Harry Potter und der Stein der Weisen - Fritz Klaus (бесплатная библиотека электронных книг .txt) 📗
»Verzeihn Sie, aber ist einer von Ihnen Mr. H. Potter? Es ist nur – ich hab ungefahr hundert von diesen Dingern am Empfangsschalter.«
Sie hielt einen Brief hoch, so da? sie die mit gruner Tinte geschriebene Adresse lesen konnten:
Mr. H. Potter
Zimmer 17
Hotel zum Bahnblick
Cokeworth
Harry schnappte nach dem Brief doch Onkel Vernon schlug seine Hand weg. Die Frau starrte sie an.
»Ich nehme sie«, sagte Onkel Vernon, stand rasch auf und folgte ihr aus dem Speisezimmer.
»Ware es nicht besser, wenn wir einfach nach Hause fahren wurden, Schatz?«, schlug Tante Petunia einige Stunden spater mit schuchterner Stimme vor. Doch Onkel Vernon schien sie nicht zu horen. Keiner von ihnen wu?te, wonach genau er suchte. Er fuhr sie in einen Wald hinein, stieg aus, sah sich um, schuttelte den Kopf, setzte sich wieder ins Auto, und weiter ging's. Dasselbe geschah inmitten eines umgepflugten Ackers, auf halbem Weg uber eine Hangebrucke und auf der obersten Ebene eines mehrstockigen Parkhauses.
»Daddy ist verruckt geworden, nicht wahr?«, fragte Dudley spat am Nachmittag mit dumpfer Stimme Tante Petunia. Onkel Vernon hatte an der Kuste geparkt, sie alle im Wagen eingeschlossen und war verschwunden.
Es begann zu regnen. Gro?e Tropfen klatschten auf das Wagendach. Dudley schniefte.
»Es ist Montag«, erklarte er seiner Mutter »Heute kommt der Gro?e Humberto. Ich will dahin, wo sie einen Fernseher haben.«
Montag. Das erinnerte Harry an etwas. Wenn es Montag war – und meist konnte man sich auf Dudley verlassen, wenn es um die Wochentage ging, und zwar wegen des Fernsehens -, dann war morgen Dienstag, Harrys elfter Geburtstag. Naturlich waren seine Geburtstage nie besonders lustig gewesen – letztes Jahr hatten ihm die Dursleys einen Kleiderbugel und ein Paar alte Socken von Onkel Vernon geschenkt. Trotzdem, man wird nicht jeden Tag elf.
Onkel Vernon kam zuruck mit einem Lacheln auf dem Gesicht. In den Handen trog er ein langes, schmales Paket, doch auf Tante Petunias Frage, was er gekauft habe, antwortete er nicht.
»Ich habe den idealen Platz gefunden!«, sagte er. »Kommt! Alle aussteigen!«
Drau?en war es sehr kalt. Onkel Vernon wies hinaus aufs Meer, wo in der Ferne ein gro?er Felsen zu erkennen war. Auf diesem Felsen thronte die schabigste kleine Hutte, die man sich vorstellen kann. Eins war sicher, einen Fernseher gab es dort nicht.
»Sturmwarnung fur heute Nacht!«, sagte Onkel Vernon schadenfroh und klatschte in die Hande. »Und dieser Gentleman hier hat sich freundlicherweise bereit erklart, uns sein Boot zu leihen!«
Ein zahnloser alter Mann kam auf sie zugehumpelt und deutete mit einem recht verschmitzten Grinsen auf ein altes Ruderboot im stahlgrauen Wasser unter ihnen.
»Ich hab uns schon einige Futterrationen besorgt«, sagte Onkel Vernon,»also alles an Bord!«
Im Boot war es bitterkalt. Eisige Gischt und Regentropfen krochen ihnen die Rucken hinunter und ein frostiger Wind peitschte uber ihre Gesichter Nach Stunden, so kam es ihnen vor, erreichten sie den Fels, wo sie Onkel Vernon rutschend und schlitternd zu dem heruntergekommenen Haus fuhrte.
Innen sah es furchterlich aus; es stank durchdringend nach Seetang, der Wind pfiff durch die Ritzen der Holzwande und die Feuerstelle war na? und leer. Es gab nur zwei Raume.
Onkel Vernons Rationen stellten sich als eine Packung Kracker fur jeden und vier Bananen heraus. Er versuchte ein Feuer zu machen, doch die leeren Kracker-Schachteln gaben nur Rauch von sich und schrumpelten zusammen.
»Jetzt konnte ich ausnahmsweise mal einen dieser Briefe gebrauchen, Leute«, sagte er frohlich.
