Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander (читать книги txt) 📗
Bolitho nickte.»Soweit ich wei?, ist Konteradmiral Jobert ein Ehrenmann. Ich kann mir nicht vorstellen, da? er untatig zusieht, wenn seine letzte Fregatte von einem Linienschiff attackiert wird. «Er vergewisserte sich uber den Stand der Sonne. Erst eine Stunde war vergangen, seit die Karronade das Schicksal der anderen Fregatte besiegelt hatte.
Dann fuhr er fort:»Wir haben einen Stuckmeister namens Crocker an Bord. Er fiel mir auf, als ich die Festung besuchte: ein furchterlicher Haudegen, aber ein Meister seines Fachs.»
Keen wu?te, wen er meinte.»Vom unteren Batteriedeck. Ich lasse ihn rufen, Sir.»
Crocker erschien auf dem Huttendeck und beschattete sein eines unverletztes Auge mit der Hand vor der Sonne, die ihn nach dem Zwielicht des unteren Batteriedecks zu storen schien. Er gru?te lassig und baute sich vor Bolitho auf, eine seltsam bizarre Gestalt zwischen den adretten Seesoldaten.
Bolitho sagte zu ihm:»Sie ubernehmen jetzt die beiden Heckkanonen, Crocker. Wir werden achteraus bald Gesellschaft bekommen. Wenn ich's sage, dann sollen Sie die Fregatte empfindlich genug treffen, um ihren Admiral auf den Plan zu rufen.»
Crocker legte den Kopf schief, damit sein gesundes Auge Bolitho mustern konnte.»Sir?«fragte er begriffsstutzig.
«Tu einfach, was man dir sagt, Crocker«, meinte Keen entnervt.»Der franzosische 74er wird zu uns aufschlie?en, wenn der Admiral an Bord sieht, was wir hier anstellen.»
«Ach so, verstehe, Sir.»
«Such dir die besten Kanoniere zusammen, Hauptsache, du entmastest mir diese Fregatte.»
Crocker grinste mit luckenhaftem Gebi?.»Und ich dachte schon, Sie wollten sich mit der Kleinen begnugen, Sir.»
Er hinkte davon, und Keen murmelte:»Wenn die Franzmanner bei uns langsseits gehen, wird sie Crockers Anblick zu Tode erschrek-ken.»
Bolitho lockerte sein Halstuch und warf einen Blick zum Himmel. Hoch uber den feindlichen Schiffen trieben Seevogel gleichgultig im Aufwind dahin wie Geier, die kaltblutig auf ihr gra?liches Mahl warteten.
Er dachte an Belinda, an die grunen Hange zu Fu?en von Pendennis Castle, von wo aus sie den vorbeiziehenden Schiffen nachsehen konnte.
Dann horte er Adam sagen:»Jetzt dauert es nicht mehr lange.»
Bolitho sah ihn an und fragte sich, ob Adam Angst hatte. Oder verbitterte es ihn, da? er vielleicht so jung schon sterben mu?te?
Dem Leutnant war der Blick nicht entgangen.»Keine Sorge, Sir«, sagte er,»ich bin bereit.»
Bolitho lachelte» Zweifellos. Komm, Adam, gehen wir ein bi?chen auf und ab, das vertreibt die Zeit.»
Die Scharfschutzen und die Kanoniere an den Drehbassen in den Marsen spahten hinunter aufs Achterdeck, wo der Vizeadmiral und sein junger Adjutant promenierten, mit ihren Schatten die nackten Rucken der Stuckmannschaften streifend.
Vielleicht zum hundertsten Male lie? Midshipman Ferrier sein Glas sinken; seine Augen brannten, so angestrengt hatte er nach dem ansegelnden 74er ausgespaht. Kaum zu glauben, da? er noch vor ganz kurzer Zeit an daheim gedacht hatte, an die Chance, die das Offiziersexamen ihm bot. Je naher diese hohe Segelpyramide mit ihrer Doppelreihe schwarzer Kanonenrohre kam, desto blasser wurden seine Hoffnungen. Inzwischen sorgte er sich am meisten um die Frage, ob er vor dem Kommenden bestehen oder versagen wurde.
Er sah Bolitho vorbeigehen, ins Gesprach mit seinem Neffen vertieft, der uber eine Bemerkung seines Onkels lachelte. Als Ferrier wieder das Fernglas hob, waren seine Angste zerstreut.
Im unteren Batteriedeck spahte Midshipman Owen Evans ins Halbdunkel, bis er Leutnant Hallowes ausgemacht hatte, der die 26 Kanonen befehligte; dann rannte er zu ihm mit der Nachricht des Kommandanten.
Hallowes horte den Kadetten an und antwortete nur lakonisch:»Hol mich der Teufel, Walter, aber wir greifen zuerst die Fregatte an.»
Sein Gehilfe, der Funfte Offizier, brach in Gelachter aus, als hatte Hallowes einen tollen Witz gemacht.
