Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander (читать книги полностью без сокращений бесплатно txt) 📗
XII Rivalen
Am Tage nach dem Setzen der Admiralsflagge auf der Trojan und Konteradmiral Coutts Anbordgehen schritt Bolitho auf dem Achterdeck auf und ab, warf gelegentlich ein Auge auf die Vormittagswache und geno? im ubrigen die frische Nordwestbrise. Wahrend der Nacht waren die Resolute und die Fregatte Vanquisher achteraus verschwunden und kreuzten nun nach New York zuruck, was der Wind ihnen nicht gerade leicht machte.
Fur die Trojan sahen die Dinge anders aus, als habe Coutts unerwartete Ankunft zugleich eine Anderung der Verhaltnisse bewirkt. Sie mu? einen prachtigen Anblick abgeben, dachte Bolitho, wahrend er, geschickt die Bewegungen des Schiffes ausnutzend, fast schwerelos in Luv des Decks auf und ab ging. Sie hatte ihre Schonwettersegel gesetzt und fuhr Vollzeug, von Zeit zu Zeit warf ihr Bug aus dem azurblauen Wasser Gischtschleier bis weit uber den Wellenbrecher hoch.
Der Kompa? zeigte stetig nach Sudsudost. Dieser Kurs fuhrte den stattlichen Zweidecker mit sicherem Abstand von Land hinunter zu der langen Inselkette, die den Atlantik vom Karibischen Meer trennt.
Der Wind hielt die Hitze fern und gestattete es den weniger schwer Verwundeten, sich an Deck aufzuhalten, was wesentlich zu ihrer Genesung beitrug. Die Schwerverwundeten waren auf das Flaggschiff transportiert worden, jedoch wurde wohl mancher von ihnen das Land nie wiedersehen.
Von den Gefangenen war nur einer an Bord geblieben, der Franzose Contenay. Er machte regelma?ige Spaziergange an Deck, ohne jede Bewachung, und schien sich auf einem Schiff des Konigs ganz zu Hause zu fuhlen.
Bolitho wu?te noch immer wenig uber seinen eigenen Kommandanten. Die Freundlichkeit der Begru?ung an Bord war wieder Pears strenger und unnahbarer Haltung gewichen. Bolitho hatte den Eindruck, da? des Admirals Anwesenheit erheblich dazu beitrug.
Coutts war morgens an Deck erschienen. Jugendlich, entspannt und anscheinend interessiert an allem, war er vom Achterdeck uber die Luvtreppe hinabgestiegen und hatte den mit blo?em Oberkorper arbeitenden Seeleuten, dem Zimmermann und dem Segelmacher zugesehen und schlie?lich dem Kufer, der wie ublich das Deck eines Kriegsschiffes in eine Art Ladenstra?e verwandelte.
Er hatte mit den Offizieren und einigen der dienstalteren Leute gesprochen, den Master durch seine Kenntnis der Arktis beeindruckt und Midshipman Forbes durch ein paar wohlgezielte Fragen zu einem errotenden Stotterer gemacht.
Wenn Coutts beunruhigt war uber die zweifelhafte Aussicht, ein weiteres Nachschubdepot des Feindes zu zerstoren, oder uber die Kommentare des Oberbefehlshabers zu seinem eigenmachtigen Handeln, so zeigte er das nicht im geringsten. Seine Plane behielt er fur sich, denn nur Ackerman, sein weltgewandter Flaggleutnant — es war der Offizier, den Bolitho damals bei dem Fest mit der halbnackten Frau in einer Kammer gesehen hatte — , und sein Privatsekretar besa?en sein Vertrauen.
Bolitho war klar, da? dies Pears uber alle Ma?en kranken mu?te.
Er horte Schritte an Deck; Cairns trat zu ihm an die Reling. Mit einem Blick umfa?te sein geschultes Auge die arbeitenden Gruppen an Deck und den Stand jedes einzelnen Segels.
Zu Bolitho sagte er:»Der Admiral ist bei unserem Captain, es gibt wohl dicke Luft. «Er wandte sich um und blickte bedeutungsvoll zum Kajutsoberlicht.»Ich war froh, die hohen Herren alleinlassen zu konnen.»
«Noch keine Neuigkeiten?»
«Nicht viele. Wie d'Esterre beim Pokern spielt der Admiral eine harte Hand. Er wird aufsteigen wie ein Komet, oder — «, er zeigte mit dem Daumen nach unten,»- fallen wie eine Sternschnuppe.»
Seit Coutts an Bord war, tauschte Cairns haufiger seine Gedanken mit dem Zweiten Offizier aus.
Langsam fugte er jetzt hinzu:»Unser Kommandant wollte wissen, warum die Trojan und nicht das Flaggschiff fur diese Aufgabe ausgewahlt wurde. «Er lachelte grimmig.»Der Admiral erklarte ihm eiskalt und seelenruhig, da? die Trojan das schnellere Schiff sei, und da? die Besatzung fur ihre Tapferkeit eine Belohnung verdient hatte.»
