Harry Potter und der Stein der Weisen - Fritz Klaus (бесплатная библиотека электронных книг .txt) 📗
Von unten war Dudley zu horen, wie er seine Mutter anbrullte. »Ich will ihn nicht da drin haben… Ich brauche dieses Zimmer. Er soll wieder ausziehen. -«
Harry seufzte und streckte sich auf dem Bett aus. Gestern noch hatte er alles darum gegeben, hier oben zu sein. Heute ware er lieber wieder in seinem Schrank mit dem Brief in der Hand statt hier oben ohne ihn.
Am nachsten Morgen beim Fruhstuck waren alle recht schweigsam. Dudley stand unter Schock. Er hatte geschrien, seinen Vater mit dem Smelting-Stock geschlagen, sich absichtlich ubergeben, seine Mutter getreten und seine Schildkrote durch das Dach des Gewachshauses geworfen, aber sein Zimmer hatte er trotzdem nicht zuruckbekommen. Harry dachte daruber nach, was gestern beim Fruhstuck geschehen war. Hatte er den Brief doch nur schon im Flur geoffnet, dachte er voll Bitterkeit.
Onkel Vernon und Tante Petunia sahen sich unablassig mit dusterer Miene an.
Die Post kam, und Onkel Vernon, der offenbar versuchte nett zu Harry zu sein, lie? Dudley aufstehen und sie holen. Sie konnten ihn horen, wie er den ganzen Flur entlang mit seinem Smelting-Stock mal hierhin, mal dorthin schlug. Dann rief er:
»Da ist schon wieder einer! Mr. H. Potter, Das kleinste Schlafzimmer, Ligusterweg 4 -«
Mit einem erstickten Schrei sprang Onkel Vernon von seinem Stuhl hoch und rannte den Flur entlang, Harry dicht hinter ihm – Onkel Vernon mu?te Dudley zu Boden ringen, um ihm den Brief zu entwinden, was schwierig war, weil Harry Onkel Vernon von hinten um den Hals gepackt hatte. Nach einem kurzen Gerangel, bei dem jeder ein paar saftige Schlage mit dem Smelting-Stock einstecken mu?te, richtete sich Onkel Vernon nach Luft ringend auf und hielt Harrys Brief in der Hand.
»Verschwinde in deinen Schrank – ich meine, dein Zimmer«, japste er Harry zu. »Dudley – geh – ich bitte dich, geh.«
Oben in seinem neuen Zimmer ging Harry auf und ab, auf und ab. Jemand wu?te, da? er aus dem Schrank ausgezogen war, und offenbar auch, da? er den ersten Brief nicht erhalten hatte. Das bedeutete doch gewi?, da? sie es wieder versuchen wurden? Und das nachste Mal wurde er dafur sorgen, da? es klappte. Er hatte einen Plan ausgeheckt.
Um sechs Uhr am nachsten Morgen klingelte der reparierte Wecker. Harry brachte ihn rasch zum Verstummen und zog sich leise an. Er durfte die Dursleys nicht aufwecken. Ohne Licht zu machen, stahl er sich die Treppe hinunter.
Er wurde an der Ecke des Ligusterwegs auf den Postboten warten und sich die Briefe fur Nummer 4 gleich geben lassen. Mit laut pochendem Herzen stahl er sich durch den dunklen Flur zur Haustur -
»AAAAAUUUUUH!«
Harry machte einen Sprung in die Luft – er war auf etwas Gro?es und Matschiges getreten, das auf der Turmatte lag – etwas Lebendiges!
Im ersten Stock gingen Lichter an, und mit einem furchtbaren Schreck wurde Harry klar, da? das gro?e matschige Etwas das Gesicht seines Onkels war. Onkel Vernon hatte in einem Schlafsack vor der Tur gelegen, und zwar genau deshalb, um Harry daran zu hindern, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Er schrie Harry etwa eine halbe Stunde lang an und befahl ihm dann, Tee zu kochen. Niedergeschlagen schlurfte Harry in die Kuche, und als er zuruckkam, war die Post schon eingeworfen worden, mitten auf den Scho? von Onkel Vernon. Harry konnte drei mit gruner Tinte beschriftete Briefe erkennen.
»Ich will -«, begann er, doch Onkel Vernon zerri? die Briefe vor seinen Augen in kleine Fetzen.
An diesem Tag ging Onkel Vernon nicht zur Arbeit. Er blieb zu Hause und nagelte den Briefschlitz zu.
»Wei?t du«, erklarte er Tante Petunia mit dem Mund voller Nagel,»wenn sie die Briefe nicht zustellen konnen, werden sie es einfach bleiben lassen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das klappt, Vernon.«
»Oh, diese Leute haben eine ganz merkwurdige Art zu denken, Petunia, sie sind nicht wie du und ich«, sagte Onkel Vernon und versuchte einen Nagel mit dem Stuck Obstkuchen einzuschlagen, den ihm Tante Petunia soeben gebracht hatte.
