Der Schwarm - Schatzing Frank (читать книги TXT) 📗
Sie machte eine Pause.
»Was die Mitarbeiter der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe betrifft, so sind wir bemuht, Sie in jeder erdenklichen Weise zu unterstutzen. Ab sofort benutzen Sie bitte ausschlie?lich die Laptops vor sich. Uberall im Hotel sind Anschlusse gelegt worden, in der Bar, auf Ihren Zimmern, im Health Center. Sie konnen sich einloggen, wo immer Sie gerade sind. Inzwischen steht die transatlantische Verbindung wieder. Das Hoteldach ist bestuckt mit Satellitenschusseln, alles funktioniert. Telefon, Telefax, E-Mail und Internet laufen von nun an uber die NATO-III-Satelliten — sie dienen ublicherweise dazu, Verbindungen zwischen den Regierungen der NATO-Partner herzustellen. Jetzt dienen sie Ihnen. Dafur haben wir einen geschlossenen Circuit eingerichtet, ein secretas in secretum, auf den ausschlie?lich Mitglieder der Arbeitsgruppe Zugriff haben. Uber dieses Netz konnen Sie untereinander kommunizieren und streng geheime Informationen abrufen. Um hineinzugelangen, benotigen Sie ein personliches Passwort, das Sie nach Unterzeichnung der Geheimhaltungserklarung erhalten.«
Sie sah streng in die Runde.
»Ich brauche nicht zu betonen, dass dieses Passwort unter keinen Umstanden an Unbefugte weitergegeben werden darf. Einmal eingeloggt, haben Sie Zugriff auf zivile und militarische Satelliten, auf die Dateien der NOAA und SOSUS, auf samtliche laufenden und archivierten Telemetrieprojekte, auf Datenbanke der CIA und NSA hinsichtlich weltweiter terroristischer Aktivitaten, Biowaffenentwicklungen und gentechnologischer Projekte, und so weiter und so fort. Wir haben den aktuellen Stand der Tiefseetechnik und ihrer Moglichkeiten fur Sie zusammengefasst, ebenso geologisches und geochemisches Grundlagenwissen. Es gibt Verzeichnisse samtlicher bekannter Organismen, Sie konnen Tiefseekarten aus den Bestanden der Navy einsehen, und naturlich haben wir die heutige Prasentation anhanglich aller Zahlen und Statistiken beigefugt. Jede aktuelle Meldung, jede neue Entwicklung wird Ihnen automatisch und ohne Verzug zugeleitet. Wir halten Sie auf dem Laufenden, und selbstverstandlich erwarten wir, dass Sie es umgekehrt ebenso halten.«
Li verharrte einen Moment und schickte ein aufmunterndes Lacheln in die Runde.
»Ich wunsche Ihnen Gluck. Ubermorgen um diese Zeit treffen wir uns wieder. Wer zwischendurch das Bedurfnis hat, sich auszutauschen, findet bei Major Peak oder mir jederzeit Gehor.«
Vanderbilt sah sie an und zog eine Braue hoch.
»Sie werden Onkel Jack doch hoffentlich immer schon Bericht erstatten«, sagte er so leise, dass nur Li es horen konnte.
»Vergessen Sie nicht, Jack«, erwiderte Li, wahrend sie ihre Unterlagen zusammenpackte, »dass Sie mir unterstellt sind.«
»Das haben Sie missverstanden, Kleine. Wir arbeiten auf Augenhohe. Keiner von uns ist dem anderen unterstellt.«
»Doch, mein Freund. Intellektuell.«
Gru?los verlie? sie den Raum.
Die meisten bewegten sich Richtung Bar, aber Johanson verspurte wenig Lust, sich ihnen anzuschlie?en. Vielleicht hatte er die Gelegenheit nutzen sollen, die Truppe naher kennen zu lernen, aber ihm gingen andere Dinge im Kopf herum.
Er war kaum auf seiner Suite angelangt, als es klopfte. Weaver kam ins Zimmer, ohne ein ›Herein‹ abzuwarten.
»Man muss alteren Mannern Zeit geben, das Korsett anzulegen, bevor man reinplatzt«, sagte Johanson. »Am Ende bist du enttauscht.«
Er lief mit seinem Laptop durch den gro?en, komfortabel eingerichteten Wohnraum und suchte nach dem Modemanschluss. Weaver offnete unbeeindruckt die Minibar und entnahm ihr eine Cola.
»Uberm Schreibtisch«, sagte sie.
»Oh. Tatsachlich.«
Johanson schloss den Laptop an und startete das Programm. Sie blickte ihm uber die Schulter.
»Was haltst du davon, dass es Terroristen sind?«, fragte sie.