Bolitho nickte.»Das glaube ich. Die Resolute ist schon viel langer hier drau?en und hatte kaum eine vernunftige Uberholung. Sie mu? bewachsen sein wie eine Wiese.»
Cairns musterte ihn bewundernd.»Wir werden doch noch einen Politiker aus Ihnen machen. «Bolithos Verwirrung mit einer Handbewegung beiseite fegend, fuhr er fort:»Sie begreifen das doppelsinnige Kompliment? Coutts schmiert Pears Honig um den Bart mit Worten wie „Belohnung" und „besseres Schiff, um ihm im nachsten Augenblick beizubringen, da? sein eigenes Flaggschiff es eher verdient hatte.»
Bolitho schurzte die Lippen.»Das ist clever.»
«Schelme mu? man erkennen, Dick.»
«Aber was ist dann der wahre Grund?»
Cairns runzelte die Stirn.»Ich vermute, er mochte das Flaggschiff auf der zustandigen Station haben. Aus demselben Grund hat er wohl auch die Vanquisher zuruckgeschickt, weil er wei?, da? sie dringend im Geleitdienst benotigt wird, jetzt, da die Zahl der Kaperschiffe standig zunimmt. Das alles ware sinnvoll.»
Cairns senkte die Stimme, als Sambell, Steuermannsmaat der Wache, betont gleichgultig vorbeischlenderte.
«Er wird diesen Plan auch ausfuhren, die Belohnung einstecken oder die Fehler so gut wie moglich vertuschen. Unserem Kommandanten mochte er den Angriff nicht allein uberlassen, traut es ihm wohl auch nicht zu. Au?erdem braucht er einen Sundenbock fur den Fall, da? alles schiefgeht, womoglich in einer Katastrophe endet; und das sollte nicht gerade sein eigener Flaggschiffkommandant sein. «Cairns beobachtete Bolithos Gesicht.»Ich sehe, Sie haben begriffen.»
«Solche Winkelzuge werde ich niemals verstehen.»
Cairns zwinkerte.»Eines Tages werden Sie sie sogar anderen beibringen.»
Weitere Schritte erklangen auf dem von der Sonne ausgedorrten Deck. Bolitho sah Pears und den Master aus dem Kartenraum kommen, letzterer trug die Ledertasche, in der er normalerweise seine Navigationsinstrumente aufbewahrte.
Bunce sah aus wie immer. Er blickte kurz auf den Kompa?, prufte die Windrichtung und musterte die beiden Ruderganger, wobei seine lebhaften dunklen Augen unter den buschigen Brauen hervorblitzten.
Pears dagegen schien mude und ubellaunig, als warte er ungeduldig darauf, die ungeliebte Aufgabe, die man ihm zumutete, anpak-ken und beenden zu konnen.
«Bald werden wir wissen, wo diese verdammte Insel liegt, Dick. «Cairns lockerte seufzend sein Halstuch.»Hoffentlich ist sie kein zweites Fort Exeter.»
Bolitho blickte ihm nach, als Cairns seinen taglichen Rundgang durchs Schiff fortsetzte, und uberlegte, ob dieser wohl noch immer nach einer Gelegenheit suchte, von der Trojan wegzukommen, um ein eigenes Schiff zu ubernehmen.
Soweit hatten die Offiziere der Trojan kein Gluck gehabt, sobald sie ihren Schutz verlie?en. Sparke war gefallen, Probyn gefangen, nur er selbst war jedesmal zuruckgekehrt wie der verlorene Sohn.
Dann sah er Quinn, ohne Rock und mit durchgeschwitztem Hemd, das ihm am Rucken klebte, zwischen dem Segelmacher und seinen Maaten einhergehen. Sein Gesicht war noch immer bla? und sah weit alter aus. Die Folgen des furchterlichen Sabelhiebes uber die Brust machten ihm noch zu schaffen, man sah es an seiner Haltung, seinem Gang, seinem verkniffenen Mund. Auch plagte ihn wohl standig die Erinnerung an sein Versagen im Fort und an seinen selbstmorderischen Einsatz am Geschutz, ausgelost durch Rowhursts offen zur Schau getragene Verachtung.
Fahnrich Weston rief plotzlich:»Die Spite signalisiert, Sir!»
Bolitho nahm das Glas aus der Halterung und stieg rasch in die Luvwanten. Es dauerte eine Weile, bis er die kleine Korvette gefinden hatte, ihren einzigen Begleiter bei diesem „Abenteuer", wie Cairns es bezeichnete. Jetzt hatte er die hellen Bramsegel der Spite erfa?t und entdeckte auch die leuchtenden Signalflaggen, die von der Rah wehten.