Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .TXT) 📗
Ihm fehlten die Worte. All seine sorgfaltig eingeubten Satze waren ihm entfallen, als sie ins Zimmer kam. Ungeschickt erwiderte er:»Auch das ist ganz naturlich. Als ich so alt war wie er, dachte ich von meinem Kommandanten nicht anders.»
Sie lachelte zum erstenmal.»Gut, da? wenigstens Sie sich nicht verandert haben, Captain. Manchmal mache ich in der Abendkuhle einen Spaziergang auf der Brustwehr und denke dabei an unsere Reise von Gibraltar nach Cozar. «Ihr Blick schweifte in die Ferne.»Dann kann ich das Schiff sogar noch riechen und hore den Donner dieser gra?lichen Kanonen.»
«Und nun bin ich gekommen, um Sie nach St. Clar zu bringen. «Die Worte schienen ihm im Hals steckenbleiben zu wollen.»Doch Sie haben ja wohl erwartet, da? ein Schiff kommen wurde?»
«Ein Schiff, ja. «Sie nickte, und bei der Bewegung ihres Halses und ihres Haares brannte ihm aufs neue das Herz.»Aber nicht Ihr Schiff, Captain. «Sie blickte starr zu ihm empor, die Hande fest verschrankt.»Wurde Ihnen befohlen, mich abzuholen?»
«Aye. Es war der Wunsch Ihres — Sir Edmunds Wunsch.»
«Tut mir leid, da? gerade Sie es sein mu?ten. Ich dachte, wir wurden uns nie wiedersehen — wir beide.»
«Ich wei?. «Er konnte seine Verbitterung nicht langer verbergen.»Wahrscheinlich mu? ich sogar zusehen, wenn Sie Lady Pomfret werden.»
Sie trat einen Schritt zuruck und errotete unter ihrer Braune.»Also verachten Sie mich, Captain? Erlaubt Ihr Stolz es Ihnen nie, einen Fehler zu machen oder etwas zu tun, das gegen Ihr Pflichtgefuhl geht?«Sie hob die Hand.»Nein, sagen Sie nichts. Ihr Gesicht verrat deutlich, was Sie denken.»
«Ich konnte Sie nie verachten«, entgegnete Bolitho leise.»Was Sie tun, ist Ihre Sache. Ich bin eben einer von Sir Edmunds Offizieren. Er hatte auch jeden anderen schicken konnen.»
Sie strich sich mit der Hand eine lose Locke aus dem Gesicht — eine Geste, an die er sich schmerzhaft deutlich erinnerte.»Lassen Sie mich Ihnen etwas erzahlen, Captain. Als meine Mutter wahrend des Aufstandes auf Jamaika starb, stand es schon schlimm genug mit uns. Aber kurz danach kam ein gro?er Sturm, und viele Schiffe gingen verloren. Darunter die zwei, die meinem Vater gehorten. Die Aufstandischen hatten den gro?ten Teil unserer Ernte vernichtet und alle Gebaude zerstort. Mein Vater hatte diese beiden Schiffe dringend gebraucht, um uns und eine letzte Ladung Waren nach England zu bringen, verstehen Sie? Er brauchte sie!»
Mit wachsender Hilflosigkeit sah Bolitho ihre bittere Verzweiflung.»Ich habe von diesem Sturm gehort.»
«Er hat meinen Vater ruiniert. Und nach dem Tod meiner Mutter brach er gesundheitlich vollig zusammen. Sir Edmund kam nach Jamaika, um den Aufstand niederzuschlagen. Er hatte es nicht notig gehabt, uns zu helfen; aber er zogerte keinen Augenblick. Er bezahlte unsere Uberfahrt nach England und meines Vaters Schulden. Wir konnten es ihm niemals zuruckerstatten, weil meines Vaters Geist so krank wurde wie sein Korper. «Sie machte eine hilflose Handbewegung.»Wir durften sogar Sir Edmunds Haus in London bewohnen, als ware es unser eigenes, und er kam fur Ruperts Erziehung auf; er redete ihm sogar zu, auf ein Schiff des Konigs zu gehen — auf Ihr Schiff, Captain!»
«Entschuldigen Sie. «Bolitho hatte das Verlangen, die Hand auszustrecken und sie zu beruhren, doch seine Glieder waren wie aus Stein.
Beschworend blickte sie in seine Augen.»Schauen Sie mich an, Captain. Ich bin sechsundzwanzig. Da Rupert auf See ist, stehe ich jetzt ganz allein da. Ich wei?, Sir Edmund liebt mich nicht, aber er braucht eine Frau. Das zum wenigsten bin ich ihm schuldig.»
«Die Jahre verstreichen«, erwiderte Bolitho,»und dann merkt man auf einmal, da? einem etwas entgangen ist…«Er brach ab, denn sie trat einen Schritt auf ihn zu, ein schmerzliches Erschrek-ken im Gesicht.»Ich sagte es Ihnen ja, Captain, ich bin schon sechsundzwanzig. Das soll aber nicht hei?en, da? ich mich dem Erstbesten an den Hals werfen mu?. Doch Sir Edmund braucht mich, und so mu? es eben sein.»