»Nichts.«
»Ganz deiner Meinung!«
»Aber ich verstehe den Zustand der Schizophrenie, unter dem die CIA leidet.« Johanson klickte nacheinander einige Dateien an. »Sie lernen es da nicht anders. Au?erdem hat Vanderbilt Recht, wenn er sagt, dass Wissenschaftler dazu neigen, menschliches mit naturlichem Verhalten gleichzusetzen.«
Weaver beugte sich zu ihm herab. Ein Schwall Locken fiel ihr ins Gesicht. Sie strich sie zuruck.
»Du musst sie daruber in Kenntnis setzen, Sigur.«
»Was meinst du?«
»Deine Theorie.«
Johanson zogerte. Er kniff die Augen zusammen, offnete per Doppelklick ein Feld und gab sein Passwort ein:
Chateau Disaster 000550899-XK/O
»Tiraliralu«, summte er leise. »Willkommen im Wunderland.«
Wie sinnig, dachte er. Ein Schloss voller Wissenschaftler, Geheimdienstler und Soldaten mit der Aufgabe, die Welt vor Ungeheuern, Flutwellen und Klimakatastrophen zu retten. Chateau Disaster. Treffender hatte man es kaum ausdrucken konnen.
Der Bildschirm fullte sich mit Symbolen. Johanson studierte die Namen der Dateien und stie? einen leisen Pfiff aus. »Donnerwetter. Sie geben uns tatsachlich Zugriff auf die Satelliten.«
»Sag blo?! Konnen wir sie auch steuern?«
»Quatsch. Aber wir konnen ihre Daten abrufen. Schau dir das an. GOES-W und GOES-E, das ganze NOAA-Geschwader steht uns zur Verfugung. Hier, QuikSCAT, das ist auch nicht ubel. Und da sind tatsachlich die Lacrosse-Satelliten. Damit sind sie uber ihren Schatten gesprungen. Und hier, SAR-Lupe. Das ist …«
»Schon gut, komm runter von deinem Trip. Glaubst du im Ernst, wir haben unbegrenzten Zugriff auf geheimdienstliche Informationen und Regierungsprogramme?«
»Naturlich nicht. Wir haben Zugriff auf das, was sie uns sehen lassen wollen.«
»Warum hast du Vanderbilt nicht gesagt, was du denkst?«
»Weil es zu fruh ist.«
»Wir haben aber keine Zeit mehr, Sigur.«
Johanson schuttelte den Kopf. »Karen, du musst Leute wie Li und Vanderbilt uberzeugen. Sie wollen Resultate, keine Vermutungen.«
»Wir haben Resultate!«
»Aber der Zeitpunkt ware denkbar ungunstig gewesen. Heute hatten die ihre gro?e Stunde. Sie haben alles Mogliche zusammengetragen und zur Katastrophen-Gala aufgemotzt. Vanderbilt zog ein fettes arabisches Kaninchen aus dem Hut, und, verdammt, er war stolz drauf! Es hatte einfach nur wie Widerspruch geklungen. Ich will, dass ihnen selber Zweifel kommen an ihrer kleinen Verschworungstheorie, und das wird schneller der Fall sein, als du glaubst.«
»Okay.« Weaver nickte. »Und wie uberzeugt bist du selber?«
»Von meiner Theorie?«
»Bist du’s nicht mehr?«
»Doch. Aber nach dem heutigen Tag mussen wir au?erdem die Ansichten der Amerikaner entkraften.« Johanson schaute sinnend auf den Bildschirm. »Im Ubrigen habe ich so ein Gefuhl, dass Vanderbilt nicht wirklich wichtig ist in dem Spiel. Wir mussen Li uberzeugen, Karen. So wie ich sie einschatze, macht Li am Ende ohnehin, was sie will.«
Als Erstes ging sie auf ihr Laufband. Sie programmierte den Computer auf neun Stundenkilometer, was einen gemutlichen Trab ergab. Dann lie? sie eine Verbindung zum Wei?en Haus herstellen. Nach zwei Minuten vernahm sie die Stimme des Prasidenten im Kopfhorer.
»Jude! Schon, von Ihnen zu horen. Was machen Sie gerade?«
»Ich laufe.«
»Sie laufen. Bei Gott, Sie sind die Beste, Madchen. Jeder sollte sich ein Beispiel an Ihnen nehmen. Nur ich nicht.« Der Prasident lachte laut und kumpelig. »Sie sind mir entschieden zu sportlich. — Verlief die Prasentation zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Vollkommen.«
»Und haben Sie denen erzahlt, was wir vermuten?«
»Es lie? sich nicht vermeiden, dass sie erfuhren, was Vanderbilt vermutet.« Der Prasident lachte immer noch. »Horen Sie doch endlich auf mit Ihrem Kleinkrieg gegen Vanderbilt«, sagte er.