Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander (библиотека книг бесплатно без регистрации TXT) 📗
Naher und naher. Ein paar Musketenkugeln pfiffen harmlos uber ihre Kopfe hinweg, aber aufs Ganze gesehen wartete der franzosische Kapitan ab. Beide Schiffe waren gleich stark bestuckt, und er konnte hoffen, da? der Bug und Vormast der
Phalarope die ersten Schlage abbekommen wurden. Sein Schiff trieb langsam im Wind, und die langsseits liegende Witch of Looe minderte das Schaukeln und Schlingern, wofur die franzosischen Kanoniere dankbar waren. Schwaches Hurrarufen wurde von neuerlichem Musketenfeuer ubertont.
«Die Leute der Brigg jubeln uns zu, Sir«, stotterte Proby.
Bolitho tat, als hore er nicht. Ein einziger Irrtum, und sein Schiff wurde zu Kleinholz zerhackt werden. Funfzig Yards, drei?ig Yards. Bolitho hob die Hand. Quintal hockte sprungbereit. Eine Hand lag auf der Schulter eines Matrosen an den Brassen.
«Jetzt!«befahl Bolitho.
Proby griff mit in die Speichen des Rades, und unter dem Kreischen der Blocke begannen die Rahen herumzuschwenken. Die Segel klatschten protestierend, reagierten aber auf Wind und Ruder.
«Ausrennen!«Eiskalt verfolgte Bolitho, wie die Backbordkanonen uber die gesandeten Planken quietschten.»Feuert, was die Rohre hergeben!»
Bolitho hammerte auf die Reling und zahlte ungeduldig jede Sekunde. Einen Augenblick lang glaubte er, den Kurswechsel falsch angesetzt zu haben. Doch wahrend er atemlos wartete und kaum hinzuschauen wagte, schwang der Bugspriet gemachlich uber das hohe Heck des Franzosen und hatte fast eine Gruppe Matrosen von den Schutznetzen gefegt.
Herrick rannte von einer Kanone zur anderen, um darauf zu achten, da? auch bestimmt jeder Schu? sa?. Er hatte sich die Muhe sparen konnen. Wahrend die uberraschten franzosischen Kanoniere verwirrt von der anderen Seite herubergerannt kamen, schlugen die ersten Schusse krachend in den Rumpf der franzosischen Fregatte. Die Phalarope erbebte, als sie gegen die Witch of Looe stie?, zog aber weiter an der kleinen Brigg vorbei, wahrend ihre Geschutze Feuer und Tod spien, hinweg uber die Kopfe der verdutzten Enterer und die der restlichen Briggbesatzung.
Bolitho zuckte zusammen, als sich die Neunpfunder auf seinem Achterdeck an dem Getose zu beteiligen begannen. Das franzosische Schiff antwortete noch immer nicht. Bolitho hatte richtig ve rmutet. Die Kanonen starrten so untatig in die Schlage der Phalarope, weil ihre Bedienungen mit auf die Witch of Looe geentert waren.
Gro?e Teile des Schanzkleids der franzosischen Fregatte wurden aufgerissen. Zersplitterte Planken wurden wie von unsichtbarer Hand hochgeschleudert. Eine Axt blitzte auf, und Bolitho rief:»Sie wollen klarkommen. «Er zog den Sabel.»Hinuber, Jungs. Enterer vorwarts!»
Die Phalarope kam langsseits der Witch of Looe langsam zum Stehen. Ihr Bug verfing sich in den herabgesturzten Tauen und Spieren der Brigg. Bolitho rannte die Laufplanken auf der Backbordseite hinunter und kletterte auf das schrag liegende Deck der Witch of Looe hinuber. Zuerst folgte ihm niemand. Doch dann sprangen die wartenden Matrosen unter lautem Gebrull hinter ihm uber das Schanzkleid.
Die Franzosen sahen sich zwischen dem wilden Geschutzfeuer und den wieder aufflackernden Aktionen der Briggbesatzung eingezwangt. Die meisten ergaben sich und hoben die Hande, doch Bolitho stie? sie beiseite. Sein hocherhobener Degen wies seinen Leuten den Weg.»Vorwarts, Jungs! Wir nehmen die Fregatte. «Sich mit den Enterern zu befassen, dazu blieb spater noch Zeit genug.
Der Widerstand auf dem von Schussen zerfetzten Deck der Fregatte war wild und entschlossen. Wust verzerrte Gesichter schwammen an Bolitho vorbei, als er sich seinen Weg zum Heck bahnte. Immer wieder rutschte er auf der dicken Blutschicht aus, die das Deck wie frische Farbe uberzog.
