Harry Potter und der Stein der Weisen - Fritz Klaus (бесплатная библиотека электронных книг .txt) 📗
Die Schlange schuttelte den Kopf, und plotzlich erschallte hinter Harry ein ohrenbetaubendes Rufen, das sie beide zusammenzucken lie?:»DUDLEY! MR. DURSLEY! KOMMT UND SEHT EUCH DIESE SCHLANGE AM DAS GLAUBT IHR NICHT, WAS DIE TUT!«
Dudley kam, so schnell er konnte, auf sie zugewatschelt.
»Aus dem Weg, Mann«, sagte er und stie? Harry in die Rippen. Harry, von dem Schlag ganz uberrascht, fiel hart auf den Betonboden. Was nun kam, passierte so schnell, da? niemand sah, wie es geschah: Einen Moment lang druckten sich Piers und Dudley ganz dicht gegen das Glas und im nachsten Moment sprangen sie unter Schreckgeheule zuruck.
Harry setzte sich auf und nun stockte ihm der Atem. Die Glasscheibe am Terrarium der Boa constrictor war verschwunden. Die gro?e Schlange entrollte sich im Nu und schlangelte sich heraus auf den Boden. – Im ganzen Reptilienhaus schrien die Menschen und rannten zu den Ausgangen.
Als die Schlange an Harry vorbeiglitt, hatte er schworen konnen, da? eine leise, zischelnde Stimme sagte:»Brasilien, ich komme… tschusss, Amigo.«
Der Obertierpfleger des Reptilienhauses stand unter Schock.
»Aber das Glas«, murmelte er standig vor sich hin,»was ist aus dem Glas geworden?«
Der Zoodirektor personlich bruhte Tante Petunia eine Tasse starken, su?en Tee und uberschlug sich mit seinen Entschuldigungen. Piers und Dudley schnatterten nur noch. Soweit Harry es gesehen hatte, hatte die Schlange nichts getan, au?er im vorbeigleiten spielerisch gegen ihre Fersen zu schlenzen, doch als sie alle wieder in Onkel Vernons Wagen sa?en, erzahlte ihnen Dudley, die Schlange hatte ihm fast das Bein abgebissen, wahrend Piers schwor, sie hatte versucht, ihn totzuquetschen. Doch am schlimmsten fur Harry war, da? Piers, als er sich ein wenig beruhigt hatte, sagte:»Harry hat mit ihr gesprochen, nicht wahr, Harry?«
Onkel Vernon wartete, bis Piers endgultig aus dem Haus war, bevor er sich Harry vorknopfte. Er war so wutend, da? er kaum ein Wort hervorbrachte. »Geh – Schrank – bleib – kein Essen«, konnte er gerade noch herauswurgen, bevor er auf einem Stuhl zusammensackte und Tante Petunia ihm schleunigst einen gro?en Cognac bringen mu?te.
Harry lag noch lange wach in seinem dunklen Schrank. Hatte er doch nur eine Uhr. Er wu?te nicht, wie spat es war, und er war sich nicht sicher, ob die Dursleys schon schliefen. Bis es so weit war, konnte er es nicht riskieren, in die Kuche zu schleichen und sich etwas zu essen zu holen.
Fast zehn Jahre lebte er nun bei den Dursleys, solange er sich erinnern konnte, und es waren zehn elende Jahre gewesen. Schon als Baby war er zu ihnen gekommen, denn seine Eltern waren bei einem Autounfall gestorben. Er konnte sich nicht erinnern, in diesem Auto gewesen zu sein, als der Unfall passierte. Manchmal, wenn er sich wahrend der langen Stunden im Schrank ganz angestrengt zu erinnern suchte, tauchte eine unheimliches Bild vor seinen Augen auf. ein blendend heller Blitz aus grunem Licht und ein brennender Schmerz auf seiner Stirn. Das mu?te der Unfall gewesen sein, obwohl er sich nicht erklaren konnte, wo all das grune Licht herkam. Er konnte sich uberhaupt nicht an seine Eltern erinnern. Onkel und Tante sprachen nie uber sie, und naturlich war es ihm verboten, Fragen zu stellen. Im Haus gab es auch keine Fotos von ihnen.
