Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander (читать книги без txt) 📗
Inch schuttelte seine Gedanken ab.»Ich meinerseits werde mich nicht an Deck begeben, ohne nach dem Master zu rufen, Mr. Gos-sett.»
Zur halben Nachmittagswache kam Bolitho zuruck aufs Achterdeck. Er stand da und beobachtete das Land, wahrend seine Gedanken zu den vergangenen Wochen zuruckschweiften, zu den Hoffnungen und Enttauschungen, die seine standigen Gefahrten gewesen waren. Er fuhlte jetzt rings um sich herum, wie das Schiff lebendig wurde. Von der Back horte er das gleichma?ige Klicken des Ankerspills, begleitet von der Fidel des Shanty-Vorsangers, aber ubertont von Tomlins machtiger Stimme, der seine Leute auf ihre Stationen schickte. Es war ein sehr alter Shanty, der seinen Ursprung im westlichen England hatte, woher auch die meisten Besatzungsmitglieder der Hyperion stammten. Einige von ihnen waren jetzt sicher in Gedanken daheim, als sie sich geschaftig an Deck oder oben auf den Rahen bewegten, dachte Bolitho. Spanien war weit, weit weg von Devon oder Cornwall, aber lieber dort als auf der anderen Seite des Atlantik.
Er wandte sich um, als Inch uber das Achterdeck kam und an seinen Hut tippte.»Anker ist kurzgeholt, Sir.»
«Sehr gut. «Bolitho warf einen Blick hinuber zur Inpulsive und auf die Tatigkeit auf ihren Rahen. Hinter ihr lag das Wrack der Telamon, als stumme Erinnerung daran, was sie erlebt hatten, und als Warnung fur sie alle. Langs des Ufers sah er viele stumme Zuschauer ihres Aufbruchs und fragte sich, ob wohl auch de Block darunter war. Er war vor einer Stunde an Bord gewesen, um Bo-litho seine Aufwartung zu machen und sich fur die ihm uberlassene Fregatte zu bedanken. Keiner hatte die Moglichkeit erwahnt, da? — sollte Holland in den Krieg hineingezogen werden — das Schiff wieder gegen seinen Stifter eingesetzt werden konnte. Auch das war ein Teil dessen, was sie miteinander durchgemacht hatten.
De Block hatte ihm das kleine, schon geschnitzte Modell eines hollandischen Kriegsschiffs ubergeben.»Als Erinnerung, Kapitan. Vielleicht geben Sie es eines Tages weiter an Ihren Sohn.»
Bolitho hatte ihn am Fallreep verabschiedet und ihm nachgeschaut, als er zu seiner einsamen Residenz zuruckgerudert wurde, wo er sein Erdendasein wohl beenden wurde. Hoffentlich konnte er wenigstens die letzten Jahre in Frieden leben.
Er straffte sich und sagte dann kurz:»Also los, Mr. Inch. Bringen Sie das Schiff in Bewegung, wenn's recht ist!»
Mit dem Signal zum Ankerlichten, das von ihrer Rah auswehte, brach die Hyperion ihren Anker los und trieb unter dem Druck des frischen Windes zunachst ein Stuck achteraus. Bolitho hielt sich an den Netzen fest, als die Segel sich dann fullten und das Schiff sich auf die Seite legte. Er beobachtete die Seeleute an den Fallen, Gei-tauen, Schoten und Halsen, die Hand uber Hand arbeiteten, als sich nun weitere Segel entfalteten und blahten. Die Manner an den Brassen brauchten keinen Ansporn, und als dann der Anker aus dem Wasser kam und beigefangen wurde, hatte das Schiff schon Fahrt voraus aufgenommen und naherte sich der letzten Landspitze und dem blauen Horizont dahinter.
Als die Hyperion sich an der Hugelbatterie vorbeischob, sah Bo-litho, wie die hollandische Flagge zum Gru? gedippt wurde. Dann drehte er sich um und beobachtete, wie seine anderen Schiffe ihre Marssegel setzten und sich — ihm folgend — vom Ankerplatz freisegelten: Hermes, Impulsive und die schlanke Spartan. Als letzte kam die kleine Korvette um die Landspitze herum. Ihr Vorschiff war vollig von Spritzern uberspruht, als sie hoch an den Wind ging, um ihre vorschriftsma?ige Position in Luv des in Kiellinie segelnden Geschwaders einzunehmen.
Es war nur ein schwaches Geschwader, dachte Bolitho. Aber im selben Augenblick begriff er auch, da? er es nicht gegen eine ganze Flotte eingetauscht hatte.
