Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander (читать книги txt) 📗
Mit verschrankten Armen starrte Keen zum Feind hinuber. Sobald Achates wieder uber Stag ging, wurde der Wind sie stark nach Lee uberlegen. Aber das plotzliche Manover mu?te sie auf einen Kurs quer zu dem der Fregatte bringen, praktisch vor ihrem Bug vorbei. Also jetzt oder nie — denn in ein paar Minuten ware es zu spat, dann wurden die beiden Schiffe kollidieren, wenn Achates ihre Halse fuhr.
«An die Brassen!»
Bolitho packte seinen alten Sabel und pre?te ihn fest an den Oberschenkel.
«Jetzt!»
Das gro?e Doppelrad quietschte laut, als die Ruderganger sich mit ganzem Gewicht in die Speichen warfen. Wahrend die Rahen mit dem Wind herumzuschwingen begannen, stiegen zwei neue Flaggen zum Gro?- und zum Besanmasttopp empor.
«Stuckpforten auf! Schneller, dort druben! Ausrennen!»
Bolitho konnte den Blick nicht von der turmhohen Segelpyramide der franzosischen Fregatte wenden, die jetzt auf Achates' Steuerbordseite zuglitt.
Er horte ein Trompetensignal und konnte sich druben die fieberhafte Geschaftigkeit vorstellen, als das britische Schiff, das sie gehetzt hatten, plotzlich wie ein gestellter Eber herumfuhr, alle Kanonenrohre ausgerannt; in jedem Rohr staken Doppelkugeln, hinter jeder Lafette kauerte ein Stuckmeister und suchte sein Ziel.
Keen rief gellend:»Ziel auffassen!«Sein Arm hieb nach unten: «Einzelfeuer!»
Einen Augenblick furchtete Bolitho, da? er zu lange gezogert und wertvolle Sekunden mit dem Hissen seiner Gefechtsflaggen verloren hatte. Wenn die Rollen vertauscht gewesen waren.
Aber dann drohnte ihm der Kopf, und er horte auf zu denken, weil die Achtzehnpfunder des oberen Batteriedecks einer nach dem anderen losbrullten und wieder binnenbords ruckten. Mit tieferem, noch starkerem Krachen stimmten die schweren Vierundzwanzigpfunder auf dem unteren Batteriedeck ein und lie?en das Schiff vom Vorsteven bis zum Heck erbeben.
Manner taumelten wurgend durch den Rauch, der viel zu langsam durch die Stuckpforten und uber die Seitendecks abzog, als Achates jetzt ihre Breitseite dem Sudwind darbot.
Auf so kurze Distanz war die Wirkung der Salve verheerend.
Fockmast und Gro?maststenge der Fregatte gaben unter dem Hagel der Doppelkugeln nach und begannen zu wanken. Spieren, Segel und laufendes Gut prasselten wie eine verheerende Lawine auf Vorschiff und Seitendecks nieder, warfen Gischt auf und rissen den Rumpf aus dem Kurs.
«Auswischen! Nachladen!»
Keens Stimme ubertonte die Artilleriekommandos:»Klar zur Wende, Mr. Quantock!«Da? es schnell gehen mu?te, brauchte er nicht eigens zu betonen.
Als erneut Ruder gelegt wurde und Achates' Bug durch den Wind drehte, war Bolitho erleichtert, da? sie nicht mehr Segelflache oben hatten, sonst ware das Schiff entmastet worden.
Wieder hoben die Steuerbord-Stuckmeister einer nach dem anderen die Hand, um ihre Kanone schu?bereit zu melden. Die franzosische Fregatte trieb unter dem Gewicht der Wrackteile hilflos nach Lee — einstweilen noch. Denn Bolitho lie? sich nicht tauschen; er wu?te nur zu gut, was geschehen konnte, sobald Axte und Messer die Trummer druben erst gekappt und das Schiff befreit hatten.
«Gro?brambrassen — hievt, Leute, hievt! Noch mehr!»
Achates schwang immer weiter herum, bis die Fregatte plotzlich Steuerbord voraus an ihr vorbeiglitt, als mache sie so viel Fahrt und nicht der leichte Zweidecker.
Jedem unerfahrenen Auge hatte er ein chaotisches Bild geboten. Ein Bootsmann legte mit seiner Gang auf der Gro?rah aus, um die Kettenschlingen aufzuriggen, wahrend das Schiff unter ihnen fast um seine Masten auf der Stelle drehte, um das Heck des Feindes zu passieren.
«Steuerbordbatterie — feuerklar!»
Keen hielt den Arm hoch erhoben und zuckte mit keiner Wimper, als in der Bordwand des Feindes hier und da eine einzelne Kanone trotzig zuruckfeuerte. Aber fur Gegenwehr war es zu spat. Als Achates das Steuerbord-Achterschiff des Feindes passierte, verstummten druben auch die letzten Kanonen, denn der Schu?winkel wurde zu spitz.
