Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander (читать книги без регистрации .txt) 📗
«Ich gehe jetzt, Thomas. «Es war schrecklich zu beobachten, wie der Schmerz diesen Mann zerstorte. Was brach da aus ihm heraus? Hatte er diesen Vorbehalt gegen Bolitho etwa jahrelang in seiner Seele verborgen? Spater wurde er diese Worte sicherlich bereuen.
«Wenn du in England bist, erinnere dich an all das Schone, das du mit Dulcie zusammen erlebt habt. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder.»
Herrick erhob sich unsicher.»Was macht dein Auge? Geht es dir besser?«Trotz Alkohol und Trauer erinnerte er sich plotzlich daran, da? Bolitho auf diesem Schiff fast gefallen ware.
«Danke, es geht, Thomas. «Bolitho nahm Hut und Mantel.
Die Tur offnete sich einen Spalt, und Kapitan Gossage schaute herein.»Ich wollte dem Konteradmiral melden, da? der Wind auffrischt. «Er sah zu Herrick hinuber, der zusammengesunken auf der Heckbank sa? und sich nicht ruhrte.»Ich lasse die Fallreepswache antreten, damit Sir richtig verabschiedet werden, Sir Richard.»
«Nein, lassen Sie nur meine Barkasse rufen. «Dann druckte er die Tur zu und sagte so leise, da? der Posten es nicht horen konnte:»Kummern Sie sich bitte um den Admiral. Da sitzt ein tapferer Mann, der schwer getroffen wurde — wenn auch nicht durch feindliches Feuer.»
So grimmig und traurig hatte Jenour seinen Admiral noch nie gesehen. Als dieser wieder an Deck kam, unterlie? er jede Frage, warum ihn der Konteradmiral nicht gebuhrend verabschiedete, und meinte nur mit etwas erzwungener Frohlichkeit:»Da druben liegt die hollandische Kuste, jetzt leider wegen eines Schauers au?er Sicht.»
Bolitho betastete sein Auge, als Schmerz es durchzuckte wie eine bose Erinnerung.»Liegt die Barkasse langsseits, Stephen?«Als Jenour ging, um nachzuschauen, murmelte er:»Ich wunschte, es ware nicht Holland, sondern Cornwall!»
Dann kletterte er die Leiter hinunter in die schaukelnde Barkasse. Die See hatte ihn wieder.
Leutnant Stephen Jenour klemmte sich den Hut unter den Arm und betrat Bolithos Tageskajute. Oben an Deck war es noch immer sehr kalt, doch ein Atemschopfen des Windes hatte die Wellen etwas beruhigt. Wa?riges Sonnenlicht brachte einen Anschein von Warme in die vollen Messedecks, und auch hier in der gro?en Kajute meinte Jenour, sie zu spuren. Bolitho beugte sich uber eine Karte mit dem Operationsgebiet des Geschwaders. Er sah mude aus, aber ruhiger als beim Abschied von seinem Freund auf der Benbow. Jenour ahnte nur, was zwischen den beiden vorgefallen war und wie sehr es Bolitho getroffen hatte. Durch die gro?en Heckfenster sah er zwei Vierundsiebziger des Geschwaders, die Glorious und die alte Sunderland, die keinen Seekrieg ausgelassen hatte. Sie mu?te jetzt, uberlegte Jenour, etwa so alt sein wie die Hyperion.
Nach Benbows Ausscheiden unterstanden Bolitho neben der Black Prince noch funf Linienschiffe, und zwei weitere, die Tenacious und die Valkyrie, lagen in England im Reparaturdock. Jenour wunderte sich, da? Konteradmiral Herrick die Schiffe nach Hause geschickt und damit das Geschwader geschwacht hatte, ohne erst Bolithos Ansicht daruber abzuwarten. Aber er hielt sich mit seinen Fragen zuruck.
Plotzlich merkte Jenour, da? Bolitho ihn schon eine ganze Weile lang anschaute. Er meldete errotend:»Ihre Kommandanten sind jetzt an Bord versammelt, Sir Richard. Lediglich der Kommandant der Zest fehlt, er macht Wachdienst wie befohlen.»
Bolitho nickte. Vor vierzehn Tagen war Herrick nach England abgesegelt. Seither herrschte besseres Wetter, deshalb hatte er sein Geschwader zusammenziehen konnen. Die Schiffe dumpelten auf der silbern glanzenden Nordsee. Zum erstenmal waren alle Kommandanten gleichzeitig an Bord der Black Prince.
«Was macht unsere Kurierbrigg?»
Wieder einmal errotete Jenour. Konnte Bolitho ahnen, da? der Ausguck im Masttopp der Glorious die Brigg bereits gemeldet hatte? Seit seinem Morgenspaziergang auf dem Achterdeck war er doch in seiner Kajute geblieben.
Bolitho sah Jenours Verwirrung und lachelte.»Das Signal wurde an Deck wiederholt, und ich war drau?en auf der Heckgalerie. Sie hat ihre Vorteile, man hort dort vieles, auch was nicht unbedingt fur den Admiral bestimmt ist.»
Er hatte die Hoffnung, da? die kleine Kurierbrigg Mistral vielleicht einen Brief von Catherine mitbrachte. Aber sie hatte bestimmt noch keine Zeit gefunden, ihm so bald nach seiner Abreise zu schreiben.