Evans verharrte kurz am Fu? der Niedergangsleiter und lie? den Blick uber die rot gestrichenen Bordwande schweifen, uber die schwei?nassen Oberkorper der Manner an den offenen Stuckpforten; alle trugen die Halstucher schutzend uber die Ohren gebunden, denn in diesem engen Raum konnte das Krachen der Vierundzwanzigpfun-der einen Menschen binnen Minuten taub machen.
Plotzlich gewahrte Evans, da? seine Hand auf dem holzernen Handlauf so unkontrolliert zitterte, als hatte sie einen eigenen Willen.
Foord, der Funfte Offizier, sah den Jungen zogernd am Niedergang stehen und blaffte:»Schlag da blo? keine Wurzeln, Kerl! Du wirst gleich Meldungen die Menge zum Austragen kriegen. «Foord hatte selbst als Midshipman auf Achates gedient und war erst neunzehn Jahre alt. Etwas leiser fugte er hinzu:»Was ist denn, Mr. Evans?»
Evans starrte zu ihm auf.»Nichts, Sir. «Aber in seinem Kopf gellte immer wieder der Satz: Ich werde fallen, ich werde fallen.
Seufzend sah Foord ihm nach, als er die Leiter hinaufhastete; dachte wahrscheinlich immer noch an Duncans Tod, der Junge.
Unter Foords Fu?en, im Orlopdeck, umkreiste der Chirurg Tuson langsam seinen Operationstisch und musterte die glitzernden Reihen der Sonden und Sagen, die bereitstehenden Eimer, den Lederriemen, der den Verwundeten zwischen die Zahne geschoben wurde. Und den gro?en Krug Rum, mit dessen Hilfe die Agonie ertraglicher gemacht werden sollte. Hinter dem Lichtkreis der langsam schwingenden Lampen warteten seine Gehilfen wie Harpyien, die Fauste unter den noch sauberen Schurzen verborgen.
Tuson ging in sein schmales Lazarett und starrte blicklos die Pritschen an, den Schrank mit Rum und Brandy. Er spurte, da? er die Fauste geballt hatte, da? sein Mund bei dem Gedanken an den ersten Schluck nach so langer Zeit ganz trocken wurde.
Da horte er Schritte und sah, da? Korporal Dobbs ihn an seinem aufgepflanzten Bajonett vorbei zweifelnd musterte. Der Schiffsprofos hatte Dobbs zum Gefangenenwarter bestimmt, aber jetzt wurde er als Marinesoldat auf seinem Posten an Deck gebraucht.
Auch Sir Humphrey Rivers stand an der Tur, den Kopf unter dem niedrigen Decksbalken gebeugt.
Unbehaglich meinte Dobbs:»Konnte einen so hohen Herrn wie ihn nicht gut in der Zelle lassen, Sir.»
Tuson nickte. Fur den Fall, da? das Schiff unter ihren Fu?en sank, erganzte er in Gedanken.
«Und ich kann ihn ja auch nicht zu den Welschen sperren, die wir nach dem Schiffbruch geborgen haben«, fuhr Dobbs fort.
Tuson sah Rivers an.»Wenn Sie hier bleiben, Sir Humphrey, finden Sie es vielleicht noch ungemutlicher.»
Rivers entgingen nicht die schwankenden Schatten, die wie Vorboten des Verhangnisses in allen Ecken und Winkeln lauerten.
«Immer noch besser, als allein zu sein. «Er nickte dem Arzt zu.»Danke, ich wei? Ihr Angebot zu schatzen.»
Erleichtert, weil er seiner Verantwortung ledig war, rannte der Korporal fast zur Niedergangsleiter.
Plotzlich begannen Flaschen und Kruge auf den Regalen zu klirren, als achtern ein Kanonenschu? krachte.
«Was machen die oben?«rief Tuson aus.
Rivers lachelte kalt.»Eine Heckkanone hat gefeuert.»
Tuson massierte sich die Finger.»Dann haben Sie Ihr altes Handwerk also noch nicht vergessen?»
Rivers hangte seinen reichbestickten Rock an einen Haken.»Das kann keiner so leicht vergessen.»
Tief unten im breiten Bauch des Schiffes, in seinem eigenen privaten Vorratslager, verschrankte der Steward Tom Ozzard die Arme vor der Brust und begann, wie im Schmerz vor und zuruck zu pendeln.
Im Schein der einzigen Petroleumlampe sah er rund um sich Bo-lithos Besitztumer gestapelt, hastig und nicht gerade schonend abgestellt, was Ozzard emporte. Tisch und Stuhle, alle beste Handwerksarbeit, der prachtvolle Weinkuhler, das Schreibpult und die Koje waren wie alles oberhalb des Orlopdecks abgeschlagen und nach unten gebracht worden, als das Schiff gefechtsklar machte. Auf beiden Batteriedecks war Achates jetzt vom Bug bis zum Heck offen und leer, damit die Stuckmannschaften unbehindert feuern, die Pulveraffchen mit neuen Kartuschen und Kugeln so schnell wie moglich aus dem Magazin rennen konnten.