Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander (читать книги без регистрации .txt) 📗
Poland gestattete sich ein seltenes Lacheln.»Fur mich auch nicht, Sir Richard.»
Bolitho sah sich nach Jenour um.»Lassen Sie Wasserleichter langsseits kommen, sobald wir ankern, Kapitan. Und loben Sie Ihre Mannschaft mal, das wird allen gut tun. Es war eine sehr schnelle Reise.»
Als die Achterdeckswache den gro?en Besanbaum schiftete, stach das Sonnenlicht wie mit blitzenden Lanzen nach ihnen. Bolitho bi? die Zahne zusammen. Aber sie hatten sich alle geirrt, sein Auge war in Ordnung. Er konnte die anderen Schiffe trotz des Hitzeflimmerns klar und deutlich erkennen.
Jenour beobachtete ihn und nickte Allday zu, der mit dem polierten Degen nach achtern kam. Es gab also doch noch Hoffnung.
Die beiden Fregatten drehten in den Wind und ankerten erheblich fruher als selbst der grimmige Mr. Hull vorhergesagt hatte. Signale wurden ausgetauscht, Boote zu Wasser gelassen, Sonnensegel aufgeriggt. Bolitho beobachtete das alles vom Achterdeck aus, wahrend er noch einmal uber seinen Auftrag nachdachte.
Der Landeplatz im Nordwesten war fur den ersten Angriff gut gewahlt, es gab keinen besseren. Bolitho studierte die Karte mit gro?ter Sorgfalt. Die Saldanhabucht war flach und geschutzt genug, um dort Truppen und Marineinfanterie anlanden zu konnen. Die Schiffe wurden ihnen zunachst Feuerschutz geben. Doch im Binnenland begannen dann die wirklichen Probleme, denn die Bucht lag einhundert Meilen von Kapstadt entfernt. Die englische Infanterie, wochenlang auf engstem Raum an Bord zusammengepfercht, war noch nicht fit fur lange Fu?marsche und standige Scharmutzel. Die Hollander, diese hervorragenden Soldaten, wurden sich nicht alle paar Meilen mit ihnen schlagen, sondern Vorrate und Wasserstellen unbrauchbar machen und den erschopften Truppen erst vor Kapstadt entschlossen entgegentreten. Widerstand bei der bevorstehenden Landung schien also wenig wahrscheinlich.
Bolitho verspurte seine alte Ungeduld. Es wurde einen langen und teueren Feldzug geben, der um die Nachschublinien gefuhrt wurde von Truppen, die bisher nur den Garnisonsdienst in Westindien kennengelernt hatten — auf den Inseln des Todes, wie die Infanterie sie nannte. Dort starben mehr Manner an Fieber als im Feuer des Feindes.
Jenour naherte sich gru?end.»Ihre Depesche an den General ist unterwegs, Sir Richard. Mit dem Schoner Miranda.»
Bolitho beschattete die Augen und sah den kleinen, grazilen Schoner sich von den anderen Schiffen freikreuzen. Sein Kommandant war sicher froh, fur ein paar Tage fremder Befehlsgewalt zu entkommen.
Abendrote breitete sich uber den glitzernden Horizont und tauchte Masten und Spieren in Bronze. An Land hatte man die Ankunft der Truculent bestimmt genauso aufmerksam registriert wie auf den anderen Schiffen.
«Was bedruckt Sie, Stephen? Raus damit.»
Jenour hatte sich gut unter Kontrolle, aber Bolitho konnte man nichts vormachen.»Ich denke«, er befeuchtete sich die trockenen Lippen,»der Commodore hatte langst um Erlaubnis bitten mussen, an Bord zu kommen. «Er schwieg unter Bolithos forschendem
Blick.
«Das hatte ich an seiner Stelle getan. «Bolitho erinnerte sich an Kapitan Varians respektlose Bemerkung.»Bitten Sie Kapitan Poland um seine Gig und sagen Sie ihm, da? ich zur Themis ubersetzen will.»
Funfzehn Minuten spater sa? Bolitho in Ausgehuniform und Hut schwitzend im Heck der Gig, Jenour neben sich und einen kritischen Allday neben Polands Bootsfuhrer. Auf den Schiffen, an denen sie vorbeipullten, hoben Wachoffiziere gru?end die Hute, bewegungslos und stumm sahen Matrosen von Rahen und Webleinen zu ihnen herunter. Ihre nackten Arme glanzten wie Bronze.
Allday beugte sich vor und sagte leise:»Sehen Sie, Sir, man wei? Bescheid. Eine Stunde nach unserer Ankunft wei? man auf allen Schiffen: Nelson ist gefallen, aber wir haben gesiegt!»
Einer der Bootsgasten starrte Allday verblufft an, und dieser runzelte die Stirn. Der Bootsgast blickte schnell weg und kam fast aus dem Rudertakt. Das konnte er nicht fassen: Ein Seemann, auch wenn er Bootsfuhrer war, sprach den Admiral an, und der neigte sich sogar vor, um ihm zuzuhoren?
Bolitho nickte.»Nelson wird uns allen sehr fehlen. England wird nie wieder einen wie ihn bekommen.»