«Der Kommandant der Brigg wird sich sofort an Bord melden, wenn er heran ist«, antwortete Jenour.
Bolitho dachte an die Kommandanten, die drau?en darauf warteten, ihn kennenzulernen: alles erfahrene Manner, doch keiner ein Freund. Vor Jahren war er aufgeregt gewesen, wenn er als Kommandant zum ersten Mal vor seine Offiziere und Mannschaften hingetreten war. Inzwischen wu?te er, da? die anderen viel aufgeregter waren als er selbst.
«Bitten Sie Kapitan Keen, die Herren zu mir zu fuhren. Er war ubrigens ganz uberrascht, die Nicator in unserem Geschwader zu finden. Er hat sie vor sechs oder sieben Jahren gefuhrt, in der Schlacht vor Kopenhagen. Schon damals war sie so verrottet, da? Keen immer behauptete, von der Ewigkeit trenne ihn nur ein Kupferblech.»
«Haben wir denn immer noch zu wenig Schiffe?»
Bolitho beobachtete den Flug der Mowen drau?en, die standig ihre Farbe zu wechseln schienen.»Ja. Darum waren die danischen Schiffe so wichtig fur uns. Vielleicht wird nichts daraus, aber wer wei??«Er wurde ungeduldig.»Bitten Sie Ozzard, unsere Gaste mit Wein zu bewirten.»
Jenour verschwand in die Anrichte, wo Ozzard und ein zweiter Diener Glaser polierten und in ihre Stander klemmten, damit sie nicht im Seegang wegrutschten und zerbrachen.
Bolitho streichelte den kleinen Weinschrank von Catherine. Herrick mu?te jetzt zu Hause sein. Bei seiner Ankunft wurden ihm die Warme und Bewunderung Dulcies am meisten fehlen. Vielleicht warf er ihm insgeheim vor, er habe die Benbow nur ins Dock befohlen, um endlich den Oberbefehl uber dieses Geschwader zu bekommen? Er verbot sich solche Spekulationen. Wer verbittert uber einen Freund war, der kam immer auf schlimme Gedanken.
Die Tur offnete sich, Keen fuhrte die Kommandanten herein, die sich Bolitho namentlich vorstellten. Was er sah, war eine Mischung aus Erfahrung, Konnen und Neugier. Bis auf einen hatten alle ihren vollen Kapitansrang. Ozzard umschwirrte sie mit seinem Tablett, doch aller Augen wandten sich dem eintretenden jungen Kommandanten der Fregatte Anemone zu, der eher wie ein jungerer Bruder als wie ein Neffe des Admirals aussah.
Bolitho gab Adam die Hand, aber dann konnte er sich nicht zuruckhalten und umarmte ihn. Das gleiche dunkle Haar, die gleichen Bewegungen. Bolitho hielt Adam auf Armlange von sich ab und studierte sein Gesicht. Der junge Mann hatte erreicht, wovon er immer getraumt hatte: Kommandant einer Fregatte zu sein. Er war jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Auch Bolitho war sechsundzwanzig gewesen, als er seine erste Fregatte ubernommen hatte. Zufall?
Leise sagte Adam:»Ich freue mich, dich wiederzusehen, Onkel. Wir hatten viel zu wenig Zeit damals, als ich die Truculent in den Hafen schleppte.»
Ohne dich und deine Anemone hatten uns die drei Franzosen zu Treibholz geschossen und ich ware jetzt tot, dachte Bolitho. Denn niemals wieder ware er in Gefangenschaft gegangen.
Keen bat die Kommandanten, Platz zu nehmen. Jeder ordnete dabei, was er sah, in das Bild ein, das er sich von Bolitho gemacht hatte.
Bolitho richtete sich auf und sah sie alle der Reihe nach an.
«Ich wollte Sie so schnell wie moglich kennenlernen, meine Herren. Denn ich habe festgestellt, da? einem spater zu oft die Zeit fehlt, miteinander zu reden. «Einige Gesichter lachelten.»Tut mir leid, da? zwei unserer Kommandanten nicht dabei sind. «Er zogerte einen Augenblick; machte er damit nicht Herrick einen Vorwurf? Doch Herrick hatte die beiden Schiffe nach Hause geschickt, ohne auf seinen Rat zu warten.»Dies ist nicht die rechte Zeit, die Zugel locker zu lassen. Viele von uns haben den Sieg in Trafalgar miterlebt, der angeblich alle Gefahren fur unser Land beseitigt hat. So hort man es jedenfalls in London und auch innerhalb der Flotte. Doch nur ein Narr konnte glauben, die Zeiten wurden friedlicher, solange Napoleon regiert. Wir brauchen jedes Schiff und jeden Mann, der darauf kampft. Die Franzosen werden ihre Terraingewinne konsolidieren, und sie haben ja bewiesen, da? ihnen kaum ein Landheer widerstehen kann. Wer wei?, welche Talente sie gegen uns in See schicken, wenn sie endlich wieder so viele Schiffe haben, wie sie brauchen? Die franzosische Marine wurde durch die Revolution geschwacht, die in ihrer blutigsten Zeit unter den Seeoffizieren genauso viele Opfer forderte wie unter den Aristokraten. Doch neue Anfuhrer wachsen heran, und gegen diese mussen wir uns wappnen. «Er fuhlte sich plotzlich leer und wie ausgehohlt.»Haben Sie Fragen?»