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Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander (читать книги полностью без сокращений бесплатно txt) 📗

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Aber das war vor funfzehn Tagen gewesen. Inzwischen hatte es Verzogerungen gegeben, die Coutts und seinen Offizieren den Stempel der Ungeduld aufgedruckt hatten. Mehrmals war die Trojan zum Beidrehen gezwungen, wahrend die Spite unter vollen Segeln davonbrauste, um ein fremdes Schiff zu untersuchen, und dann muhselig zur Berichterstattung wieder zuruckkreuzen mu?te. Der Wind hatte auch verschiedentlich geschralt, wie Bunce vorausgesagt hatte. Im gro?en und ganzen war er ihnen jedoch gunstig gewesen.

Jetzt, da wieder ein Sonnenuntergang Dunkelheit uber das Schiff breitete, spurte Bolitho die wachsende Ungeduld, ja den Arger in Coutts raschen Bewegungen.

Wieder einmal war die Spite vorausgeschickt worden um festzustellen, ob die kleine Insel in der Tat diejenige war, die in den von Paget gefundenen Dokumenten beschrieben wurde. Falls dies zutraf, sollte Cunningham ein Boot an Land schicken und nach Moglichkeit die Starke des Feindes feststellen. Wenn er niemanden antraf, sollte er sofort zuruckkommen und berichten. In jedem Fall hatte er inzwischen zuruck sein mussen. Bei dem in den Tropen ublichen raschen Hereinbrechen der Dunkelheit war mit einer Kontaktaufnahme vor morgen fruh nicht mehr zu rechnen: wieder ein Tag verstrichen, weitere Ungewi?heit.

Bolitho stand stramm und beruhrte gru?end seinen Hut, als Pears mit lauten Schritten an ihm vorbeiging. Das Zuschlagen der Karten-raumtur war ein weiterer Beweis seiner schlechten Laune.

Bolitho wartete nun darauf, da? Coutts ihn ansprach.

«Ein langer Tag, Bolitho.»

«Aye, Sir. «Bolitho blickte ihn an und versuchte, des Admirals Gefuhle zu ergrunden.»Das Barometer steht gleichma?ig hoch, wir sollten diesen Kurs die Nacht uber beibehalten konnen.»

Coutts hatte gar nicht hingehort. Er stutzte sich auf die Reling und starrte hinunter zur Backbordbatterie von Achtzehnpfundern. Er trug keinen Hut, und der Wind blies ihm das Haar in die Stirn, was ihn noch jugendlicher erscheinen lie?.

Dann fragte er leise:»Sind Sie wie die anderen, Bolitho? Halten auch Sie mich fur verruckt, weil ich dieses Unternehmen mit aller Gewalt zu Ende fuhren will, obwohl es auf nichts weiter fu?t als auf einem gekritzelten Zettel?»

«Ich bin nur ein Leutnant, Sir. Ich wu?te gar nicht, da? Zweifel daran bestehen.»

Coutts lachte bitter.»Zweifel? Mein Gott, Mann, ganze Berge davon!»

Bolitho wartete. Er fuhlte des Admirals Ungeduld, seine Enttauschung.

Coutts fuhr fort:»Wenn Sie den Rang eines Flaggoffiziers erreichen, glauben Sie, die Welt gehort Ihnen. Aber das stimmt nur zum Teil. Ich war Kommandant einer Fregatte, und kein schlechter.»

«Ich wei?, Sir.»

«Danke. «Coutts schien uberrascht.»Die meisten Leute, die einen Admiral sehen, scheinen zu denken, er sei nie etwas anderes gewesen — kein Seemann, kein Leutnant. «Vage zeigte er auf das Gewirr von Wanten und Spieren uber ihnen.»Aber ich halte diese Information fur wertvoll, sonst wurde ich nicht meine Schiffe und meinen Ruf aufs Spiel setzen. Es kummert mich nicht, was ein weichlicher Regierungsbeamter von mir denkt. Ich mochte, da? dieser Krieg rasch beendet wird, mit mehr Trumpfen auf unserer Seite als auf der des Feindes. «Er sprach schnell, seine Hande unterstrichen mit knappen Bewegungen seine Worte, seine Befurchtungen.»Jeder verstrichene Tag bringt uns mehr Feinde, dem Gegner mehr Schiffe, mehr Waffen. Wir haben keine Geschwader mehr ubrig, aber die Aktivitat des Feindes ist so gro?, da? wir jede seiner Bewegungen uberwachen und abdecken mussen. Kein Handelsschiff ist ohne Geleitschutz mehr sicher. Wir sind sogar gezwungen, Kriegsschiffe in die Davis Strait hinaufzuschicken, um unseren Walfang zu schutzen! Dies ist keine Zeit fur Furchtsame oder Zauderer, die darauf warten, da? der Feind zuerst handelt.»

Seine knappe, eindringliche Art zu sprechen, seine Gedanken mitzuteilen, war etwas Neues fur Bolitho. Es kam ihm vor, als offne sich seine enge Welt weit uber den Rumpf des Schiffes hinaus und weiter in alle Seegebiete, wo Britanniens Autoritat herausgefordert wurde.

