Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander (читать книги txt) 📗
Midshipman Ferrier, der bei der ersten Meldung in die Luvwanten geklettert war, rief gellend:»Ich sehe das erste Schiff, Sir! Eine gro?e Fregatte. Das zweite kann ich noch nicht erkennen, aber.»
Mountstevens Stimme von oben schnitt ihm das Wort ab:»Das zweite ist ein Linienschiff, Sir! Ein 74er!»
Ein Ruderganger pfiff durch die Zahne.»Diese Hunde!»
Bolitho nahm sich ein Fernrohr und kletterte neben Ferrier in die Wanten.»Welche Richtung?»
Aber schon fand er von allein das fuhrende franzosische Schiff, dessen Bramsegel golden in der Sonne schimmerten. Noch wahrend er hinsah, anderte sich seine Silhouette.»Er setzt die Royals«, murmelte Bolitho wie zu sich selbst.
Schlie?lich stieg er wieder an Deck hinunter und wandte sich an seinen Neffen.»Wie du selbst am besten wei?t, Adam«, sagte er,»hatte eine Fregatte eigentlich die Aufgabe, Gefahren rechtzeitig aufzuspuren und Fremde zu identifizieren.»
Adam nickte.»Also konnen sie vom Kriegsausbruch noch nichts wissen.»
Bolitho versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, aber die Tatsachen pa?ten einfach nicht zueinander. Jedenfalls kamen die franzosischen Schiffe mit dem fur sie gunstigen Sudwind rasch naher.»Kurs, Mr. Knocker?«fragte er kurzangebunden.
«Ostnordost, Sir. Voll und bei!»
Keen murmelte:»Wenn ich einen oder zwei Strich abfalle, werden sie mi?trauisch und glauben, da? wir uns verdrucken wollen. Andererseits wurden wir bei einem Kurswechsel um ein paar Knoten schneller, Sir.»
Ob sie nun mehr Segel setzten oder einen Kurs vom Feind weg einschlugen — beides mu?te das Interesse jedes Fregattenkommandanten erregen, erst recht, wenn er im Verband mit einem gro?en Linienschiff segelte.
«Bleiben Sie auf Kurs, Val. Vergessen Sie nicht, die beobachten uns genau.»
Keen warf einen Blick zur Windfahne hinauf.»Ware das Wetter nicht so verdammt launisch gewesen, lagen wir jetzt langst vor Anker.»
Vom Vorschiff glaste es sechsmal, und der Zahlmeister erschien mit einem Gehilfen, um die tagliche Mittagsration Rum auszugeben.
«Ich schlage vor, Sie schicken die Leute in die Messen, Val. Die Kombuse soll das warme Essen heute fruher ausgeben.»
Keen eilte davon und besprach sich mit Quantock; bald darauf schrillten die Pfeifen und riefen die Matrosen unter Deck, die grinsend verschwanden, erfreut uber die unerwartete Abwechslung.
Wieder griff Bolitho zum Fernrohr und suchte das andere Schiff. Eine der neueren Fregatten, stellte er fest, mit 44 Kanonen. Er konnte bereits ihren Rumpf ausmachen, wenn ihn einer der langen Atlantikroller anhob, ehe er wieder hinter einem Gischtvorhang ins Wellental sackte. Das Schiff flog ihnen formlich entgegen.
Die Wachganger rund um Bolitho unterhielten sich gedampft. Die Aussicht auf ein Seegefecht schien sie nicht weiter zu beunruhigen. Schlie?lich hatten sie schon einen spanischen Zweidecker besiegt und eine Insel erobert. Im Vergleich dazu mu?te mit einer franzosischen Fregatte leicht fertig zu werden sein.
Keen kehrte zuruck.»Vielleicht drehen sie ab, wenn sie unsere Nationalitat kennen, Sir.»
«Also gut. Hei?en Sie die Flagge.»
Aber als die rote Flagge an der Gaffel auswehte, wu?te Mount-steven nur zu berichten, da? die Fregatte ihrerseits die Trikolore gesetzt hatte.
Tyrrell erschien an Deck, noch auf einem Stuck Pokelfleisch kauend, schielte zur Besanstenge hinauf und fragte:»Glauben Sie, da? mich jemand da hinaufhieven konnte, Kapt'n?»
Keen hatte andere Sorgen und starrte ihn nur geistesabwesend an.»Im Bootsmannstuhl, meinen Sie?»
Tyrrell grinste Bolitho an.»Mir ist gerade ein Gedanke gekommen. Erinnern Sie sich an den 74er in Boston, der mit uns uber die Inseln verhandeln sollte? Das konnte er sein. Und wenn, dann wei? man an Bord wahrscheinlich noch nichts vom Krieg. «Sein Grinsen wurde noch breiter.»Was fur ein scheu?liches Pech, nicht wahr?»
