Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander (библиотека книг бесплатно без регистрации TXT) 📗
Dann horte er uber sich einen scharfen Ruf, dem sofort das Knacken eines Flintenschlosses folgte. Es war alles noch ein Traum und schien ihn personlich nicht zu beruhren. Erst als eine Stimme laut auf englisch rief:»Da sind noch ein paar von den Teufeln im Wasser!«durchbrach langsames Begreifen Nebel und Schmerz.
«Nicht schie?en!«brullte Farquhar.»Nicht schie?en, wir sind Englander!»
Danach schienen alle auf einmal zu rufen, und als ein zweites
Boot langsseits kam, vernahm Bolitho wie von weither eine vertraute Stimme.»Wen haben Sie denn da, Mr. Farquhar?«Herrick brachte vor unglaubiger Erregung die Frage kaum uber die Lippen.»Den Kapitan.»
Bolitho fuhlte, wie ihn Hande uber das Dollbord hoben, und sah uber sich vage und verschwommen verzerrte Gesichter. Hande betasteten seinen Brustkorb, und von neuem durchzuckte ihn stechender Schmerz. Danach die lindernde Wirkung eines Verbandes und die ganze Zeit uber das aufgeregte Durcheinander der Leute — seiner Leute.
Herricks Gesicht war sehr nah. Bolitho konnte das Leuchten in seinen Augen erkennen. Er hatte gern irgend etwas gesagt, um Herrick zu beruhigen. Aber er fand nicht die Kraft dazu. Statt dessen druckte er Herrick die Hand, ehe Dunkelheit ihn wie ein Mantel einhullte.
XII Den Feinden Verderben!
Die Spatnachmittagssonne flimmerte uber dem geschutzten Wasser der Bucht und warf ein tanzendes Muster an die Decke uber Bolithos kleinem Tisch. Er brauchte nur den Kopf zu drehen, um die saftig grunen Abhange Antiguas und ein paar verstreute Gebaude rings um den Hafen St. John zu sehen. Er mu?te sich geradezu zwingen, seinen Bericht fur den Admiral zu vollenden.
Bolitho stutzte die Stirn in die Hand, spurte, da? Mudigkeit ihn uberwaltigte, ihm Einhalt gebieten, ihn dazu bringen wollte, alles andere zu tun, nur nicht das, was er erledigen sollte. Er fuhlte den steifen Verband und lie? sich in die jungste Vergangenheit zuruckgleiten, wie so haufig seit seiner unerwarteten Ruckkehr auf die Phalarope.
Wie bei allem anderen, so war es auch dabei schwierig, Tatsachen von den unbestimmten, wirren Bildern zu trennen, die mit dem Fieber gekommen und gegangen waren. Zu seinem Gluck war die Pistolenkugel glatt zwischen den Rippen hindurchgegangen. Zuruckgeblieben war eine tiefe, gezackte Narbe, die ihn bei jeder plotzlichen Bewegung zusammenzucken lie?.
Von dem Augenblick an, da er an Bord gebracht und die
Boote hastig an Deck gehievt worden waren, waren seine Erinnerungen verschwommen und luckenhaft. Der wuste, unvorhergesehene Sturm hatte das Alptraumartige seiner Erinnerungsbilder nur noch gesteigert. Zwei Wochen lang war das Schiff mit fast nackten Rahen vor dem heulenden Sturm nach Sudwesten abgelaufen. Dann, wahrend er sich aus der ungeschickten Obhut des Wundarztes und dem unbestimmten Kommen und Gehen seiner Offiziere herauskampfte, hatte sich der Sturm gelegt, die Phalarope hatte endlich uber Stag gehen konnen, um sich nach Antigua zuruckzuarbeiten und ihren Bericht abzuliefern.
Bolitho prufte nochmals die sorgfaltig zusammengestellten Berichte und Namensnennungen. Nichts durfte fehlen. Es gab spater keine Moglichkeit, etwas nachzutragen. Jeder Name weckte andere Erinnerungen, und er hatte das sonderbare Empfinden, Zuschauer zu sein.
Fahnrich Charles Farquhar, der sich auf eine Weise bewahrt hatte, die weit uber seine tatsachlichen Erfahrungen hinausreichte: ein Seeoffizier, der eines Tages ein Kommando verdienen wurde — Steuermannsmaat Arthur Belsey, der trotz eines verwundeten Armes viel zur endgultigen Vernichtung der Andiron beigetragen hatte.
Bolitho tupfte mit der Feder nachdenklich auf Belseys Namen. Sein letzter wilder Sprung vom zerschmetterten Rumpf der Andiron hatte jede Hoffnung ausgeloscht, da? er je wieder richtig Dienst tun konnte. Der gebrochene Arm lie? sich nicht mehr retten, und Belsey wurde fur den Rest seines Lebens ein Kruppel bleiben. Gluck, die gute Erwahnung im Bericht und Bolithos Empfehlung sicherten ihm vielleicht schnelle Entlassung und eine den langen Dienstjahren angemessene Abfindung. Wahrscheinlich wurde er nach Plymouth zuruckkehren, dachte Bolitho traurig, und eine kleine Kneipe eroffnen. Jeder Hafen war voll von solchen Mannern: zerbrochen und vergessen, klammerten sie sich an den Saum des Meeres, das sie an den Strand geworfen hatte.
