Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander (прочитать книгу .TXT) 📗
«Dort vorn, Mr. Fowlar!«brullte Bolitho.»Feuern Sie so schnell wie moglich!«Denn mindestens ein Dutzend Kanus rundeten die grune, hugelige Landzunge, facherformig ausschwarmend und voll johlender, brullender Neger. Nach dem ersten Schu? zogerten sie, aber nur kurz. Dann schossen sie weiter durch die Dunung heran, durch die ihre Steven wie Messer schnitten.
Kopflos rissen die Matrosen an den Riemen, einige wimmernd vor Angst, andere wollten aufspringen; nur ein paar griffen nach den ins Boot gefallenen Steinen, um sich zu verteidigen.
«Das ist die letzte Kugel, Sir!«brullte Fowlar. Ein schwerer Stein, offenbar von einer Schleuder aus einem der beiden Kanus achtern, prallte vom Dollbord ab und ri? ihm den Handrucken auf. Er fluchte lasterlich.
Das vorderste Kanu der Flottille war inzwischen unter ohrenbetaubendem Getrommel und Kriegsgeschrei ganz nahe herangekommen.
Bolitho zog den Degen und blickte seine angstgelahmten Matrosen an.»Los, Jungs! Nahkampf!»
Aber daraus wurde nichts. Wieder ging ein Steinhagel auf das Boot nieder; ein Mann wurde so schwer getroffen, da? er uber Bord sturzte. Der letzte Scharfschutze feuerte und traf zwei Wilde mit einer Kugel. Das Kanu fiel ab; der ins Wasser gesturzte Matrose trieb dicht daran vorbei und wurde an Bord gezerrt. Sie stellten ihn auf die Fu?e, mit dem Gesicht zum Langboot, hielten ihm die Arme fest. Er schrie mit weit offenem Mund, aber die Schreie gingen im wilden Gebrull seiner Bezwinger unter. Plotzlich, Bolitho wurde es fast schlecht bei dem Anblick, hob der Anfuhrer ein Messer hoch uber seinen Kopf; die Augen des Gefangenen folgten der blitzenden Klinge wie hypnotisiert, der schreiend aufgerissene Mund war ein schwarzes Loch in dem kalkwei?en Gesicht. Sehr langsam senkte sich das Messer, dann spritzte leuchtendrotes Blut. Schrecken und Abscheu drehten den zuschauenden Matrosen fast den Magen um.
«Jesus Christus!«sagte Allday gepre?t.»Sie ziehen ihm bei lebendigem Leibe die Haut ab!»
Bolitho packte den Scharfschutzen bei der Schulter; der zuckte zusammen, als sturbe er mit dem Mann im Kanu.
«Tu dein Bestes!«Bolitho hatte Muhe, die Worte herauszubringen. Der Mann druben lebte immer noch, wand sich wie eine arme Seele in Hollenqualen, wahrend das Messer sein Werk verrichtete.
Ein Knall, und der Musketenkolbe n schlug im Rucksto? gegen die Schulter des Schutzen. Bolitho wandte sich ab.
Gedampft sagte Soames:»Das war die einzige Moglichkeit, Sir. Ich wurde keinen Hund so leiden lassen.»
«Die Brigantine nimmt Fahrt auf, Sir!«rief Fowlar. Ohne da? jemand darauf geachtet hatte, war das Sklavenschiff ins freie Wasser gelangt. Sie hatten die schleppenden Boote eingeholt, die Vorsegel gesetzt, und segelten sich nun frei von Land.
Die Kanus bildeten zwei Sto?keile; unter wildem Trommelwirbel setzten die Schwarzen zum letzten Angriff an. Bolitho hob seinen Degen zum dunstigen Himmel.
«Pullt, Leute! Wir kampfen bis zum Letzten!«Leere Worte — aber es war immer noch besser zu kampfen, als sich schweigend und ohne einen Finger zu ruhren, uberwaltigen, martern und abschlachten zu lassen.
«Da sind sie«, flusterte Allday. Er klemmte die Ruderpinne zwischen die Knie und zog das Entermesser.»Bleiben Sie dicht bei mir, Captain! Wir werden's den Hunden schon zeigen!»
Bolitho blickte ihn an. Die Schwarzen waren ihnen an Zahl zehnfach uberlegen, und der Kampfeswille seiner ubermudeten Leute war schon jetzt gebrochen.»Das werden wir, Allday. «Er legte ihm die Hand auf den muskulosen Unterarm.»Und — danke!»
Ein ohrenbetaubender Aufschrei ri? ihn herum, so da? das Boot gefahrlich schwankte. Da erblickte er geschwellte Gro?-und Vorsegel, eine Gallionsfigur, die wie pures Gold im milchigen Sonnenglast schimmerte — die Undine rundete die
Landspitze. Ihre Steuerbordbatterie drohte wie mit einer Reihe scharfer schwarzer Zahne.
