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Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander (прочитать книгу .TXT) 📗

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«Wu?te ich doch, Thomas. Sie haben nicht das richtige Gesicht zum Schwindeln.»

Wieder klopfte es, diesmal war es der Schiffsarzt.

«Nun, Mr. Whitmarsh?«fragte Bolitho,»geht es unserem Gefangenen schlechter?»

Whitmarsh schob sich durch die Tur wie in eine Zelle. Er duckte sich unter jeden Decksbalken, als suche er einen

Fluchtweg.»Es geht ihm soweit ganz gut, Sir. Aber ich bin immer noch der Meinung, da? es besser gewesen ware, ihn mit dem Schoner zum Stutzpunkt zuruckzuschicken.»

Bolitho sah Herricks Wangenmuskeln arbeiten und wu?te, gleich wurde er sich die Unverschamtheit des Arztes verbitten. Wie den anderen Offizieren fiel es auch Herrick nicht leicht, seine Abneigung gegen Whitmarsh zu verbergen. Und der tat selbst wenig, um sich beliebter zu machen.

Ruhig erwiderte Bolitho:»Ich konnte schlie?lich nicht die Verantwortung fur einen Gefangenen ubernehmen, der nicht in meinem Gewahrsam ist, oder?»

Schwei?tropfen bildeten sich auf der Stirn des Arztes. Hatte er so fruh am Morgen schon getrunken? Ein Wunder, da? er sich noch nicht umgebracht hatte.

Oben horte man taktma?ige Schritte und metallisches Klirren: die Marineinfanteristen traten zur Musterung an. Etwas gezwungen fugte Bolitho hinzu:»Sie mussen sich schon auf mein Urteil verlassen, Mr. Whitmarsh; ich rede Ihnen ja auch nicht drein.»

Der Arzt starrte ihn an.»Sie geben also zu: wenn Sie ihn nach Pendang Bay hatten schaffen lassen, ware er gehangt worden?»

Argerlich warf Herrick ein:»Herrgott noch mal, Mann, schlie?lich ist der Kerl ein verdammter Pirat!»

Whitmarsh fixierte ihn bose. »Ihrer Meinung nach!»

Rasch erhob sich Bolitho und trat zum Fenster.»Nun bleiben Sie aber sachlich, Mr. Whitmarsh! Als gewohnlicher Pirat wurde er verurteilt und gehangt, wie Sie recht gut wissen. Aber falls er tatsachlich Muljadis Sohn ist, dann konnen wir ihn als Druckmittel benutzen. Hier steht mehr auf dem Spiel, sind mehr Menschenleben in Gefahr, als ich geglaubt habe. Da kann ich auf Ihre Privatgefuhle keine Rucksicht nehmen.»

Whitmarsh hielt sich an der Tischkante fest und beugte sich vor.»Wenn Sie durchgemacht hatten, was ich… »

Bolitho wandte sich scharf zu ihm um.»Ich wei? Bescheid uber die Sache mit Ihrem Bruder, und er tut mir aufrichtig leid. Aber wie viele Hochverrater und Morder haben Sie schon hangen oder in Ketten verfaulen sehen, ohne auch nur einen Gedanken an sie zu wenden?«Er merkte, da? jemand oben an dem offenen Skylight stehen blieb, und senkte die Stimme.»Menschlichkeit bewundere ich. Aber Sentimentalitat lehne ich ab. «Er beobachtete, wie die Wut in den Zugen des Arztes tiefem Schmerz wich.»Also geben Sie sich Muhe mit dem

Gefangenen«, fuhr er fort.»Wenn es ihm bestimmt ist, gehangt zu werden, kann ich es nicht verhindern. Aber wenn ich sein Leben zu unserem Vorteil nutzen kann und es ihm damit rette, dann um so besser.»

Unsicher wankte Whitmarsh zur Tur und sagte dumpf:»Und diesen Potter vom Schoner lassen Sie schon wieder Dienst machen!»

Jetzt lachelte Bolitho.»Sie sind aber wirklich hartnackig, Mr. Whitmarsh! Potter hilft dem Segelmacher. Er wird sich schon nicht totarbeiten, und ich glaube, wenn er was zu tun hat, wird er sich schneller erholen als beim Bruten uber seine Leiden.»

Etwas Unverstandliches murmelnd, stelzte Whitmarsh steif aus der Tur.

«So eine Frechheit!«rief Herrick.»Den hatte ich an Ihrer Stelle mit einem Belegnagel Mores gelehrt!»

«Das bezweifele ich. «Bolitho schwenkte seinen Kaffeebecher, aber der war leer.»Doch er wird mich nie verstehen und noch weniger mir vertrauen.»

Dann lie? er sich von Noddall seine Galauniform und seinen besten Dreispitz bringen und kam sich ziemlich lacherlich vor, als der Steward ihn abburstete und ihm Manschetten und Aufschlage zurechtzupfte.

«Ein boses Risiko gehen Sie da ein, Sir«, sagte Herrick unvermittelt.

