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Der Mann von f?nfzig Jahren - фон Гёте Иоганн Вольфганг (книги серии онлайн .TXT) 📗

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Der Major legte sich zu Bette mit einer Art von unangenehmer Empfindung, die er jedoch sich deutlich zu machen keine Zeit hatte, indem er gar bald einschlief. Sollen wir aber in seine Seele sprechen, so fuhlte er sich etwas mumienhaft, zwischen einem Kranken und einem Einbalsamierten. Allein das su?e Bild Hilariens, umgeben von den heitersten Hoffnungen, zog ihn bald in einen erquickenden Schlaf.

Morgens zur rechten Zeit war der Reitknecht bei der Hand. Alles, was zum Anzuge des Herrn gehorte, lag in gewohnter Ordnung auf den Stuhlen, und eben war der Major im Begriff, aus dem Bette zu steigen, als der neue Kammerdiener hereintrat und lebhaft gegen eine solche Ubereilung protestierte. Man musse ruhen, man musse sich abwarten, wenn das Vorhaben gelingen, wenn man fur so manche Muhe und Sorgfalt Freude erleben solle. Der Herr vernahm sodann, da? er in einiger Zeit aufzustehen, ein kleines Fruhstuck zu genie?en und alsdann in ein Bad zu steigen habe, welches schon bereitet sei. Den Anordnungen war nicht auszuweichen, sie mu?ten befolgt werden, und einige Stunden gingen unter diesen Geschaften hin.

Der Major verkurzte die Ruhezeit nach dem Bade, dachte sich geschwind in die Kleider zu werfen; denn er war seiner Natur nach expedit und wunschte noch uberdies, Hilarien bald zu begegnen; aber auch hier trat ihm sein neuer Diener entgegen und machte ihm begreiflich, da? man sich durchaus abgewohnen musse, fertig werden zu wollen. Alles, was man tue, musse man langsam und behaglich vollbringen, besonders aber die Zeit des Anziehens habe man als angenehme Unterhaltungsstunde mit sich selbst anzusehen.

Die Behandlungsart des Kammerdieners traf mit seinen Reden vollig uberein. Dafur glaubte sich aber auch der Major wirklich besser angezogen denn jemals, als er vor den Spiegel trat und sich auf das schmuckeste herausgeputzt erblickte. Ohne viel zu fragen, hatte der Kammerdiener sogar die Uniform moderner zugestutzt, indem er die Nacht auf diese Verwandlung wendete. Eine so schnell erscheinende Verjungung gab dem Major einen besonders heitern Sinn, so da? er sich von innen und au?en erfrischt fuhlte und mit ungeduldigem Verlangen den Seinigen entgegeneilte.

Er fand seine Schwester vor dem Stammbaume stehen, den sie hatte aufhangen lassen, weil abends vorher zwischen ihnen von einigen Seitenverwandten die Rede gewesen, welche, teils unverheiratet, teils in fernen Landen wohnhaft, teils gar verschollen, mehr oder weniger den beiden Geschwistern oder ihren Kindern auf reiche Erbschaften Hoffnung machten. Sie unterhielten sich einige Zeit daruber, ohne des Punktes zu erwahnen, da? sich bisher alle Familiensorgen und Bemuhungen blo? auf ihre Kinder bezogen. Durch Hilariens Neigung hatte sich diese ganze Ansicht freilich verandert, und doch mochte weder der Major noch seine Schwester in diesem Augenblick der Sache weiter gedenken.

Die Baronin entfernte sich, der Major stand allein vor dem lakonischen Familiengemalde. Hilarie trat an ihn heran, lehnte sich kindlich an ihn, beschaute die Tafel und fragte: wen er alles von diesen gekannt habe? und wer wohl noch leben und ubrig sein mochte?

Der Major begann seine Schilderung von den Altesten, deren er sich aus seiner Kindheit nur noch dunkel erinnerte. Dann ging er weiter, zeichnete die Charaktere verschiedener Vater, die Ahnlichkeit oder Unahnlichkeit der Kinder mit denselben, bemerkte, da? oft der Gro?vater im Enkel wieder hervortrete, sprach gelegentlich von dem Einflu? der Weiber, die, aus fremden Familien heruber heiratend, oft den Charakter ganzer Stamme verandern. Er ruhmte die Tugend manches Vorfahren und Seitenverwandten und verschwieg ihre Fehler nicht. Mit Stillschweigen uberging er diejenigen, deren man sich hatte zu schamen gehabt. Endlich kam er an die untersten Reihen. Da stand nun sein Bruder, der Obermarschall, er und seine Schwester und unten drunter sein Sohn und daneben Hilarie.

