Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander (прочитать книгу .TXT) 📗
«Er mu? sich was einfallen lassen!«rief Herrick.
Bolitho erwiderte nichts, starrte aber wie gebannt zum Achterdeck der Argus hinuber, wo er schon unter einer Anzahl von Matrosen Le Chaumareys' machtige Gestalt, seinen kleinen, kurzgeschorenen Kopf ausmachen konnte. Sein Erster Leutnant mu?te ihm sehr fehlen, scho? es Bolitho durch den Kopf. Genauso wie Herrick ihm gefehlt hatte, wenn sie nicht auf diese unwahrscheinlich Art wieder zusammengekommen waren.
«Der Wind, Mr. Mudge?«rief er hinuber. Ansehen mochte er den Steuermann nicht.
«Hat einen Strich gekrimpt, Sir! Nach dem Wimpel kommt er jetzt beinahe aus Sudwest.»
«Die Argus gibt Raum, Sir!«schrie Herrick.
Ein einzelnes Hurra ertonte von irgendwoher, aber Bolitho fauchte:»Halten Sie die Leute ruhig!«Schnell fugte er hinzu:»Ruder hart Backbord! Ich will sie so genau vorm Wind wie es irgend geht, Mr. Mudge!»
Starr vor Spannung beobachtete er, wie die Umrisse der Argus sich weiter verkurzten, als sie abdrehte und ihnen Raum gab, so da? die beiden Schiffe jetzt in spitzerem Winkel zueinander standen. Sie sandte noch eine langsame Breitseite heruber, und Bolitho horte einen Schrei von oben: ein Marineinfanterist fiel mit dem Kopf voran ins Netz, Blut quoll aus seinem Mund und spritzte auf die Geschutzbedienung unmittelbar unter ihm.
Anscheinend hatte Le Chaumareys Bolithos direkten Angriff fur einen Akt eitler Tollkuhnheit gehalten. Er hatte den richtigen Moment abwarten wollen, um im Abdrehen die volle Breitseite zu prasentieren und die Undine kampfunfahig zu schie?en, wenn sie versuchte, vor seinem Bug zu passieren.
Bolitho hob die Hand; dabei flehte er insgeheim, da? diese blitzenden Kanonen ihm Zeit genug zum Handeln lassen wurden.
«Backbordbatterie — Einzelfeuer!»
Der Schiffsrumpf erzitterte, und Bolitho atmete tief auf, als der Rauch sich hob und zum Feind hinubertrieb.
«Klar zur Kursanderung!«Er hielt Herricks erschrecktem Blick stand.»Nein, jetzt wollen wir ihn noch nicht umarmen!«Sein Grinsen mu?te irrwitzig aussehen, dachte er.»Wir kreuzen sein Heck — er hat es ungedeckt gelassen!»
Ein schweres Kaliber zerschmetterte das Backbordschanzkleid, warf einen Zwolfpfunder um und farbte Planken und Gratings mit hellroten, rasch gro?er werdenden Flecken.
Soames' Befehle ubertonten die Schreie und Fluche der Manner: mit wilden Augen starrte er durch den Rauch.»He da, Manners! Die Handspeiche — schneller, zum Teufel!«Denn der Matrose Manners tastete verwirrt an seinem blutverschmierten Hosenbein herum — aber Blut und Fleischfetzen stammten von der Geschutzbedienung nebenan.
Bolitho senkte die Faust.»Jetzt! Leeruder!»
Durch den auffrischenden Wind und den Kurswechsel bekam die Undine starke Schlagseite; die Geschutzbedienungen feuerten noch eine unregelma?ige Save ab, bevor die Argus aus der Ziellinie glitt.
«Mr. Davy«, brullte Bolitho,»die Steuerbordbatterie!»
Von der Backbordbatterie hasteten einige Manner hinuber, um ihren Kameraden zu helfen. Oben erzitterten Spieren und stohnten Blocke protestierend auf; mehr als ein Matrose fiel der Lange nach hin, als das Schiff mit laut schlagenden Segeln und fast mittschiffs gebra?ten Rahen hart an den Wind ging.
Knallend ri? das Vorroyal mittendurch, seine Fetzen flatterten wie Wimpel im Wind, aber Bolitho kummerte es nicht. Er beobachtete, wie die dunkle Silhouette der Argus weiter nach Steuerbord glitt, wahrend die Undine genau auf ihr Heck zuhielt. Geschosse fuhren krachend in Rumpf und Takelage, und Bolitho wurde es fast ubel, als er sah, wie zwei Matrosen zu einer blutigen Masse zerquetscht wurden.
Davys Stimme uberschlug sich beinahe:»Steuerbordbatterie — Einzelfeuer!«Der Feuerbefehl wurde fast vom Krachen des vordersten Geschutzes ubertont, dem sofort die anderen auf ganzer Lange folgten, wahrend die Argus wie eine schwarze Wand uber ihnen aufragte.
