Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander (читать книги без txt) 📗
Ein Seesoldat klopfte an die Kajutentur, und Allday fuhr mit einem gedampften Fluch herum.»Raus, verdammt noch mal! Ich habe doch angeordnet, da? der Kommandant alleingelassen wird!»
Das Gesicht des Seesoldaten blieb unbewegt.»Verzeihung, aber ich soll dem Kommandanten melden, da? ein Boot von der Impulsive abgesetzt hat.»
Allday ging zur Tur und warf sie zu.»Ich werde es ihm ausrichten. «Dann wischte er sich die Hande an den Schenkeln ab und uberlegte, was er tun solle.
Ein schneller Blick zur verschlossenen Tur der Schlafkammer sagte ihm, da? der Kommodore noch schlief. Sein Mund verzog sich spottisch. Oder — was wahrscheinlicher war — noch im Rausch lag. Kapitan Herrick kam an Bord, und er war ein Freund. Und soweit Allday wu?te, war er der einzige, der Bolitho jetzt helfen konnte.
Er machte ein entschlossenes Gesicht: nicht einmal Herrick sollte Bolitho in diesem Zustand zu Gesicht bekommen: in derangierter Uniform und unrasiert, und den Magen mit mehr Brandy gefullt, als er vertragen konnte.
Fest sagte er:»Ich werde Sie jetzt rasieren, Kapt'n. Wahrend ich warmes Wasser aus der Kombuse hole, konnten Sie mit dem Kaffee beginnen. «Er zogerte, bevor er hinzusetzte:»Sie hat ihn uns mitgegeben, als wir Plymouth verlie?en.»
Bevor Bolitho antworten konnte, eilte er aus der Kajute.
Bolitho schwang die Fu?e an Deck und streckte die Hand aus, um sich festzuhalten, weil ihn Ubelkeit uberwaltigte. Er war durstig und so mude, da? er fast in sich zusammengesackt ware; aber All-days letzte Worte veranla?ten ihn, zum Tisch hinuberzugehen.
Er mu?te die Zahne zusammenbei?en, als er etwas Kaffee in den Becher go?. Seine Hand zitterte so stark, da? er erst beim zweiten Versuch Erfolg hatte. Dabei rann ihm der Schwei? den Rucken hinunter, als ob er gerade aus einem Alptraum erwacht ware. Aber es war kein boser Traum, den man beiseite schieben konnte, weder jetzt noch jemals.
Er dachte an Alldays verzweifelte Versuche, ihn aus seiner Lethargie aufzurutteln, an die Blicke, die ihm zugeworfen worden waren, wenn er sich nachts an Deck gezeigt hatte. Einige Blicke waren voller Mitgefuhl und Sympathie gewesen, als ob die Leute wie Allday seinen Schmerz mit ihm teilten. Andere hatten ihn nur neugierig und mit unverhohlener Uberraschung beobachtet. Meinten sie, weil er ihr Kommandant war, sei er erhaben uber jeden Kummer und privaten Schicksalsschlag? Stunde er uber allen menschlichen Regungen, wie er uber ihrer Welt stand?
Wahrend der Nacht war er ruhelos auf dem Oberdeck herumgewandert, nur halb dessen bewu?t, was er tat und wohin ihn seine Fu?e trugen. Vom nachtlichen Himmel und dem Gewebe der Takelage uber sich hatte er etwas Ruhe zuruckgewonnen, und wahrend er ziellos uber die verlassenen Decks streifte, hatte er das Schiff um sich herum wie ein lebendes Wesen gespurt, das durch seinen Kummer ebenfalls verstummt war. Danach war er in die leere Kajute zuruckgekehrt und hatte sich an das offene Fenster gesetzt, hatte den unverdunnten Brandy getrunken, ohne ihn zu schmecken, und hatte gewu?t, da? auf dem Tisch ein Brief lag, den zu lesen er nicht den Mut hatte. Ihr letzter Brief. So voller Hoffnung und Zuversicht.
Allday trat in die Kajute und legte das Rasierzeug auf den Tisch.»Fertig, Kapt'n?«Er sah zu, wie Bolitho sich schwerfallig zu seinem Stuhl bewegte.»Der Kommandant der Impulsive wird in wenigen Augenblicken an Bord sein.»
Bolitho nickte und lehnte sich im Stuhl zuruck. Seine totale Mudigkeit machte ihn wehrlos, als Allday ihm das Gesicht einseifte.
Fu?e trampelten uber seinem Kopf, und er horte das regelma?ige Rauschen von Wasser, als die tagliche Routine des Deckwaschens begann. Normalerweise hatte er zugehort und eine seltsame Beruhigung bei diesem vertrauten Gerausch empfunden, wenn er sich dazu die Gesichter der Leute vorstellte, die sich allerlei zuriefen, aber seinen Blicken verborgen blieben. Er fuhlte, wie das Rasiermesser schnell uber seine Wangen glitt und spurte, da? Allday ihn beobachtete. Alles war anders als bisher. Im schien, als ob die verschlossene Kajutentur ihn nicht nur vom Schiff, sondern von der ganzen ubrigen Welt trennte.
Das Rasiermesser verhielt mitten in der Luft, und er horte Inch vom Eingang rufen:»Kapitan Herrick ist an Bord gekommen, Sir. Die anderen Kommandanten werden bei acht Glasen erscheinen.»