Aber aus dem Besan und vom Huttendeck wurde mit Musketen geschossen — sparliches Einzelfeuer, das Dewars Scharfschutzen energisch erwiderten.
Bolithos Magen verkrampfte sich, als er sah, wie Achates' Kluverbaum am Heck der Fregatte mit seinen schimmernden Fenstern und dem in Goldbuchstaben geschnitzten Namen La Capricieuse vorbeiglitt.
Denn nun spuckte Achates' Steuerbordkarronade auf dem Vorschiff Feuer und Rauch, und das Heck des Franzosen schien aufzuplatzen wie eine obszone Eiterbeule. Aber damit nicht genug: Wenn die gro?kalibrige Kugel in dem mit Menschen vollgepackten Rumpf barst, mu?te ihre Ladung aus Nageln und scharfen Eisenstucken das Batteriedeck in ein blutiges Schlachthaus verwandeln.
Menschen, Waffen und das Ruderrad, alles wurde weggefegt werden und das Schiff fur lange Zeit bewegungsunfahig bleiben.
Keen formte mit den Handen einen Schalltrichter.»Lassen Sie die Royals setzen. Mr. Quantock!»
Ihm blieb keine Zeit, uber die Bluternte der Karronade nachzudenken, fur ihn zahlte nur, da? die Fregatte au?er Gefecht gesetzt war.
Wieder einmal kampfte sich Achates in eine Position, in der sie den Wind von schrag achtern harte. An Bord schien sich nichts verandert zu haben: keinem Mann war ein Haar gekrummt, kein Segel war durchlochert, keine Planke zerfetzt worden.
Bolitho stieg aufs Huttendeck und richtete sein Fernrohr auf das franzosische Linienschiff. Selbst auf diese Distanz machte das Schiff einen wutenden, kampferischen Eindruck, als es mehr Segel setzte und Signalflaggen hi?te, um die zweite, noch unbeschadigte Fregatte zu verstandigen.
Knocker rief:»Neuer Kurs Ostnordost, Sir!»
Der franzosische 74er steuerte Nordost und damit wieder konvergierenden Kurs zu ihnen. Aber er hielt immer noch die Luvposition und wurde wahrscheinlich versuchen, seinen Gegner mit einer hoch gezielten Breitseite zu entmasten oder ihn mit Kettenkugeln wenigstens stark zu beschadigen, wahrend er selbst fur den Briten au?er Schu?weite blieb.
Keen trat heran und salutierte.»Alle Kanonen geladen und feuerklar, Sir«, meldete er und warf einen Blick nach oben in die Takelage.»Mr. Rooke hat es sogar geschafft, in der Zwischenzeit alle Netze und Kettenschlingen auszubringen.»
Bolitho mu?te lacheln.»Ich wei?, da? wir viel riskiert haben, Val.»
Keen wandte den Blick ab.»Jedenfalls waren Sie fair und haben sie vorher gewarnt. Diesmal brauchen Sie das nicht mehr zu tun.»
Auch er starrte gespannt zu dem franzosischen Linienschiff hinuber, das noch eine Seemeile entfernt war; die kleine Fregatte hielt sich gut frei von ihm und kreuzte vor dem Wind, um sich jederzeit aufAchates sturzen und das Feuer aus einem anderen Winkel eroffnen zu konnen.
Bolitho wu?te, da? Achates sich nun bald mit dem moderneren, gro?eren und besser bewaffneten Gegner messen mu?te, und spurte die Spannung wie eine geballte Faust in seinen Eingeweiden; immerhin war sein Schiff beweglicher und hatte sich schon Hunderte von Malen im Gefecht bewahrt.
Keen uberlegte laut:»Wenn er in Luv bleibt, kommen wir nicht an ihn heran, Sir. Wahrend er jederzeit zu uns aufschlie?en oder sein Gluck mit Einzelfeuer auf weite Distanz versuchen kann. Auch dabei sind verheerende Treffer moglich.»
«Richtig. «Bolitho stieg in die Wanten und spahte achteraus.»Die andere Fregatte, die Diane, hat noch Westkurs, wird aber bald halsen und hinter uns herkommen. «Er lachelte Keen grimmig an.»Um uns in die Hacken zu bei?en.»
Keen nickte.»Und wenn wir dann bereits im Gefecht mit Argonaute sind, kann sie entscheidenden Schaden anrichten, Sir.»
Bolitho sprang wieder an Deck.»Was halten Sie davon, Val, wenn wir die Diane als Koder benutzen?»
Keens Augen leuchteten auf.»Indem wir zuerst sie angreifen, Sir?»