«Ich habe mich gefragt, Sir…«Bolitho zogerte und fuhr dann fort:»Warum Sie das nicht von Antigua aus erledigen lie?en. Wir sind die vierfache Entfernung gesegelt, die ein Patrouillenschiff von dort bis zur Insel zu bewaltigen gehabt hatte.»

Coutts betrachtete ihn forschend und zunachst schweigend; sein eigenes Gesicht lag im Schatten, als suche er in Bolithos Frage nach Spuren von Kritik.

Dann sagte er:»Ich hatte die Spite zum Admiral nach Antigua schicken konnen, das ware zweifellos schneller gegangen. «Er wandte sich ab.»Aber hatten sie dort etwas unternommen? Kaum. New York und die Bedrohung durch Washingtons Armeen sche inen von der Karibik aus unendlich weit entfernt zu sein. Nur vom Oberbefehlshaber hatte diese Anforderung kommen konnen, und da Sir George Helpman ihm uber die Schulter sieht, zweifle ich, da? er mehr getan hatte, als einen Bericht an die Admiralitat nach London zu schicken.»

Bolitho verstand. Eine siegreiche Seeschlacht war etwas anderes als der zahe Kleinkrieg hinter den Kulissen.

Coutts hatte Beweise in Handen, aber sie genugten nicht. Zu viele Leute waren gefallen, und jetzt, nach Probyns Gefangennahme und dem Verlust der Prise wurde im fernen London moglicherwe i-se sogar die Zerstorung von Fort Exeter als unbedeutend angesehen. Mit der Genehmigung eines weiteren risikoreichen Unternehmens war kaum zu rechnen.

Andererseits konnte ein rascher, entschlossener Angriff auf eine Nachschubbasis direkt vor der Nase der Franzosen, die ihre Neutralitat wie eine falsche Flagge zur Schau stellten, das Gleichgewicht wiederherstellen; besonders dann, wenn er erfolgreich beendet war, bevor ihn irgend jemand verbieten konnte.

Coutts schien seine Gedanken zu lesen.»Merken Sie sich eins, Bolitho. Wenn Sie einen hohen Rang erreicht haben, fragen Sie nie oben nach, was Sie tun sollen. Die hoheren Geister bei der Admiralitat neigen stets viel eher dazu, nein zu sagen, als ein Risiko einzugehen, das ihre wohlgeordnete Existenz gefahrden konnte. Selbst wenn Sie Ihre Karriere, ja Ihr Leben aufs Spiel setzen, handeln Sie immer so, wie Sie es fur richtig halten, und wie es fur Ihr Land am besten ist. Wer nur handelt, um seinem Vorgesetzten zu gefallen, dessen Leben ist eine Luge.»

Pears trat, kaum sichtbar in dem schwindenden Licht, auf sie zu und sagte schroff:»In einer Stunde konnen wir Segel kurzen, Mr. Bolitho, aber ich werde nicht beidrehen, dafur ist die Stromung hier zu stark. «Er blickte den Admiral an und fugte hinzu:»Wir mussen auch fur die zuruckkehrende Spite auf Position sein.»

Coutts nahm Pears Arm und fuhrte ihn weg, aber nicht weit genug, als da? Bolitho den Arger in seiner Stimme hatte uberhoren konnen, als er sagte:»Mein Gott, Sie treiben es zu arg, Kapitan! Ich nehme von Ihnen keine Anma?ung hin, weder von Ihnen noch von jemand anderem, horen Sie?»

Pears knurrte etwas Unverstandliches.

Bolitho sah Couzens, dessen Gesicht im Schein der Kompa?beleuchtung aufgluhte, als er seine Eintragungen auf der Schiefertafel des Steuermannsmaaten machte. Er schien etwas zu symbolisieren: Jugend, Unschuld, Unwissenheit, je nachdem, wie man es ansah. Sie trieben alle auf etwas zu, das moglicherweise in einer Katastrophe enden wurde. Coutts Gier nach einem Sieg wurde sie vielleicht schon bald nach Strohhalmen greifen lassen. Pears Mi?trauen seinem Vorgesetzten gegenuber konnte ebenso ihnen allen gelten.

Bolitho fuhlte sich zwischen den beiden hin und her gerissen. Er bewunderte Coutts mehr, als er sich eingestehen wollte, konnte aber auch Pears Vorsicht verstehen. Pears stand auf dem Gipfel seiner Karriere, wahrend der Admiral sich selbst in einer weitaus gro?eren Rolle sah, und zwar schon in nachster Zukunft.

Er horte Cairns auf dem oberen Batteriedeck mit Tolcher, dem Bootsmann, sprechen.

Die Routine des nachsten Tages wurde festgelegt, die niemals ins Stocken geraten durfte, weder im Krieg noch im Frieden, und wer auch in herrischem Schweigen auf dem Achterdeck auf und ab spazieren mochte. Das Schiff kam zuerst, morgen und an jedem weiteren Tag. Anstreichen, einen Mann auspeitschen, einen anderen befordern, Tauwerk und Spieren uberholen, es horte niemals auf, nie gab es ein Ende.

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