Als Harry noch junger gewesen war, hatte er immer und immer wieder von einem unbekannten Verwandten getraumt, der kommen und ihn mitnehmen wurde, aber das war nie Wirklichkeit geworden; die Dursleys waren alles, was er noch an Familie hatte. Doch manchmal hatte er den Eindruck (oder vielleicht die Hoffnung), da? Unbekannte auf der Stra?e ihn zu kennen schienen. Sehr merkwurdige Unbekannte waren das ubrigens. Einmal, als er mit Tante Petunia und Dudley beim Einkaufen war, hatte sich ein kleiner Mann mit einem violetten Zylinder vor ihm verneigt. Tante Petunia fragte Harry ganz entsetzt, ob er den Mann kenne, und schubste ihn und Dudley hastig aus dem Laden, ohne etwas zu kaufen. Ein andermal hatte ihm eine wild aussehende, ganz in Grun gekleidete alte Frau im Bus frohlich zugewinkt. Und ein glatzkopfiger Mann mit einem sehr langen, purpurnen Umhang hatte ihm doch tatsachlich mitten auf der Stra?e die Hand geschuttelt und war dann ohne ein Wort zu sagen weitergegangen. Das Seltsamste an all diesen Leuten war, da? sie zu verschwinden schienen, wenn Harry versuchte sie genauer anzusehen. In der Schule hatte Harry niemanden. Jeder wu?te, da? Dudleys Bande diesen komischen Harry Potter mit seinen ausgebeulten alten Klamotten und seiner zerbrochenen Brille nicht ausstehen konnte, und niemand mochte Dudleys Bande in die Quere kommen.
Briefe von niemandem
Die Flucht der brasilianischen Boa constrictor hatte Harry die bisher langste Strafe eingebracht. Als er den Schrank wieder verlassen durfte, hatten die Sommerferien begonnen. Dudley hatte seine neue Videokamera schon langst zertrummert und sein ferngesteuertes Flugzeug zu Bruch geflogen. Bei seiner ersten Fahrt mit dem Rennrad hatte er die alte Mrs. Figg, die gerade auf ihre Krucken gestutzt den Ligusterweg uberquerte, uber den Haufen geradelt.
Harry war froh, da? die Schule zu Ende war, doch Dudleys Bande, die das Haus Tag fur Tag heimsuchte, konnte er nicht entkommen. Piers, Dennis, Malcolm und Gorden waren allesamt gro? und dumm, doch weil Dudley der Dummste von allen war, war er ihr Anfuhrer. Die andern schlossen sich mit ausgesprochenem Vergnugen Dudleys Lieblingssport an: Harry jagen.
Deshalb verbrachte Harry moglichst viel Zeit au?er Haus und wanderte durch die Stra?en. Das baldige Ende der Ferien war ein kleiner Hoffnungsschimmer. Im September wurde er auf die hohere Schule kommen und zum ersten Mal im Leben nicht mehr mit Dudley zusammen sein. Dudley hatte einen Platz an Onkel Vernons alter Schule, Smeltings. Auch Piers Polkiss ging dorthin. Harry dagegen kam in die Stonewall High Scheel, die Gesamtschule in der Nachbarschaft. Dudley fand das sehr lustig.
»In Stonewall stecken sie den Neuen am ersten Tag den Kopf ins Klo«, eroffnete er Harry. weilst du mit hochkommen und schon mal uben?«
»Nein, danke«, sagte Harry. »Das arme Klo hat noch nie etwas so Furchterliches wie deinen Kopf geschluckt – vielleicht wird ihm schlecht davon.« Dann rannte er los, bevor sich Dudley einen Reim daraus machen konnte.
Eines Tages im Juli nahm Tante Petunia Dudley mit nach London, um dort die Schuluniforrn fur Smeltings zu kaufen, und lie? Harry bei Mrs. Figg zuruck. Mrs. Figg war nicht mehr so ubel wie fruher. Harry erfuhr, da? sie sich den Fu? gebrochen hatte, als sie uber eine ihrer Katzen gestolpert war, und inzwischen schien sie von ihnen nicht mehr ganz so begeistert zu sein. Sie lie? Harry fernsehen und reichte ihm ein Stuck Schokoladenkuchen, der schmeckte, als hatte sie ihn schon etliche Jahre aufbewahrt.
An diesem Abend stolzierte Dudley in seiner neuen Uniform unter den Augen der Eltern im Wohnzimmer umher. Die Jungen in Smeltings trugen kastanienbraune Fracke, orangefarbene Knickerbocker-Hosen und flache Strohhute, die sie »Kreissagen« nannten. Au?erdem hatten sie knorrige Holzstocke, mit denen sie sich, wenn die Lehrer nicht hinsahen, gegenseitig Hiebe versetzten. Das galt als gute Ubung furs spatere Leben.
Onkel Vernon musterte Dudley in den neuen Knickerbockern und grummelte etwas vom stolzesten Augenblick seines Lebens. Tante Petunia brach in Tranen aus und sagte, sie konne es einfach nicht fassen, da? dies ihr su?er kleiner Dudleyspatz sei, so hubsch und erwachsen wie er aussehe. Harry wagte nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Womoglich hatte er sich schon zwei Rippen angeknackst vor lauter Anstrengung, nicht loszulachen.
Am nachsten Morgen, als Harry zum Fruhstuck in die Kuche kam, schlug ihm ein furchterlicher Gestank entgegen. Offenbar kam er von einer gro?en Emailschussel in der Spule. Er trat naher, um sich die Sache anzusehen. in dem grauen Wasser der Schussel schwamm etwas, das aussah wie ein Bundel schmutziger Lumpen.