«Diese sehen einander gerade genug ins Gesicht«, sagte der Major und fugte nicht hinzu, was er im Sinne hatte. Nach einer Pause versetzte Hilarie bescheiden, halblaut und fast mit einem Seufzer:»Und doch wird man denjenigen niemals tadeln, der in die Hohe blickt!«Zugleich sah sie mit ein paar Augen an ihm hinauf, aus denen ihre ganze Neigung hervorsprach. — »Versteh' ich dich recht?«sagte der Major, indem er sich zu ihr wendete. — »Ich kann nichts sagen«, versetzte Hilarie lachelnd,»was Sie nicht schon wissen.«—»Du machst mich zum glucklichsten Menschen unter der Sonne!«rief er aus und fiel ihr zu Fu?en.»Willst du mein sein?«—»Um Gottes willen stehen Sie auf! Ich bin dein auf ewig.»

Die Baronin trat herein. Ohne uberrascht zu sein, stutzte sie. — »Ware es ein Ungluck«, sagte der Major,»Schwester! so ist die Schuld dein; als Gluck wollen wir's dir ewig verdanken.»

Die Baronin hatte ihren Bruder von Jugend auf dergestalt geliebt, da? sie ihn allen Mannern vorzog, und vielleicht war selbst die Neigung Hilariens aus dieser Vorliebe der Mutter, wo nicht entsprungen, doch gewi? genahrt worden. Alle drei vereinigten sich nunmehr in einer Liebe, einem Behagen, und so flossen fur sie die glucklichsten Stunden dahin. Nur wurden sie denn doch zuletzt auch wieder die Welt um sich her gewahr, und diese steht selten mit solchen Empfindungen im Einklang.

Nun dachte man auch wieder an den Sohn. Ihm hatte man Hilarien bestimmt, das ihm sehr wohl bekannt war. Gleich nach Beendigung des Geschafts mit dem Obermarschall sollte der Major seinen Sohn in der Garnison besuchen, alles mit ihm abreden und diese Angelegenheiten zu einem glucklichen Ende fuhren. Nun war aber durch ein unerwartetes Ereignis der ganze Zustand verruckt; die Verhaltnisse, die sonst sich freundlich ineinanderschmiegten, schienen sich nunmehr anzufeinden, und es war schwer vorauszusehen, was die Sache fur eine Wendung nehmen, was fur eine Stimmung die Gemuter ergreifen wurde.

Indessen mu?te sich der Major entschlie?en, seinen Sohn aufzusuchen, dem er sich schon angemeldet hatte. Er machte sich nicht ohne Widerwillen, nicht ohne sonderbare Ahnung, nicht ohne Schmerz, Hilarien auch nur auf kurze Zeit zu verlassen, nach manchem Zaudern auf den Weg, lie? Reitknecht und Pferde zuruck und fuhr mit seinem Verjungungsdiener, den er nun nicht mehr entbehren konnte, der Stadt, dem Aufenthalte seines Sohnes, entgegen.

Beide begru?ten und umarmten sich nach so langer Trennung aufs herzlichste. Sie hatten einander viel zu sagen und sprachen doch nicht sogleich aus, was ihnen zunachst am Herzen lag. Der Sohn erging sich in Hoffnungen eines baldigen Avancements; wogegen ihm der Vater genaue Nachricht gab, was zwischen den altern Familiengliedern wegen des Vermogens uberhaupt, wegen der einzelnen Guter und sonst verhandelt und beschlossen worden.

Das Gesprach fing schon einigerma?en an zu stocken, als der Sohn sich ein Herz fa?te und zu dem Vater lachelnd sagte:»Sie behandeln mich sehr zart, lieber Vater, und ich danke Ihnen dafur. Sie erzahlen mir von Besitztumern und Vermogen und erwahnen der Bedingung nicht, unter der, wenigstens zum Teil, es mir eigen werden soll; Sie halten mit dem Namen Hilariens zuruck, Sie erwarten, da? ich ihn selbst ausspreche, da? ich mein Verlangen zu erkennen gebe, mit dem liebenswurdigen Kinde bald vereinigt zu sein.»