Am Freitag kamen nicht weniger als zwolf Briefe fur Harry. Da sie nicht in den Briefschlitz gingen, waren sie unter der Tur durchgeschoben, zwischen Tur und Rahmen geklemmt oder durch das kleine Fenster der Toilette im Erdgescho? gezwangt worden.
Wieder blieb Onkel Vernon zu Hause. Nachdem er alle Briefe verbrannt hatte, holte er sich Hammer, Nagel und Leisten und nagelte die Spalten an Vorder- und Hintertur zu, so da? niemand hinausgehen konnte. Beim Arbeiten summte er »Bi-Ba-Butzemann« und zuckte beim kleinsten Gerausch zusammen.
Am Sonnabend gerieten die Dinge au?er Kontrolle. Vierundzwanzig Briefe fur Harry fanden den Weg ins Haus, zusammengerollt im Innern der zwei Dutzend Eier versteckt, die der vollig verdatterte Milchmann Tante Petunia durch das Wohnzimmerfenster hineingereicht hatte. Wahrend Onkel Vernon wutend beim Postamt und bei der Molkerei anrief und versuchte jemanden aufzutreiben, bei dem er sich beschweren konnte, zerschnitzelte Tante Petunia die Briefe in ihrem Kuchenmixer.
»Wer zum Teufel will so dringend mit dir sprechen?«, fragte Dudley Harry ganz verdutzt.
Als sich Onkel Vernon am Sonntagmorgen an den Fruhstuckstisch setzte, sah er mude und ziemlich erschopft, aber glucklich aus.
»Keine Post an Sonntagen«, gemahnte er sie frohlich, wahrend er seine Zeitung mit Marmelade bestrich, #keine verfluchten Briefe heute -e
Wahrend er sprach, kam etwas pfeifend den Kuchenkamin heruntergesaust und knallte gegen seinen Hinterkopf Einen Augenblick spater kamen drei?ig oder vierzig Briefe wie Kugeln aus dem Kamin geschossen. Die Dursleys gingen in Deckung, doch Harry hupfte in der Kuche umher und versuchte einen Brief zu fangen.
»Raus! RAUS!«
Onkel Vernon packte Harry um die Hufte und warf ihn hinaus in den Flur. Als Tante Petunia und Dudley mit den Armen uber dem Gesicht hinausgerannt waren, knallte Onkel Vernon die Tur zu. Sie konnten die Briefe immer noch in die Kuche rauschen und gegen die Wande und den Fu?boden klatschen horen.
»Das reicht«, sagte Onkel Vernon. Er versuchte ruhig zu sprechen, zog jedoch gleichzeitig gro?e Haarbuschel aus seinem Schnurrbart. »Ich mochte, da? ihr euch alle in funf Minuten hier einfindet, bereit zur Abreise. Wir gehen. Packt ein paar Sachen ein. Und keine Widerrede!«
Mit nur einem halben Schnurrbart sah er so gefahrlich aus, da? niemand ein Wort zu sagen wagte. Zehn Minuten spater hatten sie sich durch die brettervernagelten Turen gezwangt, sa?en im Wagen und sausten in Richtung Autobahn davon. Auf dem Rucksitz wimmerte Dudley vor sich hin; sein Vater hatte ihm links und rechts eine geknallt, weil er sie aufgehalten hatte mit dem Versuch, seinen Fernseher, den Videorecorder und den Computer in seine Sporttasche zu packen.
Sie fuhren. Und sie fuhren. Selbst Tante Petunia wagte nicht zu fragen, wo sie denn hinfuhren. Hin und wieder machte Onkel Vernon scharf kehrt und fuhr dann eine Weile in die entgegengesetzte Richtung.
»Schuttel sie ab… schuttel sie ab«, murmelte er immer dann, wenn er umkehrte.
Den ganzen Tag uber hielten sie nicht einmal an, um etwas zu essen oder zu trinken. Als die Nacht hereinbrach, war Dudley am Brullen. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie einen so schlechten Tag gehabt. Er war hungrig, er hatte funf seiner Lieblingssendungen im Fernsehen verpa?t, und er hatte noch nie so lange Zeit verbracht, ohne am Computer einen Au?erirdischen in die Luft zu jagen.
Endlich machte Onkel Vernon vor einem duster aussehenden Hotel am Rande einer gro?en Stadt Halt. Dudley und Harry teilten sich ein Zimmer mit Doppelbett und feuchten, niedrigen Decken. Dudley schnarchte, aber Harry blieb wach. Er sa? an der Fensterbank, blickte hinunter auf die Lichter der vorbeifahrenden Autos und dachte lange nach…
Am nachsten Morgen fruhstuckten sie muffige Cornflakes und kalte Dosentomaten auf Toast. Kaum waren sie fertig, trat die Besitzerin des Hotels an ihren Tisch.