Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander (читать книги полностью без сокращений бесплатно txt) 📗
Fu?e rutschten den Abhang hinab. Bolitho fuhr herum und sah Moffitt, gefolgt von einem Marineinfanteristen, stolpernd und strauchelnd auf ihn zusturzen.
«Was ist los, Moffitt?«Die Angst starrte dem Mann aus dem Gesicht.»Sir!«Er bekam die Worte kaum heraus.»Wir haben versucht, Mr. Sparke ein Zeichen zu geben, aber er hat uns nicht gesehen. «Er gestikulierte wild.»Diese Teufel haben eine Zundschnur angesteckt, ich kann den Rauch sehen! Sie wollen die Brigantine in die Luft sprengen, mussen uns erwartet haben!»
Libby blickte voll Entsetzen hinuber.»Klar bei Riemen! Wir fahren zuruck!»
Bolitho rannte ins Wasser, um ihn zuruckzuhalten, aber wahrend er noch sprach, schienen Himmel und Erde in einer einzigen, ungeheuren Detonation auseinanderzubersten.
Die Leute im Boot duckten sich und hielten den Atem an, wahrend rings um sie Bruchstucke von Planken und Takelage herunterprasselten und sich die Wasserflache mit gro?en und kleinen Geysiren schmuckte. Dann kam der gewaltige Rauchpilz, der die ganze Bucht fullte, bis das Sonnenlicht vollig verdunkelt war.
Bolitho tastete sich zum Dory; seine Ohren, sein ganzer Kopf drohnten von dem betaubenden Larm der Detonation.
Marineinfanteristen stolperten den Hang hinab und warteten, bis Libbys Leute sich so weit gefangen hatten, da? sie imstande waren, das Boot zu der kleinen Bucht zu rudern.
Aber alles, was Bolitho sehen konnte, war Sparkes Gesicht, als er seinen letzten Plan erklart hatte. Auch er hatte eine Art von Tapferkeit besessen. Aber ihn hatte sie nicht erhalten.
Bolitho nahm sich zusammen, als d'Esterre und sein Feldwebel mit zwei Schutzen auf ihn zukamen. Er meinte Sparkes scharfe Stimme an Bord des Schoners zu horen, als der Schock nach dem Kampf sie zu lahmen begonnen hatte: «Sie blicken auf uns, also wollen wir unser Mitleid fur spater aufheben.»
Es hatte seine Grabinschrift sein konnen.
Bolitho sagte heiser:»Die Soldaten sollen so rasch wie moglich ubersetzen. «Dann wandte er sich von dem beizenden Gestank nach brennendem Holz und Teer ab.»Wir lichten sofort Anker.»
D'Esterre betrachtete ihn seltsam.»Ein paar Minuten spater, und es hatte Libbys Boot sein konnen. Oder deines!»
Bolitho begegnete seinem Blick:»Wir werden wahrscheinlich nicht viel Zeit haben; also wollen wir uns beeilen, ja?»
D'Esterre beobachtete, wie die letzte Gruppe seiner Soldaten antrat, um auf die Ruckkehr des Bootes zu warten. Er sah Bolitho und Stockdale aus dem Dory an Bord der Faithful klettern, sah, wie
Frowd uber das Deck zu ihnen hinlief.
D'Esterre war schon in zu vielen Gefechten der verschiedensten Art gewesen, um langere Zeit von dem Geschehen beeindruckt zu sein. Aber diesmal war es anders. Er dachte an Bolithos Gesicht unter dem dunklen Haar, als er seine ganze Kraft zusammennahm, um seine Gefuhle zu verbergen.
An Dienstjahren mochte Bolitho junger sein, aber d'Esterre hatte in diesem Augenblick gefuhlt, da? er seinem neuen Vorgesetzten gegenuberstand.
VI Eines Leutnants Pflichten
Neil Cairns blickte von seinem kleinen Klapptisch auf, als jemand an die Tur seiner Kammer klopfte.»Herein!»
Bolitho trat ein, den Hut unterm Arm, das Gesicht von Mudigkeit gezeichnet.
Cairns wies auf den einzigen anderen Stuhl im Raum.»Nehmen Sie die Bucher herunter und setzen Sie sich, Mann!«Er tastete zwischen Papierstapeln, Listen und gekritzelten Notizen herum und fugte hinzu:»Hier sollten eigentlich ein paar Glaser stehen. Sie sehen aus, als mu?ten Sie sofort etwas trinken. Ich brauche auf jeden Fall einen Schluck. Sollte Ihnen jemand mal den Posten eines Ersten Offiziers anbieten, so jagen Sie ihn zum Teufel!»