Bolitho sah zu Boden.»Ich meinte mich selbst, nicht Sie. «Er wagte nicht, ihr ins Gesicht zu blicken, bevor er ausgeredet hatte. Danach wurde er gehen.»Ich bin zehn Jahre alter als Sie, und bis zu dem Tag, als wir uns zum erstenmal sahen, habe ich nie etwas bedauert. Mein Heim liegt in Cornwall, aber ich bin immer nur vorubergehend dort. Man hat zwar irgendwo seine Wurzeln, doch bleiben kann man nicht. «Er wartete auf einen plotzlichen Ausbruch, doch sie blieb stumm.»Ich kann Ihnen nicht das elegante London bieten, auch nicht Sir Edmunds Lebensstil, aber eines kann ich Ihnen bieten.»
Seine Worte verklangen, und dann fragte sie ganz ruhig:»Was, Captain?»
Er fand seine Stimme wieder.»Ich kann Ihnen meine Liebe anbieten. Ich erwarte nicht, da? Sie sie in gleichem Ma?e erwidern; aber wenn Sie mir eine Chance geben wollen, nur eine Chance, will ich versuchen, Sie glucklich zu machen und Ihnen den Frieden zu geben, den Sie nach allem Leid verdienen. «Er spurte die tiefe Stille im Raum und horte das ferne Anschlagen der Wellen drau?en. Und lauter als alles das schmerzhafte Klopfen seines Herzens.
Endlich sagte sie:»Ich brauche Zeit zum Nachdenken. «Sie trat rasch an ein Fenster, so da? er ihr Gesicht nicht sehen konnte.»Wissen Sie auch, was Sie tun, Captain? Was das fur Sie bedeuten kann?»
«Ich wei? nur, was Sie mir bedeuten. Wie Sie sich auch entscheiden — daran wird sich nichts andern. «Er sah, da? ihre Schultern zitterten, und fuhr ruhiger fort:»Ich wurde mit Sir Edmund sprechen, wenn Sie.»
Sie schuttelte den Kopf.»Nein. Ich mu? das selbst durchstehen. «Wie von ferne sprach sie weiter.»Sir Edmund kann sehr hart sein. Es konnte schlimme Folgen fur Sie haben.»
Bolithos Herz tat einen Sprung.»Dann denken Sie also. Ich meine — Sie konnten wirklich.?»
Sie wandte sich um und legte ihm beide Hande auf die Schultern. Ihre Augen leuchteten so, da? sie ihr ganzes Gesicht beherrschten.»Hat es daran je Zweifel gegeben?«Doch als er sie mit dem gesunden Arm umfassen wollte, trat sie einen Schritt zuruck und hob die Hande.»Bitte jetzt nicht. Ich mu? nachdenken. Bitte la? mich allein.»
Bolitho trat zuruck und wandte sich zur Tur. Der Kopf wirbelte ihm vor Gedanken und Ideen.»Aber willst du mich heiraten? Sag es mir nur einmal, bevor ich gehe!»
Ihre Lippen zitterten, und eine Trane rollte uber ihre Wange.»Du bist der Mann, den mein Bruder verehrt, und noch viel mehr dazu. Ja, mit Freuden will ich dich heiraten.»
Nachher, als sein Boot ihn wieder zur Hyperion brachte, war er immer noch wie betaubt. Der Offizier der Wache machte seine Meldung, als er aufs Achterdeck kam, aber er horte weder, was er sagte, noch erinnerte er sich hinterher, was er geantwortet hatte.
Einsam stand Herrick, das Teleskop unterm Arm, an der Schanzleiter. Rasch uberquerte Bolitho das Deck und sprach ihn an:»Ich mu? mich bei Ihnen entschuldigen, Thomas. «Mit einer Handbewegung wischte er Herricks unausgesprochenen Protest beiseite.»Mein Benehmen war unverzeihlich, und was ich da gesagt habe, war schlechthin lacherlich.»
Herrick musterte ihn besorgt.»Haben Sie Schmerzen im Arm, Sir?«Verstandnislos starrte Bolitho ihn an.»Schmerzen? Arm? Ach was!»
«Tja, Sir«, sagte Herrick unsicher,»mir tat das auch leid. Aber ich kann einfach nicht mitansehen, wie Sie sich selbst in Schwierigkeiten bringen. «Er seufzte tief auf.»Doch jetzt konnen wir bald auslaufen, und nach der Hochzeit kommt alles wieder in Ordnung. «Er grinste erleichtert.»Und das ist auch gut so.»
Vergnugt sah Bolitho ihn an und uberlegte, ob er ihm gleich reinen Wein einschenken sollte.»Die Hochzeit wird verschoben, Thomas«, sagte er schlie?lich.
«Verschoben, Sir?«Herrick war ganz durcheinander.»Das verstehe ich nicht.»
Bolitho massierte sich den verbundenen Arm.»Ich denke, Fal-mouth ist dafur ein passenderer Ort, finden Sie nicht? Und Sie sollen Brautfuhrer sein, Thomas, wenn Sie mir diesen Dienst erweisen wollen.»