Der Major befand sich bei diesen Worten des Sohnes in gro?er Verlegenheit; da es aber teils seiner Natur, teils einer alten Gewohnheit gema? war, den Sinn des andern, mit dem er zu verhandeln hatte, zu erforschen, so schwieg er und blickte den Sohn mit einem zweideutigen Lacheln an. — »Sie erraten nicht, mein Vater, was ich zu sagen habe«, fuhr der Lieutenant fort,»und ich will es nur rasch ein fur allemal herausreden. Ich kann mich auf Ihre Gute verlassen, die, bei so vielfacher Sorge fur mich, gewi? auch an mein wahres Gluck gedacht hat. Einmal mu? es gesagt sein, und so sei es gleich gesagt: Hilarie kann mich nicht glucklich machen! Ich gedenke Hilariens als einer liebenswurdigen Anverwandten, mit der ich zeitlebens in den freundschaftlichsten Verhaltnissen stehen mochte; aber eine andere hat meine Leidenschaft erregt, meine Neigung gefesselt. Unwiderstehlich ist dieser Hang; Sie werden mich nicht unglucklich machen.»

Nur mit Muhe verbarg der Major die Heiterkeit, die sich uber sein Gesicht verbreiten wollte, und fragte den Sohn mit einem milden Ernst: wer denn die Person sei, welche sich seiner so ganzlich bemachtigen konnen. — »Sie mussen dieses Wesen sehen, mein Vater: denn sie ist so unbeschreiblich als unbegreiflich. Ich furchte nur, Sie werden selbst von ihr hingerissen, wie jedermann, der sich ihr nahert. Bei Gott! ich erlebe es und sehe Sie als den Rival Ihres Sohnes.»

«Wer ist sie denn?«fragte der Major.»Wenn du ihre Personlichkeit zu schildern nicht imstande bist, so erzahle mir wenigstens von ihren au?ern Umstanden: denn diese sind wohl doch eher auszusprechen.«—»Wohl, mein Vater!«versetzte der Sohn;»und doch wurden auch diese au?eren Umstande bei einer andern anders sein, anders auf eine andere wirken. Sie ist eine junge Witwe, Erbin eines alten, reichen, vor kurzem verstorbenen Mannes, unabhangig und hochst wert, es zu sein, von vielen umgeben, von ebenso vielen geliebt, von ebenso vielen umworben, doch, wenn ich mich nicht sehr betriege, mir von Herzen angehorig.»

Mit Behaglichkeit, weil der Vater schwieg und kein Zeichen der Mi?billigung au?erte, fuhr der Sohn fort, das Betragen der schonen Witwe gegen ihn zu erzahlen, jene unwiderstehliche Anmut, jene zarten Gunstbezeigungen einzeln herzuruhmen, in denen der Vater freilich nur die leichte Gefalligkeit einer allgemein gesuchten Frau erkennen konnte, die unter vielen wohl irgendeinen vorzieht, ohne sich eben fur ihn ganz und gar zu entscheiden. Unter jeden andern Umstanden hatte er gewi? gesucht, einen Sohn, ja nur einen Freund auf den Selbstbetrug aufmerksam zu machen, der wahrscheinlich hier obwalten konnte; aber diesmal war ihm selbst so viel daran gelegen, wenn der Sohn sich nicht tauschen, wenn die Witwe ihn wirklich lieben und sich so schnell als moglich zu seinen Gunsten entscheiden mochte, da? er entweder kein Bedenken hatte oder einen solchen Zweifel bei sich ablehnte, vielleicht auch nur verschwieg.

«Du setzest mich in gro?e Verlegenheit«, begann der Vater nach einiger Pause.»Die ganze Ubereinkunft zwischen den ubriggebliebenen Gliedern unsers Geschlechts beruht auf der Voraussetzung, da? du dich mit Hilarien verbindest. Heiratet sie einen Fremden, so ist die ganze, schone, kunstliche Vereinigung eines ansehnlichen Vermogens wieder aufgehoben, und du besonders in deinem Teile nicht zum besten bedacht. Es gabe wohl noch ein Mittel, das aber ein wenig sonderbar klingt und wobei du auch nicht viel gewinnen wurdest: ich mu?te noch in meinen alten Tagen Hilarien heiraten, wodurch ich dir aber schwerlich ein gro?es Vergnugen machen wurde.»

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