Der zweite Morgen auf See zog so schon und klar herauf wie die anderen davor, aber als Bolitho nach einem hastig eingenommenen Fruhstuck an Deck kam, konnte er den Unterschied fast korperlich spuren. Mit dichtgeholten Segeln uber Steuerbordbug segelnd, lag das Schiff weiterhin sehr schrag, aber die kurzen Wellen mit den wei?en Kopfen hatten uber Nacht einer langen Dunung mit geschlossenen Reihen schaumgekronter Wogen Platz gemacht, wodurch die Schiffsbewegungen heftiger und unangenehmer geworden waren. Wahrend der Nacht waren sie aus dem Landschutz von Trinidad herausgetreten und standen nun im Atlantik selber. Ringsum war am Horizont kein Land mehr zu sehen.
Er warf einen Blick auf den in seinem Gehause pendelnden Kompa? und dann auf den Stand der Segel. Sie steuerten immer noch genau Kurs Ost, und als er sich uber die Reling lehnte und nach achtern schaute, sah er die Impulsive, die gerade in ein tiefes Wellental eintauchte und dann gischtuberspruht wieder hochkam. Sie hielt ihren Platz drei Kabellangen hinter der Hyperion. Ihre Segel verdeckten fast die Hermes, die etwas hinterherhinkte und bereits mehr als zwei Meilen Abstand haben mochte.
Inch wartete, bis Bolitho seinen morgendlichen Rundblick beendet hatte. »Dasher steht auf Position in Luv, Sir.»
Bolitho grunzte nur und arbeitete sich langsam das schrag liegende Deck hoch. Die Spartan war au?er Sichtweite, auf Erkundung weit vor ihnen. Wie ublich, empfand er Neid auf Farquhar und seine Bewegungsfreiheit.»Wir werden in funfzehn Minuten Kurs andern, Mr. Inch. Rufen Sie >alle Mann< auf Stationen!»
Er hatte keine Lust zu einer langeren Unterhaltung, denn seine Gedanken waren noch ganz mit seinen Berechnungen und den Moglichkeiten, die er der Karte entnommen hatte, beschaftigt.
Gossett fa?te an seinen verbeulten Hut.»Dreihundertfunfzig Meilen nach dem Log, [8] Sir. Das ist schon ganz schon fur den Anfang.»
Bolitho schaute ihn an.»Wollen mal sehen, was wir noch schaffen.»
«Wo, meinen Sie, konnte der Franzose jetzt sein, Sir?«Inch war wieder neben ihm. Er kniff die Augen zusammen, als er gegen den Wind beobachtete, wie die Manner auf ihre Manoverstationen liefen.
«Ich schatze, da? Lequiller nach Las Mercedes zurucksegelte, um Perez und seine Landsknechtstruppe abzuholen. Ich nehme an, da? er die Soldaten auf dem Schatzschiff untergebracht hat, als doppelte Sicherung. «Er schaute zum Wimpel an der Mastspitze hoch.»Er ist jetzt auch auf dem Weg zum Treffpunkt, aber wohl mit langsamerer Fahrt, we gen der San Leandro.»
Er drehte sich ungeduldig um und machte Gossett ein Zeichen.»Wir andern Kurs um sieben Strich und gehen auf den anderen Bug. «Er spurte, wie Spritzer uber sein Gesicht geweht wurden, und schmeckte Salz auf der Zunge.
Der Master nickte.»Aye, aye, Sir.»
Fur Inch fugte Bolitho noch hinzu:»Wenn wir auf dem neuen Kurs sind, mochte ich Bramsegel setzen. «Er wartete, bis sich auf Inchs langem Gesicht ablesen lie?, da? er den Befehl verarbeitet hatte.»Und danach konnen Sie auch gleich noch die Leesegel [9] ausbringen. «Inch schluckte.»Bei so viel Leinwand, Sir, wird die Hermes kaum noch mithalten konnen.»
«Tun Sie wie befohlen, Mr. Inch. «Bolitho sah ihn kuhl an.»Wir haben diesmal keinen Passat, der uns unter die Rockscho?e blast, also mussen wir erst mal Norden halten, bevor wir mit den Westwinden Kurs auf Spanien nehmen konnen. «Etwas nachsichtiger fuhr er fort:»Aber bisher war uns der Passat noch gewogen, Mr. Inch. Haben Sie also Geduld.»
Er wandte sich ab und rief:»Legen Sie Ruder zur Wende!»
Als sich die beiden Ruderganger in die Speichen des doppelten Steuerrades stemmten, beobachtete Bolitho die Manner auf dem Vorschiff, wie sie die Schoten der Vorsegel loswarfen, wahrend andere die Brassen aufnahmen, bereit, die Rahen rundzuholen, wenn das Schiff den Wind von der anderen Seite bekam.
«Ruder liegt hart Backbord, Sir!«»Gei auf Gro?segel und Fock!»
8
Gerat zur Bestimmung der Schiffsgeschwindigkeit und damit der zuruckgelegten Strecke
9
An den verlangerten Rahen ausgebrachte Zusatzsegel, die beidseits weit hinausragen und die Wirkung eines leichten, achterlichen Windes verstarken.