«Putzen! Laden! Ausrennen!»
Das Ausrennen ging jetzt leicht, weil die Undine so stark krangte, da? jeder Lauf fast von selbst durch die Pforte stie?, quietschend wie ein wutender Keiler.
«Erst auf Befehl!«rief Bolitho durch die hohlen Hande den Kanonieren im Vorschiff zu. Mehrere Tote lagen dort; vermutlich hatten Le Chaumareys' Scharfschutzen erraten, was er vorhatte.
Eine Musketenkugel schlug gellend gegen einen Sechspfunder, und einer der Ruderganger sturzte gurgelnd und um sich schlagend vornuber — der Querschlager hatte ihm den Unterkiefer weggerissen.
Bolitho uberschrie den Gefechtslarm:»Einen Strich abfallen, Mr. Mudge! Sie wissen, was ich heute von Ihnen erwarte!«Schatten tanzten ubers Deck, als Stucke der Takelage, eine Muskete und allerlei Splitter oben in den aufgespannten Netzen wippten.
Und da war auch die Argus, die schwer nach Steuerbord stampfte in dem Versuch, die Bewegung der Undine abzufangen — aber vergeblich: die britische Fregatte kreuzte unbehelligt ihr Heck.
«Feuer!»
Die erste Kanonade krachte, ri? Stucke aus dem Heck der Argus und schlug die kleine Achterdecksgalerie in Trummer. Einer nach dem anderen folgten die Zwolfpfunder dem Beispiel der kleineren Kaliber; die Kugeln krachten ins Achterschiff oder flogen durch die offenen Fenster und trugen Tod und Verderben ins Schiffsinnere.
Die Manner der Undine brullten Hurra, obwohl die Deckoffiziere schimpfend dazwischenschlugen; uber der machtigen Rauchwand sah Bolitho die Masten der franzosischen Fregatte langsam achtern weggleiten. Jetzt durfte er nicht straucheln.
«Wir wenden und gehen auf Backbordbug!»
«Aye, Sir. «Herrick wischte sich das schwei?uberstromte Gesicht. Uber den Pulverflecken auf Wangen und Mund leuchtete der Verband im rauchigen Sonnenlicht wie ein wei?er Turban.»Hei?e Arbeit heute, Sir!»
«An die Brassen! Klar zur Wende!»
Ein schreiender, blutuberstromter Matrose wurde von seinem Geschutz weggeschleift. Als Whitmarshs Leute ihn hochhoben, wand er sich und wollte sie wegsto?en — er hatte wohl mehr Angst vor dem, was ihn unten erwartete, als vor dem Tod an
Deck.
Mit knatternden Segeln, durch deren zahllose Schu?locher der Wind pfiff, ging die Undine auf den anderen Bug, wandte sich von den Inseln ab und der Sonne zu.
Der Seegang schien jetzt viel starker; Gischt zerspruhte im Wind und flog fast pausenlos als Spruhwasser uber das Deck. Bolitho rieb sich die Augen und versuchte, den Hustenreiz zu unterdrucken. Wie seine Augen waren auch seine Lungen wund vom Pulverrauch und Gestank der Schlacht. Unablassig beobachtete er das feindliche Schiff, das uber dem Gischt zu schweben schien. Ob beabsichtigt oder nicht, Le Chaumareys hatte nun jedenfalls den Windvorteil, und sein Schiff stand jetzt ungefahr eine Kabellange an Steuerbord voraus. Wenn die Undine ihr Uberholmanover fortsetzte, wurden beide Schiffe parallel laufen, nur auf Musketenschu?weite voneinander entfernt. Auf so morderisch kurze Entfernung konnte die Argus Vergeltung uben.
Er warf einen raschen Blick auf Mudge. Auch der beobachtete See und Masttopp — aber aus dem gleichen Grund? Doch wenn er ihn jetzt fragte und damit verriet, da? er auf ein Wunder angewiesen war, dann wurde das seinen Mannern genauso den Kampfgeist nehmen, als waren sie entscheidend geschlagen worden. Sie kauerten bei ihren Geschutzen, keuchend und nach Luft schnappend, Rammen, Handspeichen, Ausputzer, Taljen in den teerigen Fausten. Ihre nackten Oberkorper waren vom fettigen Pulverstaub verschmiert, durch den der Schwei? in dunnen Streifen, Peitschenstriemen gleich, hinabflo?. In den geschwarzten Gesichtern gluhten die Augen wie die gefangener Tiere.
Die Marineinfanteristen luden ihre Musketen nach, und Bellairs schritt mit seinem Sergeanten an der Heckreling entlang. Am Ruder hatte ein anderer den Platz des Toten eingenommen, und Carwithens brutaler Kiefer mit den kalten, ausdruckslosen Augen daruber bearbeitete einen Priem. Das Geschutzdeck war jetzt dunn bemannt.