Das Oberdeck des Feindes war im Augenblick des Angriffs voller Menschen gewesen. Zur normalen Bemannung kamen die Enterer, die von der Witch of Looe zuruckkommandiert worden waren, und die Kanoniere, die der plotzliche Kurswechsel der Phalarope uberrascht hatte. In dieses verfilzte Durcheinander von Leibern war die volle Kraft der Breitseite geschlagen. Alle Zwolfpfunder der Backbordbatterie hatten gefeuert, dazu die Achterdeckgeschutze, jede Kanone mit Doppelkugeln und breit streuenden Kartatschen geladen. Das Deck des Franzosen sah aus, als habe ein Irrer ganze Fasser voller Blut ausgegossen. Sogar die unteren Segelbahnen waren rotgefleckt, und uber dem zersplitterten Schanzkleid und den hochkant stehenden Kanonen hingen zerfetzte Korperteile.
Ein franzosischer Offizier, der aus einer Kopfwunde blutete und dessen schmaler Sabel fast bis zum Heft voller Blut war, stellte sich Bolitho in den Weg. Bolitho hob seinen Degen, doch der Franzose parierte den Schlag. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Angst zu Frohlocken. Bolitho wollte Raum gewinnen, aber die ringsum kampfenden Leute engten seine Bewegungsfreiheit ein. Er konnte den Degen nicht schnell genug heben. Er sah den Franzosen ausholen, horte den Stahl herabsausen und wartete auf den Hieb. Statt dessen verzerrte sich das Gesicht des Franzosen vor Schreck. Denn ein kampfbesessener Seesoldat brach durch die Menge, sein aufgepflanztes Bajonett wirkte wie ein Speer. Der Franzose holte nach dem neuen Gegner aus, aber es war zu spat. Der Seesoldat stie? mit solcher Wucht zu, da? sein Bajonett den Franzosen an der Heckreling festnagelte. Der Seesoldat brullte im Blutrausch auf und stemmte dem Franzosen den Fu? auf den Leib, um sein triefendes Bajonett herauszurei?en. Der franzosische Offizier sackte langsam zusammen, sein Mund schnappte wie der eines sterbenden Fisches. Der Seesoldat stierte ihn an, als sahe er ihn zum ersten Mal, und stie? nochmals zu.
Bolitho packte ihn beim Arm.»Um Gottes willen, Mann, es reicht!«Der Seesoldat schien nicht zu horen. Dann, nach einem verdutzten Blick in das Gesicht seines Kapitans, warf er sich von neuem verbissen und ha?erfullt in den Kampf.
Der Kapitan der Fregatte lag auf dem Achterdeck, ein junger Leutnant hielt ihn bei den Schultern. Jemand band eine Aderpresse um den zerschmetterten Stumpf seines Beins. Der Kapitan war kaum bei Bewu?tsein.
«Streichen Sie die Flagge, Kapitan!«rief Bolitho.»Streichen Sie die Flagge, solange noch ein paar von Ihren Leuten am Leben sind. «Er erkannte seine eigene Stimme nicht. Die Hand, die den Degengriff umklammerte, war schwei?na?. Er mu?te an den Seesoldaten denken und wu?te, wie schnell auch ihn der Blutrausch packen konnte.
Der franzosische Kapitan brachte eine schwache Geste zustande, und der Leutnant stie? hervor:»Wir streichen die Flagge, M'sieur. Wir streichen.»
Selbst nachdem die wei?e Flagge an Deck flatterte und die Leute Mann fur Mann vom Geschaft des Totens zuruckgerissen worden waren, brauchten die Manner der Phalarope Zeit, um zu begreifen, da? der Kampf gewonnen war.
Dancer von der Witch of Looe gratulierte Bolitho als erster. Er blutete aus mehreren Wunden. Einen Arm hatte man ihm mit einem Tampen uber der Brust festgebunden. Die gesunde Hand streckte er Bolitho entgegen, als er uber das zersplitterte, blutbefleckte Deck auf ihn zuhinkte.»Danke, Sir. Das war Rettung in hochster Not!»
Bolitho schob den Degen in die Scheide.»Ihr Schiff wird sinken, furchte ich. «Seine Augen glitten uber die zerfetzten Segel der franzosischen Fregatte.»Aber Sie haben es teuer verkauft.»
Dancer schwankte und griff nach Bolithos Arm.»Ich wollte Sir Robert benachrichtigen. Die Franzosen sind ausgelaufen, Sir. «Er kniff die Augen zusammen und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.»Vor drei Tagen stie?en de Grasses und Rodneys Flotten aufeinander. Nach einem kurzen Treffen auf weite Entfernung brach de Grasse die Schlacht ab. Ich habe versucht, die Franzosen im Auge zu behalten, und heute morgen entdeckte ich die gesamte Flotte nordwestlich von Dominica. «Er hob den Kopf.»Ich glaube, es ist Sir George Rodney gelungen, die Franzosen wieder zu stellen, aber genau wei? ich es nicht. Diese Fregatte erwischte mich, ehe ich das Geschwader wieder erreichen konnte. «Er lachelte klaglich.»Und nun habe ich nicht mal mehr ein Schiff.»