«Hinsetzen! Sonst kentern wir!«brullte Soames. Und Fowlar rief:»Sie geht uber Stag, Sir! Um Gottes willen, sie halt auf die Untiefe zu!»
Bolitho verschlug es den Atem, als die elegante Silhouette der Undine sich verkurzte, die Segel ganz kurz killten, bis die Rahen wieder richtig gebra?t waren. Wenn sie jetzt auflief, ging es ihr wie der Nervion und noch schlimmer, denn die Uberlebenden wurden den Wilden in die Hande fallen.
Aber die Undine zogerte nicht; schon erkannte er die blutroten Uniformen der Seesoldaten an den Achterdecknetzen und meinte, neben dem Rad Herrick und Mudge ausmachen zu konnen, als die Fregatte so stark krangte, da? die See fast in die Stuckpforten wusch.
«Hurra, Jungs, hurra!«brullte Keen unter Freudentranen. Er schwenkte sein Hemd uberm Kopf, die immer noch drohende Gefahr schon vergessend.
Auch die Brigantine hatte inzwischen gewendet und segelte sich frei von dem dunklen Schatten, der unter der glitzernden Wasserflache lauerte, schuttelte die Reffs aus, um sich vom Wind nach Suden tragen zu lassen.
Unglaubig rief Fowlar:»Sie verfolgt das Sklavenschiff! Die mussen verruckt geworden sein!»
Bolitho sagte nichts. Er sah nur sein Schiff, und das reichte ihm. Er wu?te genau, was Herrick dachte; sein Plan war ihm so klar, als hatten sie ihn abgesprochen: Herrick konnte nicht alle Kanus gleichzeitig angreifen, um Bolitho und seine kleine Schar zu retten. Also wollte er die Brigantine stellen und so die Kriegskanus auf die einzige ihm mogliche Weise ablenken.
Noch wahrend sich Bolitho das klarmachte, eroffnete die Undine das Feuer. Es war eine langsame, sorgfaltig gezielte Breitseite; in regelma?igen Intervallen spuckten die Rohre Flammen und Rauch, wahrend die Fregatte immer tiefer zwischen die Grundseen geriet.
Jemand stie? ein heiseres Hurra aus, als der Vormast der Brigantine erzitterte und mit dem ganzen Gewirr der Takelage uber Bord kippte. Die Wirkung zeigte sich augenblicklich: in Sekundenschnelle kam sie aus dem Wind und bot in voller Breite ihren Rumpf einer zweiten Salve dar. Eine Zwolfpfunderkugel schlug neben dem Heck in die See und zerplatzte — so dicht lag das Riff unter der Wasseroberflache.
«Sie ist aufgelaufen!»
Alles rief und schrie druben wie verruckt durcheinander. Manner umarmten sich und schluchzten, weil sie ihr Gluck nicht zu fassen vermochten. Bolitho konnte den Blick nur mit Muhe von der Brigantine lassen, die auf einem Riff oder einer Sandbank querschlug, wahrend die chaotische Takelage sie noch weiter landeinwarts druckte.
Bolitho hielt den Atem an, als die Undine hastig Segel kurzte; ameisengleich krabbelten winzige Gestalten auf den Rahen, und als das Schiff uber Stag ging, blitzte der Kupferbeschlag kurz auf. Eine halbe Kabellange weiter, und die Fregatte hatte festgesessen.
Allday rief:»Sie hat beigedreht, Captain. Ein Boot wird ausgesetzt!»
Bolitho nickte nur, sprechen konnte er nicht.
Wild paddelten die Kanus zu der hilflosen Brigantine hinuber; weitere Boote rundeten die Landspitze, hielten sich aber vorsichtig au?er Reichweite der ausgefahrenen Kanonen der Undine. Die gro?e Pinasse der Fregatte kam in voller Fahrt durch die kabbelige See heran. Als eins der Kanus sich ihr zuwandte, genugte ein Schu? aus der Drehbasse, um die kreischenden Eingeborenen in die Flucht zu jagen.
Davy stand sehr aufrecht, sehr elegant im Heck. Selbst seine Rudergasten sahen im Vergleich zu den zerlumpten, hurrabrullenden Uberlebenden von Bolithos Landungskommando wie Ubermenschen aus.
Das erbeutete Langboot sank bereits. Wurfsteine hatten seine Au?enhaut eingedruckt; Bolitho hatte sich keine halbe Stunde mehr halten konnen, ganz abgesehen von dem zweiten Kanugeschwader.
Als die Pinasse langsseits kam und hilfreiche Hande die keuchenden Manner an Bord zogen, drehte sich Bolitho noch einmal um und sah zu der schon mit starker Schlagseite liegenden Brigantine hinuber. Selbst auf diese Entfernung waren Musketenschusse zu horen und das abgehackte Kriegsgeschrei aus den Kanus, die sich zum Angriff formierten: die Sklavenfanger wurden ein furchtbares Ende nehmen.