Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander (прочитать книгу .TXT) 📗
Er horte die Backbord-Stuckpforten beim Aufgehen quietschen; dann warfen sich auf Soames' Kommandogebell die Geschutzbedienungen in die Zuge, die schwarzen Mundungen schoben sich immer schneller rumpelnd ans Tageslicht und standen drohend uber dem milchigen Wasser.
Davy fa?te an den Hut.»Alle Geschutze ausgerannt, Sir!»
Sein Gesicht war hager vor Anspannung.
«Danke.»
Bolitho behielt den dunklen Kegel quer vor der Durchfahrt im Auge. Kein weiteres Mundungsfeuer blitzte aus diesen machtigen Rohren. Es hatte geklappt. Selbst wenn die Besatzung der Festung noch imstande war, einige Geschutze von der Landseite heruber zu schaffen, geschah das doch zu spat, um die Undine noch zu treffen, die jetzt in den treibenden Rauchvorhang stie?.
Er beschattete die Augen und starrte auf den Fetzen Land, auf jene dunklen Striche — die Masten und Rahen der ersten Fregatte. Bald. Sehr bald. Er fa?te den Degen so fest, da? seine
Knochel wei? hervortraten. Tief innen fuhlte er Schmerz und Zorn, eine wachsende, blinde Wut, die nur Rache fur Herrick lindern konnte.
Und dann kehrte das Sonnenlicht zuruck, wurde mit jeder Minute starker. Bolitho enterte ein Stuck in die Luvwanten auf, unbekummert um Wind und Spruhwasser, das auf seinem Rock hangenblieb wie perlwei?e Schmuckspangen. Vor der Undine lief ihr langer Schatten uber das kabblige Wasser, sein eigener Schatten war dabei deutlich zu unterscheiden wie ein Detail in einem Webmuster.
Er blickte zu Mudge hinunter.»Klar zum Kurswechsel, sobald wir die Landspitze passiert haben!»
Er wartete, bis die Brassen bemannt waren, wo nun die Sonne die blo?en Rucken beschien, eine Tatowierung oder einen besonders langen Zopf hervorhebend. Dann sprang er an Deck und zerrte an seinem Halstuch, als wurge es ihn.
«Marineinfanteristen, Achtung!«Bellairs hatte seinen eleganten Schleppsabel gezogen und musterte seine Manner, die sich auf den dichtgepackten Hangematten eine Auflage fur ihre langen Musketen suchten.
Neben jeder offenen Stuckpforte kauerte ein Geschutzfuhrer und hatte seine Abzugsleine schon fast straffgespannt, wahrend er darauf lauerte, da? er ein Ziel vors Rohr bekam.
Das Stuckchen Land sprang ins Blickfeld, als ob es das Schiff beruhren wollte. Die Bugwelle krauselte das Wasser zwischen ein paar zerklufteten Felsen, die Bolitho von seinem Besuch her noch in Erinnerung hatte.
«Klar bei Brassen!»
Mudge brullte:»Ruder nach Backbord! Lebhaft!»
Wie ein Vollblutpferd warf sich die Undine unter dem Druck von Segel und Ruder herum; die Rahen kamen gleichzeitig uber, als sie ins Sonnenlicht drehte.
«Ruder Nordost zu Ost!«Mudge warf sich mit der ganzen Kraft seines ungefugen Korpers mit in die Speichen.»Stutzen, ihr Mistkerle!»
Ein paarmal krachte es dumpf, und eine Kugel flog mit einem Knall wie von einer Peitsche durch das Vormarssegel.
Bolitho nahm kaum Notiz davon. Er starrte die vor Anker liegende Fregatte an, das Gewimmel auf ihren Rahen und an Deck, die Vorbereitungen zum Ankerlichten.
Davy war ebenso enttauscht wie er.»Das ist ja gar nicht die Argus, Sir!»
Bolitho nickte. Es war die andere Fregatte. Die, welche von ihrer Besatzung aufgegeben worden war. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, jede einzelne Bewegung zu beobachten, um sich vorzustellen, was geschehen war.
Le Chaumareys war weg. Zufall? Oder hatte er wieder einmal seine Uberlegenheit bewiesen, seine Gerissenheit, die noch nie ubertrumpft worden war?
Wild schwang er die alte Klinge uber seinem Haupt und brullte:»Steuerbordbatterie! Auf das erkannte Ziel!«Blitzend fuhr der Degen nieder. »Feuer!»
Brullend brach die Breitseite aus der Undine, Geschutz nach Geschutz erfa?te sein Ziel. Soames tobte an jedem rucklaufenden Verschlu?block vorbei, brullte die Manner an und beobachtete durch die Stuckpforten die Wirkung des Beschusses. Rauch drang aus den Pforten und rollte auf das gegnerische Schiff zu.