«Aber eines, das sich nicht vermeiden la?t, Thomas. «Eben zog Noddall ein langes Haar von einem seiner Rockknopfe. Ihr Haar. Ob Herrick das gesehen hatte?» Wir mussen dem franzosischen Kapitan trauen. Alles weitere ist blo?e Spekulation.»

Noddall hatte den alten Degen vom Gestell genommen, aber er hangte ihn sich nur uber den Arm — wu?te er doch, da? er sein Leben riskierte, wenn er sich Alldays geheiligtes Ritual anma?te.

Bolitho seinerseits dachte an Whitmarshs Zorn, der zum Teil nicht unbegrundet war. Hatte er den Gefangenen ins Fort zuruckgeschickt, ware er von Puigserver bestimmt in Eisen gelegt worden, bis er ihn der nachsten spanischen Behorde ubergeben konnte. Dort ware er dann — falls er Gluck hatte — ohne weitere Umstande gehangt worden. Wenn er kein Gluck hatte… Nun, daruber dachte man am besten nicht nach. Der Sohn hatte fur den Vater bu?en mussen.

Wie es jetzt stand, mu?ten die Uberlebenden der Schonerbesatzung, ein wuster Haufen, in Kurze ein rasches, unruhmliches Ende finden. Wieviele Menschen hatten sie auf dem Gewissen? Wieviele Schiffe hatten sie ausgeraubt, wieviele Besatzungen uber die Klinge springen lassen oder zu menschlichen Wracks gemacht wie Potter, den Segelmacher aus Bristol? Da kamen sie vergleichsweise gut weg, wenn sie aufgeknupft wurden.

Bolitho ging hinaus, noch immer tief in Gedanken uber Recht und Unrecht bei Schnelljustiz.

An Deck war es frisch; die Tageshitze hatte noch nicht eingesetzt, und er machte, solange noch Zeit dazu war, einen kleinen Spaziergang an Luv. In dem schweren Galarock wurde ihm bald der Schwei? ausbrechen, wenn er sich nicht im Schatten der vollen Segel hielt.

Fowlar tippte gru?end an die Stirn und fragte unsicher:»Darf ich Ihnen danken, Sir?»

«Sie haben es zweifellos verdient, Mr. Fowlar«, lachelte Bolitho. Er hatte den Steuermannsmaat zum Vizeleutnant befordert, um die Lucke zu fullen, die Davy an Bord hinterlassen hatte. Ware der junge Keen mit ihnen gesegelt, hatte er das Gluck gehabt. Nun wurde Fowlars fruheren Rang ein anderer bekommen. Fur den wurde wieder einer nachrucken, und so ging es immer weiter — wie auf allen Schiffen.

Herrick nahm Fowlar beiseite und wartete, bis Bolitho seinen Spaziergang wieder aufgenommen hatte.»Lassen Sie sich warnen: Sprechen Sie den Captain niemals an, wenn er seinen Spaziergang macht. «Er mu?te uber Fowlars Verwirrung lacheln.»Au?er naturlich, wenn etwas wirklich Wichtiges vorliegt; aber Ihre Beforderung gehort nicht dazu. «Er klopfte ihm auf die Schulter.»Trotzdem — meine Gratulation!»

Bolitho hatte die beiden schon vergessen. Er hatte den dunklen Streifen Land gesehen, der gerade uber der glitzernden Kimm auftauchte, und dachte daruber nach, was er dort wohl vorfinden wurde. Aus der Entfernung sah es wie eine einzige weite Landmasse aus, aber er wu?te, es war in Wirklichkeit eine Ansammlung kleiner Inseln, manche noch kleiner als die, vor der sie den Schoner aufgebracht hatten. Die Hollander hatten sie ursprunglich wegen ihrer gunstigen Struktur und Lage okkupiert. Schiffe, die im Innern dieses Archipels ankerten, konnten bei jedem Wind nach jeder Richtung in See gehen und sich unter mehreren Passagen die kurzeste und beste aussuchen. Die Festung war zum Schutz vor Marodeuren gebaut worden, auch vor solchen wie dem, welcher jetzt selbst darin sa? und jedem Staat, jeder Flagge Trotz bot. Die Hollander zahlten die Benuas immer noch zu ihrem Besitz, aber wohl nur der Form halber; zweifellos waren sie froh, diesen Archipel mit seiner unheilvollen Geschichte los zu sein.

Unter der Back unterhielt sich der Segelmacher mit Potter. Ob der sich wohl jemals wieder richtig erholen wurde? Es mochte ihm nicht leicht fallen, schon wieder so dicht bei Muljadis Festung zu sein. Aber au?er dem Gefangenen war er der einzige, der gesehen hatte, was hinter den schutzenden Riffen und Sandbanken lag.

Trotz seines schweren Rockes uberlief Bolitho ein Schauer.

Wenn er nun seinen Gegner falsch eingeschatzt hatte? Dann konnte aus ihm ein zweiter Potter we rden, ein elendes, gebrochenes Wrack, so gut wie tot fur seine Schwestern und alle seine Bekannten in England. Und Viola Raymond? Wie lange wurde sie brauchen, um ihn zu vergessen?

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