Bolitho setzte sich und lockerte sein Halstuch. Nach dem stundenlangen Marsch kreuz und quer durch New York und der endlosen Bootsfahrt durch den Hafen fuhlte er sich verschwitzt und erschopft und geno? die Andeutung einer kuhlen Brise in der Kammer. Er war an Land geschickt worden, um neue Leute aufzutreiben, als Ersatz fur die auf der Faithful Gefallenen und Verwundeten, sowie fur Sparkes Leute, die mit der Brigantine in die Luft geflogen waren. Das alles schien ihm jetzt wie ein verschwommener, boser Traum. Es war erst drei Monate her, doch schon konnte er sich kaum noch an die richtige Reihenfolge der Ereignisse erinnern. Auch das Wetter machte das Ganze so verworren. Damals war es kalt und sturmisch gewesen, die See rauh bis zum Aufkommen des Nebels, der wie durch ein Wunder rechtzeitig erschienen war. Jetzt herrschte druckende Hitze, die Sonne brannte erbarmungslos, und von Wind keine Spur. Der Rumpf der Trojan knarrte vor Trockenheit, das Pech in den Decksnahten glanzte feucht, klebte an den Schuhsohlen und an den nackten Fu?en der Seeleute.
Cairns betrachtete Bolitho nachdenklich und stellte fest, da? er sich erheblich verandert hatte. Er war mit den beiden Prisen als ein anderer Mann nach New York zuruckgekehrt. Irgendwie schien er reifer, und ihm fehlte der jugendliche Optimismus, der ihn fruher ausgezeichnet hatte.
Die Ereignisse, die ihn so verandert hatten, vor allem Sparkes schrecklicher Tod, waren selbst am Kommandanten nicht spurlos vorubergegangen.
Cairns fand die Glaser und sagte:»Rotwein, Dick, und warm, aber besser als nichts. Ich habe ihn bei einem Handler an Land gekauft.»
Bolitho neigte den Kopf, die Locke klebte an seiner Stirn und verbarg die schreckliche Narbe. Trotz des Dienstes in diesen Gewassern war er bla?, und das Grau seiner Augen wirkte wie der Winter, den sie gerade hinter sich gebracht hatten.
Bolitho merkte, da? er beobachtet wurde, aber das war er schon gewohnt. Wenn er sich verandert hatte, so auch seine Umgebung mit ihm. Durch Sparkes Tod waren die Offiziere eine Sprosse der Beforderungsleiter hohergestiegen. Bolitho war jetzt Dritter Offizier, und der am unteren Ende freigewordene Posten war von Libby besetzt worden. Dieser war also jetzt Sechster Offizier der Trojan, unter dem Vorbehalt, da? er spater sein Examen bestand. Der Altersunterschied zwischen dem Kommandanten und seinen Offizieren war jetzt erheblich. Bolitho wurde im Oktober erst einundzwanzig, die anderen waren noch junger, Libby sogar erst siebzehn.
Dies war ein allgemein geubtes System an Bord der gro?eren Schiffe, aber Bolitho fand wenig Trost in seiner Beforderung; allerdings hielten die neuen Aufgaben ihn standig in Atem und drangten somit die bosen Erinnerungen in den Hintergrund.
Cairns sagte unvermittelt:»Der Captain mochte, da? Sie ihn heute abend auf das Flaggschiff begleiten. Der Admiral halt Hof. Es wird erwartet, da? die Kommandanten ein oder zwei Adjutanten mitbringen. «Er schenkte nach, sein Gesicht blieb unbeteiligt.»Ich habe zu arbeiten, mu? die verdammten Proviantlisten fertigmachen.
Au?erdem liegt mir nicht viel an leerem Geschwatz, besonders jetzt, da die ganze Welt auseinanderbricht.»
Er au?erte das so bitter, da? Bolitho unwillkurlich fragte:»Bedruckt Sie etwas Besonderes?»
Cairns zeigte sein seltenes Lacheln.»Alles! Ich bin krank vor Untatigkeit. Listen schreiben, neues Tauwerk oder neue Spieren anfordern, wahrend alles, was diese Halsabschneider an Land von einem wollen, nichts anderes ist als Geld und nochmals Geld.»
Bolitho dachte an die beiden Prisen, die er nach New York gesegelt hatte. Sie waren zum Prisenhof geschafft, verkauft und wieder in Dienst gestellt worden, beinahe schneller, als des Konigs Flagge an Bord gehi?t werden konnte.
Nicht ein einziger von den Leuten der Trojan wurde auf die Prisen versetzt; der Offizier, der das Kommando uber die Faithful erhielt, war erst vor ein paar Wochen aus England gekommen. Es war unfair, gelinde ausgedruckt, und offensichtlich eine Enttauschung fur Cairns. In achtzehn Monaten wurde er drei?ig. Der Krieg konnte bis dahin voruber sein, dann wurde er mit Halbsold an Land geschickt: keine erfreuliche Aussicht fur einen Mann, der mittellos und nur auf seinen Sold angewiesen war.