Allday lehnte sich zuruck. Da bin ich nicht so sicher, dachte er und sah Bolitho an.
Der steile Bugsprit der Themis schien bei ihrem Naherkommen vor ihnen zu salutieren. Die Themis war ein altes Schiff und hatte alles mogliche geleistet, nur nie gekampft. Ursprunglich hatte sie vierundsechzig Kanonen getragen, dann hatte man einige davon ausgebaut, weil sie Truppen von einem Unruheherd zum nachsten transportieren mu?te. Sie hatte sogar die Straflingskolonie in NeuSudwales angelaufen. Jetzt gehorte sie zur Invasionsflotte in einem Krieg, in dem alles, was sich uber Wasser halten konnte, gebraucht wurde.
Jenour versuchte sich zu entspannen. Er hatte die Wache an der Seitenpforte aufziehen sehen, rotliches Sonnenlicht reflektierte von ihren gezogenen Sabeln. Als der Buggast die Gig festgemacht hatte, stieg Bolitho nach oben. Die gebrullten Kommandos und das Schrillen der Pfeifen betaubten ihn fast. Allday war dicht hinter ihm und wurde ihn stutzen, falls sein Fu? abglitt oder sein Auge versagte. Blo? das nicht.
Er fing sich und gru?te zum Achterdeck hin, uber dem die Kriegsflagge vor dem Abendhimmel tanzte.
Der Offizier, der ihn empfing, trug nur ein einzelnes Schulterstuck. Aber fur einen Commander war er zu alt, also bei
Beforderungen offensichtlich ubergangen worden.»Willkommen an Bord, Sir Richard.»
Bolitho lachelte kurz. Allday hatte recht, auf Schiffen gab es keine Geheimnisse.»Wo steckt der Commodore?«Bolitho sah zu Warrens Flagge auf.»Ist er krank?»
Commander Maguire sah unglucklich drein.»Er bittet um Entschuldigung, Sir Richard. Er erwartet Sie in seiner Kajute.»
Bolitho nickte den anderen Offizieren zu und wandte sich an Jenour.»Bleiben Sie mit Allday hier und schauen Sie sich um.»
Maguire fuhrte ihn zum Niedergang und verbeugte sich, als Bolitho zur Achterkajute schritt, vor der ein Seesoldat knallend die Hacken zusammenschlug. Das Schiff strahlte etwas Unwirkliches aus. Vielleicht war es auf zu vielen Stationen und zu lange fern von England eingesetzt worden. Funfzehn Jahre, hatte Bolitho gehort, war die Themis nicht mehr in England gewesen. Was konnte da ihr Rumpf noch an Belastungen aushalten?
Ein schwarzer Diener in Leinenhose und roter Weste offnete die Lamellentur. Wieder einmal war Bolitho uberrascht.
Man hatte aus der Achterkajute die Kanonen entfernt, um Quartier fur die vielen Offiziere zu schaffen, die bei den langen Truppentransporten untergebracht werden mu?ten. Um auf die Entfernung den Feind trotzdem zu tauschen, hatte man im Heck Kanonenattrappen eingebaut. Darum also wirkte die Kajute jetzt so geraumig. Nur ein Gestell mit Musketen erinnerte an den Krieg.
Commodore Arthur Warren kam hinter einer zweiten Lamellentur hervor.»Sir Richard! Was mussen Sie von mir denken?»
Bolitho war entsetzt. Er hatte den gleichaltrigen Warren nie naher gekannt, doch dieser Offizier in der zu gro?en Uniformjacke wirkte mit seinem faltigen Gesicht wie ein sehr alter Mann.
Die Tur fiel zu. Commander Maguire hatte sich ohne Erlaubnis entfernt. Kein Wunder, da? der selbstbewu?te Kapitan Varian hier fur seine Zukunft eine Chance sah, dachte Bolitho.
Sie waren allein mit dem Diener.
«Setzen Sie sich doch bitte. «Bolitho wartete, bis der Diener roten Wein in kostbare spanische Glaser gefullt und sie ihnen gereicht hatte. Warren setzte sich mit schmerzverzogenem Gesicht, ein Bein steif vor sich ausgestreckt, die linke Hand im Jackett verborgen. Das war kein kranker, sondern ein sterbender Mann.
Bolitho hob sein Glas.»Auf gute Besserung. Die Neuigkeiten von Trafalgar haben Sie gewi? schon erfahren.»
Der Wein war schal und flach, aber Bolitho achtete nicht darauf. Er dachte an seine Zeit als Flaggleutnant von Konteradmiral Sir Charles Thelwall auf dem Dreidecker Euryalus. Die Gesundheit seines Vorgesetzten hatte sich damals auf See rapide verschlechtert. Er schatzte Thelwall sehr, und es schmerzte ihn, als er sich an Land zur Ruhe setzte und bald darauf starb. So hatte Thelwall dann auch die Meuterei in der Nore, in Spithead, in Plymouth und Schottland nicht mehr erlebt, die kein Kapitan vergessen durfte, wenn er nicht mit seinem Leben spielen wollte. Der Admiral hatte damals so ausgesehen wie Warren jetzt.