Mountsteven war fur den Augenblick vergessen, deshalb fuhren sie zusammen, als seine Stimme herunterrief:»Ein drittes Schiff, Sir! Noch eine Fregatte, wurde ich sagen.»
«Jesus Christus!«stie? Keen leise hervor. Dann sagte er zum Bootsmann:»Helfen Sie Mr. Tyrrell bitte in den Besan.»
Viele Wachganger drehten sich um und beobachteten gespannt, wie Tyrrell ruckartig in den Besanmast gehievt wurde, wobei sein Holzbein laut gegen Spieren und Fallen stie?.
Gedampft sagte Keen:»Drei gegen eins, Sir. Eine gewaltige Ubermacht.»
Bolitho reichte das Fernrohr zuruck.»Schlagen Sie vor zu fliehen?»
Keen schuttelte den Kopf.»Ich fliehe vor keinem, Sir. Aber ich kann fur den Zustand des Schiffes nicht garantieren, wenn wir in ein Gefecht verwickelt werden.»
Wieder sah Bolitho die Silhouette der Fregatte sich verandern, als sie den Kurs wechselte und nun direkt auf sie zuhielt.
Leise sagte er:»Wir haben einen neuen Krieg vor uns, Val, nicht irgendeine kleine Meinungsverschiedenheit. Und England war noch nie so schlecht auf einen Krieg vorbereitet, weil unsere halbe Flotte au?er Dienst gestellt ist. Wenn unser Volk diesen langen, harten Konflikt ertragen soll, dann braucht es Siege — keine Offiziere, die sich umdrehen und weglaufen, nur weil sie vor einer Ubermacht stehen!»
Er sah Keen ins besorgte Gesicht.»Wir haben keine andere Wahl, Val. Die beiden Fregatten konnen uns hetzen und stellen wie die Meute den Hirsch. Damit bekame der 74er Zeit, zu uns aufzuschlie?en und uns den Garaus zu machen. Aber wenn wir schon verlieren sollen, dann lieber mit dem Gesicht zum Feind und nicht auf der Flucht!«Bolitho wandte sich um, weil Tyrrell vorsichtig wieder an Deck gesetzt wurde.
«Das kann einen Mann ja entzweischneiden«, schimpfte er. Dann sah er sie an und setzte hinzu:»Ich hatte recht, es ist dasselbe Linienschiff. Mu? nach dem Auslaufen aus Boston nach Suden gesegelt sein. Fahrt eine Konteradmiralsflagge im Besan.»
Bolitho nickte.»Dann ist es die Argonaute, ein Neubau der dritten Klasse. Und auch den Admiral kenne ich von fruher: Konteradmiral Jobert, einer der wenigen alten Royalisten, der den Terror uberlebt hat. Ein guter Offizier.»
Er wu?te, da? die Umstehenden die Ohren spitzten, um ihm zuzuhoren, auch wenn sie es sich nicht anmerken lie?en. Aber sie gierten nach jedem Hinweis auf das, was ihnen bevorstand.
Leichthin sagte er deshalb:»Ich gehe nach achtern und esse einen Happen, dann konnen wir das Schiff gefechtsklar machen.»
Wahrend er mit langen Schritten seiner Kajute zustrebte, war er sich bewu?t, da? seine beilaufige Bemerkung wie ein Lauffeuer durch die Messen gehen wurde: kein Grund zur Sorge, Kumpels, der Admiral fullt sich erst mal den Bauch.
Ohne ihn richtig wahrzunehmen, schritt er an dem Wachtposten vorbei, der die Tur aufri?, in seine Kajute und blieb erst an den Heckfenstern stehen. Als er sich hinausbeugte, konnte er gerade noch die oberen Segel der franzosischen Fregatte ausmachen. Also eine gute Stunde Frist. Vielleicht wurde ja gar nichts Dramatisches geschehen. Warum sollten sie auch kampfen — nur um zu sterben? Wer wurde ihm einen Vorwurf machen, wenn er sich von einer Ubermacht fernhielt, gegen die er keine Chance hatte?
Er legte eine Hand auf die Brust und fuhlte sein Herz hammern. Aus Angst? War es diesmal soweit? War das kommende das eine Gefecht zuviel? Wei? Gott, es war schon anderen, weitaus tapfereren Mannern vor ihm geschehen, da? sie die Nerven verloren.
Bolitho wischte sich das Gesicht mit dem Armel trocken und wandte sich blicklos wieder dem Raum zu.
Es war die Angst, etwas so Kostbares zu verlieren, da? er sich keinen Ersatz dafur vorstellen konnte. Er hatte sich zuviel erhofft, hatte zu sehr gebangt. Eine Schwache, die er sich nicht leisten durfte, wenn so viele Menschenleben von seiner Entscheidung abhingen. Was zahlte schon Hoffnung? Uberhaupt nichts, wenn erst die Breitseiten donnerten.
Ozzard trat mit einem Tablett in die Kajute.»Frisches Huhn, Sir.»