Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗
Was hatte er zu Gilchrist gesagt? Berichten Sie nur, da? wir es versucht haben. Es klang wie ein Grabspruch.
Er ri? sich zusammen und stellte das Glas weg. In funf oder sechs Stunden ging die Sonne unter, dann mu?te er unterwegs sein. Der Wind behinderte sie jetzt nicht mehr, sondern half; und diesmal wurde das Ziel viel zu gro? sein, um es zu verfehlen.
In den nachsten Tagen segelte das Geschwader nach Osten und dann nach Suden; jede Woche verlief wie die andere. Bolitho formierte seine kleine Streitmacht in breiter Front, die Lysander am nordlichen, die Immortalite am sudlichen Flugel.
Der Wind wurde faul und launisch, kam aber meist von Norden, so da? Bolitho, obwohl wahrend der Nacht die Formation aufbrach, in breiter Linie weitersegeln konnte. Probyns Nicator lief in der Mitte, als standige Erinnerung an Gilchrists Aussage: das schwachste Glied der Kette, aber doch unter einem Mann, der unersetzlich war, weil er genugend Erfahrung besa?, um einen Zweidecker in der Schlacht zu fuhren. Fast drei Meilen lagen zwischen jedem Schiff; mit guten Leuten im Ausguck war zu hoffen, da? man auf so breiter Front die feindliche Flotte oder wenigstens eine streifende Patrouille sichten wurde.
Bolitho hatte Inch dem Geschwader vorausgeschickt, weil die schnelle, wendige Schaluppe lange vor den schwerfalligeren Linienschiffen in Alexandria sein konnte.
Mit jedem Tag brannte die Sonne hei?er, und die erste Begeisterung ging nach und nach in eine realistischere, resignierende Haltung uber. Sooft es moglich war, wurde Geschutzexerzieren angesetzt; nicht nur um die Leute zu beschaftigen, sondern auch, um die Neulinge in ihre Gruppen zu gewohnen. Herrick hatte ihm berichtet, da? der Zahlmeister bereits bei den letzten Reihen der Salzfleischfasser angelangt war. Obst gab es nicht, und auch das Trinkwasser wurde knapp, vom Waschwasser gar nicht zu reden.
An Bord der Lysander tat Herrick sein Bestes, um die Manner nicht nur auf Wache zu beschaftigen, sondern sie auch etwas zu ihrer eigenen Unterhaltung beitragen zu lassen, sobald die Sonne am Ende jedes langen Tages unterging: Hornpipe, [28] Ringkampfe, eine Doppelration Rum als Pramie fur die originellste Knupfarbeit. Sich auf diesem Gebiet immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen, war schwieriger, als den taglichen Borddienst aus Segel-und Geschutzubungen zu absolvieren.
Bolitho hoffte, da? Javal und Probyn sich ebensoviel Muhe gaben, um ihre Mannschaft in Form zu halten. Denn auch, wenn sie diesmal den Feind nicht fanden, war es noch nicht zu Ende. Dann kam der lange, ruhelose Weg zuruck nach Syrakus oder nach einem anderen Punkt auf der Karte, den der Kommodore angekreuzt hatte, weil er ihn fur aussichtsreich hielt.
Mehrmals hatte Javal signalisiert, da? er die Nordkuste Afrikas gesichtet hatte, aber sonst schienen sie die See fur sich allein zu haben.
Streit brach aus; bei einer Messerstecherei wurde einer der Kampfer schwer verwundet, und der andere wurde ausgepeitscht, bis er bewu?tlos war — eine grimmige Erinnerung an die Borddisziplin.
Dann, als Bolitho schon begann, sich wegen der Harebell ernsthaft Sorgen zu machen, sichtete der Ausguck die Schaluppe, die sich von Sudosten herankampfte. Inch brauchte einen vollen Tag, um aufzuschlie?en. Und als er endlich an Bord kam, wirkte die Nachricht, die er brachte, wie ein Schlag ins Gesicht.
Er war an der Halbinsel Pharos vorbei moglichst nahe an Alexandria herangesegelt. Doch wie schon vorher, war der Hafen leer bis auf das alte turkische Kriegsschiff. Ratlos hatte Inch gewendet und war zufallig auf ein kleines Genueser Handelsschiff gesto?en. Der Kapitan hatte bestatigt, was Bolitho von Anfang an vermutet hatte: Von Neapel aus war Nelson direkt nach Alexandria gesegelt; doch als er da nichts vorfand, hatte er sich mit seiner Flotte wieder nach Westen gewandt. Wie weit und in welcher Absicht, das konnte Bolitho nur vermuten; doch er vermochte sich vorzustellen, wie enttauscht der Admiral gewesen war, als er weder in Neapel noch in Syrakus Informationen vorgefunden hatte und trotzdem seine Entscheidungen treffen mu?te.