Bolitho schluckte und schmeckte den Brandy wie Feuer auf seiner Zunge. Die anderen Kommandanten? Es bereitete ihm physische Anstrengung, sich zu erinnern: Herrick, der von seiner kurzen Besprechung mit dem Kommodore zuruckgekommen war. Inch, zwischen Trauer und Anteilnahme hin- und hergerissen, und viele andere, die in dem allgemeinen Durcheinander seiner Gefuhle wie Schemen aufgetaucht und verschwunden waren.
Inch fugte hinzu:»Sie kommen zur nachsten Sitzung, Sir.»
«Ja, danke. Bitte sagen Sie Kapitan Herrick, er mochte eine Tasse Kaffee trinken, wahrend er warten mu?.»
Die Tur schlo? sich wieder, und er horte Allday wutend murmeln:»Eine schone Konferenz wird das werden!»
Er fragte:»Geht es dem Kommodore schon besser?»
Allday nickte.»Aye, Kapt'n. Petch kummert sich um ihn.»Es gelang ihm nicht, die Bitterkeit in seinem Ton zu unterdrucken.
«Soll ich Kapitan Herrick fragen, ob er ihm alles erklaren will?«Er wischte Bolithos Gesicht mit einem feuchten Handtuch ab.»Pardon, aber ich glaube, Sie sollten an dieser Konferenz nicht teilnehmen.»
Bolitho stand auf und erlaubte Allday, da? er ihm das zerknitterte Hemd auszog.
«Sie haben recht, sie ist freiwillig. Nun seien Sie so freundlich und beenden Sie Ihre Arbeit und lassen Sie mich dann in Frieden.»
Petch kam aus der Schlafkammer, Pelham-Martins Galarock uber dem Arm.
Allday nahm den Rock und hielt ihn gegen das reflektierte Sonnenlicht. Der eingetrocknete Blutfleck wirkte schwarz in dem strahlenden Glanz der Goldstickereien, und als er einen Finger durch das winzige Loch steckte, das der Splitter gerissen hatte, sagte er:»Nicht gro?er als von einer Florettspitze. «Er warf Petch den Rock mit offenkundigem Ekel zuruck.
Bolitho zog das Halstuch fester und empfand das frische Hemd angenehm kuhl auf seiner Haut. Innerlich registrierte er all diese Dinge, aber er nahm keinen Anteil daran. Das kleine Loch im Stoff, Pelham-Martins deutliche Absicht, ein Invalide zu bleiben, sogar die Notwendigkeit, da? etwas unternommen wurde, alles schien au?erhalb seines Bewu?tseins zu liegen und so fern wie der Horizont.
Die plotzliche Aussicht auf eine Zusammenkunft mit den anderen Kommandanten machte ihn nur nervos. Diese beobachtenden Blik-ke, ihr Beileid und ihr Mitgefuhl.
Er fuhr Allday an:»Sagen Sie Kapitan Herrick, er soll nach achtern kommen. «Als Allday zur Tur ging, rief er ihm scharf nach:»Und ich mochte gleich eine neue Karaffe!»
Er senkte den Blick, da er Alldays besorgten Ausdruck nicht ertragen konnte. Die Anteilnahme dieses einfachen Mannes und sein Wunsch, ihm zu helfen, waren beinahe schwerer auszuhalten als Verachtung. Allday hatte sich vielleicht weniger um ihn gesorgt, wenn er gesehen hatte, wie er am offenen Fenster geschluchzt hatte. Wenn er von seinem plotzlichen Impuls gewu?t hatte, der leeren Karaffe, die er in das Spiegelbild der Sterne hinter dem Heck des Schiffes geworfen hatte, nachzuspringen.
Herrick kam, den Hut unter dem Arm, das Gesicht zu einem zuruckhaltenden Lacheln verzogen.
«Ich komme sicher ungelegen, aber ich dachte, es sei besser, wenn ich Sie vor den anderen spreche.»
Bolitho schob ihm einen Stuhl zu.»Vielen Dank, Thomas. Sie kommen nie ungelegen.»
Petch trat ein und stellte eine volle Karaffe auf den Tisch.
Bolitho sah seinen Freund an.»Ein Glas, bevor wir anfangen?«Er versuchte zu lacheln, aber es wirkte wie erfroren.
«Aye, ich konnte einen brauchen. «Herrick beobachtete Bolithos Hand, als die Karaffe gegen das Glas stie?.
Dann sagte er ruhig:»Bevor wir zum Kommodore gehen, gibt es einige Dinge, die ich Ihnen sagen sollte. «Er nippte an seinem Glas.»Die Neuigkeiten, die ich von England mitgebracht habe, sind nicht gut. Die Franzosen sind in den letzten Monaten mehrfach aus ihren Hafen ausgebrochen, selbst aus Toulon. Dort stie?en sie aber auf Vizeadmiral Hothams Geschwader, der sie zuruckwarf. «Er seufzte.»Der Krieg gewinnt an Dynamik, und einige unserer hohen Herren scheinen der Schnelligkeit des feindlichen Denkens nicht gewachsen zu sein. «Sein Blick folgte der Karaffe, als Bolitho ein neues Glas eingo?.»Lord Howe hat das Kommando uber die Kanalflotte an Viscount Bridport abgegeben, so mag es wenigstens dort einige Verbesserungen geben.»