Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander (читать книги без txt) 📗
Bolitho verhielt sich abwartend. Es war schwer zu erraten, wohin das fuhren sollte. Wollte Cavendish die ganze Schuld Pelham-Martin zuschieben — und damit auch ihm?
Schroff sprach der Admiral weiter.»Sagen Sie, Bolitho, haben Sie in den Tagen, die seit dem Debakel verstrichen sind, daruber nachgedacht, was den franzosischen Admiral zu dieser Brutalitat veranla?t haben kann?»
Bolitho antwortete:»Er hatte den Kampf mit meinem Schiff aufnehmen konnen. Wir hatten uns tapfer geschlagen, aber der Ausgang ware unvermeidlich gewesen. Es stand vier gegen eins, und der gro?te Teil meiner Besatzung hatte keinerlei Gefechtserfahrung.»
Cavendish nickte ungeduldig mit dem grauen Kopf.»Schon gut, erzahlen Sie mir keine langen Geschichten, sondern sagen Sie mir, was Sie denken, verdammt noch mal.»
«Eine Niederlage konnte er nicht befurchten, Sir. «Bolitho holte tief Luft.»Deshalb mu? er sich vor Beschadigungen der Takelage gefurchtet haben. «Er blickte dem Admiral fest in die Augen.»Ich glaube, da? er zu einer weiten Reise auslaufen wollte, nicht nur zu einem raschen Uberfall.»
Cavendish sah ihn mit funkelnden Augen an.»Danke. Die einzig nutzliche Information, die wir aus der ganzen Sache gewonnen haben, ist der Name des franzosischen Admirals. Lequiller ist kein einfaltiger Bauerntolpel, den die Revolution nach oben geschwemmt hatte. Er hat sich in vielen Einsatzen hervorragend geschlagen. In Westindien befehligte er eine Fregatte und hat oft gegen uns gekampft. «Er heftete den Blick auf Bolitho.»Lequiller hat bei der Aufstellung und Ausbildung der amerikanischen Kaperschiffer mitgewirkt, von denen wenigstens Sie wissen werden, wie erfolgreich sie gegen uns gekampft haben.»
Bolitho fuhlte sich benommen. Noch immer waren Disziplinar-ma?nahmen mit keinem Wort erwahnt worden, und Pelham-Martin war deutlich anzusehen, da? Cavendishs scharfe Zunge ihn nicht geschont hatte.
Cavendish sagte:»Fruher einmal genugte es, eine Flagge zu sehen, um einen Feind zu erkennen. Doch jetzt haben wir eine neue Form des Kriegs, und wir mussen uns den neuen Methoden anpassen. Jetzt mussen wir den Mann unter der Flagge kennenlernen, sein Herkommen und seine Motive studieren, wenn wir uberleben wollen, und erst recht, wenn wir einen Sieg erringen wollen, der Bestand hat. Admiral de Villaret Joyeuse befehligt die franzosische Flotte in Brest. Schon jetzt mustert er Schiffe und Mannschaften fur einen endgultigen Vorsto? an, um unsere Flotte und unser Land zu unterwerfen. Er ist ein engagierter und intelligenter Mann, und wenn er diesem Lequiller eine besondere Aufgabe anvertraut hat, dann mu? sie von einiger Bedeutung und Lequiller ihr gewachsen sein.»
Bolitho mu?te plotzlich an die Kanonenschusse denken, an die
Manner, die vor seinen Augen wie Verbrecher am Galgen gestorben waren.
Cavendish musterte ihn leidenschaftslos.»Vielleicht bedient sich auch Lequiller neuer Methoden. «In plotzlicher Ungeduld hob er die Schultern.»Aber wichtiger sind mir seine Absichten. Ich vermute, da? er sich inzwischen mit den anderen Schiffen vereinigt hat und uber den Atlantik nach Westen segelt. Das ware die einzige Erklarung, weshalb meine Patrouillen ihn nicht gesichtet haben.»
«In die Karibik?«warf Bolitho ein.
«Das halte ich fur sein wahrscheinlichstes Ziel. «Der Vizeadmiral wandte sich Pelham-Martin zu.»Und was ist Ihre Ansicht, falls Sie eine haben?»
Pelham-Martin schreckte mit einem Ruck aus seinen Gedanken auf.»Vielleicht will er die Inseln angreifen, die Sir John Jarvis den Franzosen abgenommen hat, Sir. «Unter Cavendishs scharfem Blick schlug er die Augen nieder.
«Um das zu schaffen, mu?te er eine dreimal so starke Streitmacht haben. «Cavendish lehnte sich zuruck und schlo? die Augen.»Wahrend der Amerikanischen Revolution wurde Lequiller oft in der sudlichen Karibik gesichtet. Er wird seine Zeit genutzt haben, um sich dort Freunde zu erwerben und Dinge zu erfahren, die ihm spater von Nutzen sein konnten.»
