgespie?t zu werden.
Die Brigg hatte jetzt Marssegel und Fock gesetzt und war ihnen hart auf den Fersen. Sie versuchte offensichtlich, den Schoner in einem langen Schlag auszuluven. Ihre beiden Buggeschutze feuerten Schu? auf Schu?, die Luft war erfullt von schauerlichem Geheul, was auf die Verwendung von Kartatschen oder Kettenkugeln hindeutete. Traf auch nur eine einzige von ihnen einen Mast, so war dies der Anfang vom Ende.
Ein weiteres Geschutz mu?te jetzt auf die fluchtende Faithful gerichtet sein, denn eine Kugel fegte uber das Achterdeck, zerfetzte Tauwerk und traf beinahe einen Gefangenen, der sich aufgerichtet hatte, um besser sehen zu konnen.
«Siehst du, Freund, das Yankeeblei ist fur euch genauso gefahrlich«, hohnte ein Seemann.
Ein weiterer Einschlag dicht neben der Bordwand uberschuttete sie mit Spritzwasser.
Balleine kam nach achtern gerannt und fragte:»Soll ich die Bootsleinen kappen, Sir? Das macht uns sicher eine halbe Meile schneller.»
Plotzlich schrie ein Seemann unglaubig:»Der Yankee geht uber Stag, Sir!»
Sparke gestattete sich ein kurzes Lacheln der Genugtuung. Durch den sich immer mehr lichtenden Nebel tauchte wie ein Geist die Trojan auf, unter vollen Segeln und mit bereits ausgefahrener Breitseite, zwei Linien schwarzer Mundungen.