Dieser Genueser hatte Inch und seinem Enterkommando erzahlt, da? er von schweren franzosischen Kriegsschiffen gehort hatte, die vor der Kuste Kretas liegen sollten. Aber das war schon viele Tage her. Trotz aller Fragen, Kartenvergleiche, sogar Drohungen war aus dem Handler nichts Genaueres herauszubekommen gewesen.
Es war schon fast dunkel, als Inch seinen Bericht schlo?. Herrick und Grubb hatten seine durftigen Angaben auf die Karte ubertragen.
Bolitho wollte am Morgen die Harebell wieder losschicken, um die Flotte zu suchen. Er an Inchs Stelle ware froh gewesen, wieder von den schwerfallig manovrierenden Zweideckern wegzukommen. Doch Inch protestierte:»Ein Tag mehr oder weniger spielt keine Rolle, Sir. Die Franzosen sind irgendwo nordlich von uns. Es ware besser, wenn ich bei Ihnen bliebe und vielleicht etwas Definitives fur Nelson erfahren konnte. Wenn ich seine Flotte finde und ihm nur Geruchte zu bieten habe, hat das nicht viel Zweck.»
Bolitho hatte dem halbherzig zugestimmt. Bei besserem Wetter und ohne den gro?en Zeitverlust durch die Schlacht vor Korfu hatten sie vielleicht mehr Gluck gehabt.
Als er mit Herrick uber seine Sorgen sprach, hatte dieser ebenso entschieden protestiert wie Inch.
«Sie konnen nichts weiter tun, Sir. Sogar Vizeadmiral Nelson hat beim Sturm die Masten verloren und die Frogs aus Toulon entwischen lassen. Das ist, als suche man ein Kaninchen in einem gro?en Bau und hatte nur ein Frettchen. Die Chancen sind nicht sehr gro?.»
Bolitho sah die beiden an und lachelte.»Wenn ich euch befehlen wurde, ihr sollt die Klippen von Dover hinaufsegeln — ich glaube, ihr wurdet auch das machen!»
«Nur auf schriftlichen Befehl, Sir«, grinste Inch.
Sie gingen zusammen an Deck, und wahrend Inch auf sein Boot wartete, starrte Bolitho in den gluhenden Ball der untergehenden
Sonne, deren Widerschein bereits wie buntes Fensterglas auf dem Wasser lag.»Also dann morgen.»
Er ging nach achtern, sah auf den Kompa? und nickte dann Plowman zu, der Steuermannsmaat der Wache war.»Wie ist der Wind?»
«Ziemlich stetig, Sir. «Plowman sah mit zusammengekniffenen Augen zu dem langen Wimpel hoch, der gleichma?ig vor dem Sonnenuntergang flatterte.»Morgen wird wieder so ein Tag wie heute.»
Bolitho blieb noch stehen, denn Herrick kam soeben vom Fallreep zuruck.»Geben Sie Signal an alle: Nachts in engem Kontakt bleiben«. sagte Bolitho zu ihm. Ein Schauer uberlief ihn, und er verschrankte die Arme vor dem Leib.
Betroffen sah Herrick ihn an.»Ist Ihnen nicht wohl, Sir? Geht es etwa wieder mit dem verdammten Fieber los?»
«Keine Angst«, lachelte Bolitho.»Es war nur so ein dummes Gefuhl. «Er wandte sich zur Kampanje.»Ich habe einen Brief zu schreiben. Inch kann ihn mit seinen Depeschen uberbringen.»
Spater, in der gro?en, knarrenden Kajute, unter dem schwankenden Schein der Tischlampe, den Kopf in die Hand gestutzt, starrte Bolitho auf den Brief an seine Schwester in Falmouth nieder.
Er sah Nancy deutlich vor sich. Dunkelaugig, stets vergnugt, hatte sie ihm immer nahergestanden als Felicity, seine andere Schwester, die er seit sechs oder sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie lebte mit ihrem Mann, einem Armeeoffizier, in Indien. Nancy dagegen war als Frau des Gutsbesitzers und Ratsherrn Lewis Rox-by in Falmouth geblieben, der, wenigstens nach Bolithos Ansicht, ein aufgeblasener, langweiliger Kerl war. Einst hatten sie zusammen im Schatten der Mauern von Pendennis Castle gelebt. Mit Hugh, und dann, drei Jahre spater, mit Nancys beiden Kindern Helen und James. Jetzt war Hugh tot und Felicity auf der anderen Seite der Erde, und sie hatte keine Ahnung, da? die franzosische Flotte uber das blaue Meer nach Agypten segelte und dann zu ihr nach Indien wollte.
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ein Matrosentanz