Er war bester Laune. Offenbar glaubte er, niemand hatte eine Chance, sie hier im Sturm zu erreichen und die Post zuzustellen. Harry dachte im Stillen das Gleiche, doch der Gedanke munterte ihn uberhaupt nicht auf
Als die Nacht hereinbrach, kam der versprochene Sturm um sie herum machtig in Fahrt. Gischt von den hohen Wellen spritzte gegen die Wande der Hutte und ein zorniger Wind ruttelte an den schmutzigen Fenstern. Tante Petunia fand ein paar nach Aal riechende Leintucher und machte Dudley auf dem mottenzerfressenen Sofa ein Bett zurecht. Sie und Onkel Vernon gingen ins zerlumpte Bett nebenan, und Harry mu?te sich das weichste Stuck Fu?boden suchen und sich unter der dunnsten, zerrissensten Decke zusammenkauern.
Die Nacht ruckte vor und immer wutender blies der Sturm. Harry konnte nicht schlafen. Er bibberte und walzte sich hin und her, um es sich bequemer zu machen, und sein Magen rohrte vor Hunger. Dudleys Schnarchen ging im rollenden Donnern unter, das um Mitternacht anhob. Der Leuchtzeiger von Dudleys Uhr, die an seinem dicken Handgelenk vom Sofarand herunterbaumelte, sagte Harry, da? er in zehn Minuten elf Jahre alt sein wurde. Er lag da und sah zu, wie sein Geburtstag tickend naher ruckte. Ob die Dursleys uberhaupt an ihn denken wurden?, fragte er sich. Wo der Briefeschreiber jetzt wohl war?
Noch funf Minuten. Harry horte drau?en etwas knacken. Hoffentlich kam das Dach nicht herunter, auch wenn ihm dann vielleicht warmer sein wurde. Noch vier Minuten. Vielleicht war das Haus am Ligusterweg, wenn sie zuruckkamen, so voll gestopft mit Briefen, da? er auf die eine oder andere Weise einen davon stibitzen konnte.
Noch drei Minuten. War es das Meer, das so hart gegen die Felsen schlug? und (noch zwei Minuten) was war das fur ein komisches, mahnendes Gerausch? Zerbrach der Fels und sturzte ins Meer?
Noch eine Minute und er war elf Drei?ig Sekunden… zwanzig… zehn… neun – vielleicht sollte er Dudley aufwecken, einfach um ihn zu argern – drei… zwei… eine -
BUMM BUMM.
Die ganze Hutte erzitterte. Mit einem Mal sa? Harry kerzengerade da und starrte auf die Tur. Da drau?en war Jemand und klopfte.
Der Huter der Schlussel
BUMM, BUMM. Wieder klopfte es. Dudley schreckte aus dem Schlaf
»Wo ist die Kanone?«, sagte er dumpf.
Hinter ihnen horten sie ein lautes Krachen. Onkel Vernon kam hereingestolpert. In den Handen hielt er ein Gewehr – das war also in dem langen, schmalen Paket gewesen, das er mitgebracht hatte.
»Wer da?«, rief er. »Ich warne Sie – ich bin bewaffnet!«
Einen Augenblick lang war alles still. Dann -
SPLITTER!
Die Tur wurde mit solcher Wucht getroffen, da? sie glattweg aus den Angeln sprang und mit einem ohrenbetaubenden Knall auf dem Boden landete.
In der Turoffnung stand ein Riese von Mann. Sein Gesicht war fast ganzlich von einer langen, zottigen Haarmahne und einem wilden, struppigen Bart verdeckt, doch man konnte seine Augen erkennen, die unter all dem Haar schimmerten wie schwarze Kafer.
Dieser Riese zwangte sich in die Hutte, den Rucken gebeugt, so da? sein Kopf die Decke nur streifte. Er buckte sich, stellte die Tur aufrecht und setzte sie mit leichter Hand wieder in den Rahmen ein. Der Larm des Sturms drau?en lie? etwas nach. Er wandte sich um und blickte sie an.
»Konnte 'ne Tasse Tee vertragen. War keine leichte Reise…«
Er schritt hinuber zum Sofa, auf dem der vor Angst versteinerte Dudley sa?.
»Beweg dich, Klops«, sagte der Fremde.
Dudley quiekte und rannte hinter den Rucken seiner Mutter, die sich voller Angst hinter Onkel Vernon zusammenkauerte.
»Und hier ist Harry«, sagte der Riese.
Harry blickte hinauf in sein grimmiges, wildes Gesicht und sah, da? sich die Faltchen um seine Kaferaugen zu einem Lacheln gekrauselt hatten.
»Letztes Mal, als ich dich gesehen hab, warst du noch 'n Baby«, sagte der Riese. »Du siehst deinem Vater machtig ahnlich, aber die Augen hast du von deiner Mum.«
Onkel Vernon gab ein merkwurdig rasselndes Gerausch von sich. »Ich verlange, da? Sie auf der Stelle verschwinden!«. sagte er. »Das ist Hausfriedensbruch!«
»Aach, halt den Mund, Dursley, du Oberpflaume«, sagte der Riese. Er streckte den Arm uber die Sofalehne hinweg, ri? das Gewehr aus Onkel Vernons Handen, verdrehte den Lauf – als ware er aus Gummi – zu einem Knoten und warf es in die Ecke.