Leutnant Herricks Ersturmung der Batterie. . Nun, den blo?en Fakten lie? sich wenig hinzufugen. Hatte er versucht, die Wahrheit aufzuputzen, um das Lob zu verstarken, das Herrick so reichlich verdiente, wurde der Admiral schnell die Kehrseite der Medaille sehen: namlich da? der Erfolg zum gro?en Teil auf
Gluck beruhte, das sich zu einer gehorigen Portion Wagemut gesellte.
Es gab so viele» Wenn«, grubelte Bolitho verdrossen.
Wenn die Boote mit dem Enterkommando dichter unter Land abgesetzt worden waren, ware jetzt jeder tot oder gefangen. Wenn die Stromung fur die Leute an den Riemen nicht zu stark gewesen ware, hatte Herrick den unmoglichen Auftrag wie geplant ausgefuhrt, statt einen zweiten Weg eigener Eingebung einzuschlagen.
Und Stockdale? Nun, ohne seine Hilfe und unerschutterliche Treue hatte sich nichts von alledem ereignet. Sein Verstand hatte sorgsam jeden Schritt geplant, ohne da? ihn jemand geleitet, ihm jemand geholfen hatte. Und zu allerletzt hatte er ihm wiederum das Leben gerettet.
Aber was konnte er fur ihn tun? Fur einen Mann wie Stockdale gab es keine Beforderungsmoglichkeit, keine irgendwie sinnvolle Belohnung. Gelegentlich, als er in die Kajute kam, um nach der Wunde zu sehen, hatte er ihn gefragt, was ihm fur seine Tapferkeit und Treue der liebste Lohn ware. Stockdale hatte keine Sekunde gezogert.»Wenn ich weiter bei Ihnen bleiben darf, Kapitan, einen anderen Wunsch habe ich nicht.»
Bolitho hatte eigentlich daran gedacht, Stockdales Entlassung aus der Marine zu beantragen, sobald das Schiff in einen britischen Hafen heimkehrte. Mit ein bi?chen Unterstutzung konnte Stockdale sich vielleicht in Ruhe und Frieden irgendwo niederlassen. Aber als was? Stockdales unverzugliche und schlichte Antwort hatte es ihm untersagt, den Gedanken weiterzuverfolgen. Er hatte ihn nur verletzt.
Er schrieb:»Was meinen Bootsfuhrer Mark Stockdale betrifft, kann ich nur hinzufugen, da? die ganze Aktion ohne sein schnelles Handeln womoglich mit einem Fehlschlag geendet hatte. Indem Stockdale die Ankerkette der Andiron kappte, wodurch das Schiff in Leutnant Herricks Feuerbereich trieb, schuf er die Basis fur die totale Zerstorung des Schiffes bei einem Minimum an Verlusten auf unserer Seite. «Er setzte erschopft seinen Namen unter das Dokument und stand auf. Ein Bericht von vielen Seiten. Hoffentlich lasen ihn auch jene, die der Phalarope unvoreingenommen gegenuberstanden.
Zumindest Farquhars Onkel, Vizeadmiral Sir Henry
Langford, wurde sich daruber freuen. Sein Glaube an den Neffen wurde neu bekraftigt werden, und im Laufe der Zeit verwirklichten sich sicher die Hoffnungen, die er fur ihn hegte.
Bolitho lehnte sich aus dem Heckfenster. Die warme Luft strich ihm uber das Gesicht. Er horte das Quietschen von Taljen und den gleichma?igen Riemenschlag der zwischen Schiff und Ufer verkehrenden Boote. Die Fregatte war am fruhen Morgen vor Anker gegangen, und den ganzen Tag uber brachten Boote frische Vorrate und schafften die Verwundeten zu besseren Quartieren in der Stadt. Er betrachtete die eindrucksvolle Reihe der vor Anker liegenden Schiffe, die wachsende Macht der westindischen Flotte. Ihre Anwesenheit minderte allerdings den Triumph, den die Ruckkehr der Phalarope sonst bedeutet hatte. Bei diesem Gedanken, der sich immer wieder vordrangte, runzelte er die Stirn. Moglicherweise betrachtete man die Phalarope nach wie vor mit Mi?trauen und behandelte sie schmahlich.
Seine Augen wanderten langsam von einem gro?en Schiff zum anderen. Die Masten ragten hoch auf, und die Stuckpforten standen offen. Da war die Formidable mit 98 Geschutzen, frisch aus England, mit Sir George Rodneys Flagge im Topp. Und da waren andere Schiffe, die ihren Namen in das Buch dieses Krieges eingeschrieben hatten: die Ajax und die Resolution, die Agamemnon und die Royal Oak. Und nicht zuletzt Sir Samuel Hoods Flaggschiff Barfleur. Ferner Schiffe, die er uberhaupt nicht kannte, ohne Zweifel Verstarkungen, die Rodney von der Kanalflotte mitgebracht hatte. Und alle waren zu einem Zweck hier zusammengezogen: um die gro?e franzosisch-spanische Flotte zu stellen und zu vernichten, ehe sie ihrerseits die Briten fur immer aus der Karibischen See vertreiben konnte.