Bolitho sagte langsam:»Die meisten Inseln sind entweder spanisch oder niederlandisch, Sir. Selbstverstandlich sind beide Lander unsere Verbundeten, aber in einem Krieg wie dem gegenwartigen gehort nicht viel dazu, um die Seiten zu wechseln.»
Cavendish offnete die Augen wieder und sah ihn duster an.»Richtig. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, da? die Niederlander noch auf unserer Seite bleiben, wenn ihre Heimat von unserem gemeinsamen Feind endgultig uberrannt ist. «Er hob die Schultern.»Und was die Spanier angeht, nun, sie sind eine geringe Hilfe fur unsere Sache. Vielleicht gramen sie sich immer noch um Gibraltar oder traumen von vergangenem Ruhm.»
«Dann wurde ich meinen, Sir, da? Lequiller ein anderes Ziel verfolgt. «Bolitho versuchte, sich die weitverstreute Inselkette vor Augen zu halten, die sich vor der Landmasse Sudamerikas erstreckte. Es war beinahe, als denke er laut.»Wenn Spanien unser Alliierter bleiben soll, mu? es reich bleiben. Und ein gro?er Teil seines
Reichtums kommt aus Amerika. Ein Gold- und Silbertransport reicht aus, um das Land ein Jahr lang zu unterhalten, vielleicht langer.»
Cavendishs kalte Augen funkelten.»Genau das! Aber wenn der Transport in feindliche Hande fiele, ware er mehr wert als zehn Regimenter, wie Lequiller besser wissen mu? als die meisten.»
Pelham-Martin rausperte sich unsicher.»Es kann Monate dauern, bis man Lequiller findet und zum Kampf stellt, Sir.»
Er kam nicht weiter. Diesmal schien Cavendish nicht mehr in der Lage zu sein, seine Abneigung vor seinen Untergebenen zu verbergen.
«Sehen Sie denn niemals uber die Grenzen Ihres Achterdecks hinaus? Wenn Lequiller die spanischen und niederlandischen Handels- und Nachschubrouten blockiert, werden viele darin ein Signal fur die Zukunft sehen. Gott wei? es, unsere Krafte sind jetzt schon weit genug verzettelt. Wie lange, meinen Sie, werden wir unsere Vormachtstellung auf den Meeren halten konnen, wenn die ganze Welt gegen uns ist?»
Der Arger schien ihn zu ermuden, und er fugte erschopft hinzu:»Ihr Schiff ist das schnellste, das zur Verfugung steht, Bolitho, bis die anderen von der Uberholung zuruckkehren. Ich habe Ihrem Kommodore schon gesagt, da? er sofort auf die Hyperion umsteigen soll. Zusammen mit den beiden Fregatten werden Sie mit hochster Geschwindigkeit in die Karibik segeln. Indomitable und Hermes werden Ihnen mit den Schaluppen folgen, aber ich will, da? Sie so schnell wie moglich dort sind. Ist das klar?»
Pelham-Martin stemmte sich von seinem Sessel hoch.»Ich mochte zuruck auf mein Schiff, Sir. Ich habe eine Menge zu ordnen.»
Cavendish blieb sitzen.»Die franzosische Flotte wird bald auslaufen, und ich kann Ihnen keine weitere Fregatte uberlassen. «In scharferem Ton fugte er hinzu:»Aus dem gleichen Grund kann ich auch nicht personlich mit Ihnen kommen. Ich wunsche, da? Lequil-ler gestellt und seine Schiffe erobert oder vernichtet werden. Meine schriftlichen Befehle schicke ich in einer Stunde auf die Hyperion; Sie mussen bis dahin klar zum Aufbruch sein. Zuerst werden Sie die niederlandische Insel St. Kruis anlaufen. Sie hat einen guten Hafen und liegt so gunstig, da? Sie von dort aus die benachbarten
Inseln uberwachen konnen. Sie ist weniger als hundert Meilen vom Festland und von Caracas entfernt, wo der gro?te Teil des Silbers und des Goldes nach Spanien verladen wird.»
Mit einem knappen Nicken entlie? er den Kommodore. Dann sagte er fast zu sich selbst:»Das ist eine beachtliche Aufgabe, die ich ihm ubertragen habe, Bolitho. Eine, die von jedem Kommandanten verlangt, da? er selbstandig denkt, aber im Team handelt. Blockade ist nur eine halbe Losung. Sie schiebt eher auf, als da? sie eine Entscheidung bringt, genauso, wie sie die Schwachen und die Schuldlosen mit den Schuldigen belastet. Aber wir konnen diesen Krieg nur gewinnen, indem wir dem Feind Schiff gegen Schiff, Kanone gegen Kanone, Mann gegen Mann gegenubertreten.»