Hier und da blitzte druben ein erwiderndes Geschutz auf; mindestens eine Kugel schmetterte in die Bordwand der Undine, Bolitho spurte die Decksplanken unter seinen Fu?en erbeben.
Unter Fluchen und Gebrull ihrer Bedienungen mischten sich jetzt auch die Achterdecksgeschutze ein. Die plumpen Sechspfunder stie?en auf ihren Schienen innenbords, mit brennenden Augen wischten die Mannschaften die Rohre aus und rammten in Sekundenschnelle die neuen Ladungen hinein.
Hoch uber ihren Kopfen, rechts und links gerauschvoll ins Wasser platschend, erreichte sie eine Salve kleinerer Kaliber, ob von der Festung oder der Fregatte, das wu?te Bolitho nicht, und es war ihm auch gleich. Lebhaften Schrittes uberquerte er das Deck und sah dabei nur die kahlgeschossenen Masten des gegnerischen Schiffes, den bunten Wimpel mit dem aufgebaumten Wappentier und die wachsende Qualmwolke der unaufhorlich einschlagenden Salven der Undine.
Einmal uberlief ihn ein Schauder, als er ein verkohltes Treibgut achteraus vorbeischaukeln sah: einen kopflosen Leichnam, der sich im Kielwasser der Undine drehte, rote Blutfaden gleich obszonen Algen hinter sich herziehend.
Herrick hatte gewu?t, da? die Argus verschwunden war, er hatte die Reede lange vor der Undine uberblickt. Er hatte nicht gezogert. Wieder fuhlte Bolitho ein stechendes Brennen in den Augen, Wut und Ha? brodelten in ihm hoch. Wieder krachten die Achterdeckgeschutze, bei den scharfen Detonationen zog sich ihm der Magen zusammen. Die Bedienungen sturzten mit Handspeichen vor, um die Kanonen fur die nachste Salve auszurichten.
Herrick hatte es akzeptiert — wie fruher auch. Dafur hatte er gelebt.
Laut, ohne sich um Mudge und Davy zu scheren, stie? er hervor:»Diese idiotischen Intriganten! Hol sie der Teufel fur ihre Dummheit!»
«Die Fregatte hat die Ankertrosse gekappt, Sir!«schrie Keen.
Bolitho rannte zu den Netzen, fuhlte dabei dicht vor seinen Fu?en eine Musketenkugel ins Deck schlagen. Es stimmte — Muljadis Schiff trieb unbeholfen in Wind und Stromung, sein Heck schwang wie ein Torflugel quer vor die Undine. Jemand mu?te da die Nerven verloren haben, oder vielleicht war in dem Durcheinander ein Befehl mi?verstanden worden.
Er brullte:»Wir gehen langsseits! Klar bei Marsfallen! Ruder hart Lee!»
Wieder sturzten die Manner an die Brassen, donnernd schlugen die Marssegel in plotzlicher Freiheit, elegant schwang die Undine nach Backbord, bis ihr Kluverbaum auf die ferne Pier und die schwelenden Trummer wies.
Soames kommandierte:»Richten! Fertig!«Seine rotgeranderten Augen wanderten an der Reihe keuchender Geschutzbedienungen entlang, wie ein Marschallstab deutete sein Degen:»Schafft den Mann da weg!«Er rannte hin und half, einen Verwundeten von einem Zwolfpfunder wegzuziehen.»Jetzt!«Sein Degen fuhr nieder.»Breitseite!»
Diesmal feuerte die ganze Batterie in einer einzigen krachenden Flammenwand, aus der lange rote Zungen in den Qualm stie?en, der sich wie in Todeszuckungen wand.
Heiseres Triumphgeschrei:»Da geht ihr Vormast!»
Bolitho rannte zum Decksgang, Seesoldaten und Matrosen polterten ihm nach. Hoch uber dem Rauch schleuderten die behenden Toppsgasten bereits ihre stahlernen Draggen, forderten einander lachend zum Wettkampf heraus; jede Mannschaft wollte schneller sein als die andere. Und noch ein Hurra, als die Undine knirschend gegen die steuerlos treibende Fregatte stie?, ihren Bugspriet hoch uber die Kampanje des Gegners schob. Wahrend ihre Restfahrt die Schiffe dichter gegeneinander trieb, bellten die Waffen lauter denn je, denn jetzt trugen sie ihre Zerstorungswut nur uber knappe drei?ig Fu?breit wirbelnden Wassers.
«Entern!»
Bolitho griff in die Gro?mastwanten und pa?te den Moment ab, in dem Soames brullte:»Feuer einstellen! Drauf, Jungs! Haut die Bastarde zusammen!«Dann war er druben, krallte sich in die Enternetze des Gegners, die von den Breitseiten schon machtige Risse aufwiesen. Muljadi schien seinen Angriffsplan schon fertig gehabt zu haben, denn aus den Decks quollen Hunderte von Mannern, um die hurraschreienden, fluchenden Enterer zu empfangen.