Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander (книги бесплатно без регистрации TXT) 📗
Mit Hyperion an der Spitze, die Admiralsflagge im Vortopp, die anderen Linienschiffe im Kielwasser und alle zusammen in einem steifen Nordwest heftig arbeitend, liefen sie aus und weckten wahrscheinlich ebenso viele Spekulationen wie bei ihrer Ankunft. Bolitho hatte die beruhmte Silhouette des Felsens betrachtet, bis sie sich im Dunst verlor. Die in den klaren Himmel aufsteigende, eigenartige Dunstwolke war eine gewohnte Erscheinung, wenn der Wind die erhitzten Steine abkuhlte, so da? der Felsen aus der Entfernung wie ein schwelender Vulkan wirkte.
Der gro?te Teil der Hyperion — Besatzung kannte sich schon seit der neuerlichen Indienststellung des Schiffes. Keen war fast der einzige Fremde unter ihnen. Doch als ein Tag dem anderen folgte und jedes Schiff Segelmanover und Geschutzexerzieren ubte, war Bolitho dem Schicksal dankbar, da? es ihm Keen zuruckgebracht hatte.
Im Gegensatz zu Haven kannte er Bolithos Eigenarten und Ma?stabe. Er hatte als Fahnrich und als Leutnant unter ihm gedient, ehe er schlie?lich sein Flaggkapitan wurde. Die
Mannschaft spurte das Band zwischen dem Kommandanten und dem Admiral. Die alteren Leute nickten und erkannten es an, da? Keen nicht zu stolz war, sie zu fragen, wenn er etwas uber das Schiff nicht wu?te. Es kam Bolitho nicht in den Sinn, da? Keen damit vielleicht seinem Beispiel folgte.
Oft dachte er an Catherine und an ihren Abschied. Sie hatte darauf bestanden, ihn die ganze Strecke nach Portsmouth zu begleiten, als er sich wieder auf der kleinen Firefly einschiffte. Keen hatte sich schon fruher verabschiedet und war mit Adam in einer anderen Kutsche vorausgefahren. Neben den in der Sonne dampfenden Pferden hatte sich Catherine an ihn geklammert und sein Gesicht gesucht, es mit Zartlichkeit und Trauer gestreichelt, als Allday meldete, da? das Boot warte. Er hatte sie gebeten, in der Kutsche zu bleiben, doch sie war ihm zu der holzernen Treppe gefolgt, wo so viele Seeoffiziere das Land verlie?en.
Wie immer hatte sich dort eine kleine Gruppe Schaulustiger eingefunden, sehr wenige unter ihnen im dienstpflichtigem Alter, denn nur ein Narr hatte die Begegnung mit einer Pre?gang riskiert. Die Leute hatten ihnen Beifall gespendet und Bolitho erkannt. Einer hatte gerufen:»Viel Gluck, Dick, und der Lady ebenfalls!»
Zum erstenmal hatte er Tranen in Catherines Augen gesehen.»Sie beziehen mich mit ein.»
Als das Boot von den Stufen ablegte, hatte Bolitho sich umgedreht, aber da war sie schon verschwunden. Und doch, als sie uber das unruhige Wasser des Solent schaukelten, spurte er, da? sie ihn bis zur letzten Sekunde beobachtete.
Es fiel ihm ein, wie Belinda sie in ihrem Zorn beschimpft hatte. Allday dagegen hatte Catherine eine Seemannsbraut genannt — und das stimmte. Bei ihm war es das gro?te Kompliment von allen.
Wahrend die Fregatte Tybalt und die Korvette Phaedra nun jeden Kustenfahrer und Handler jagten und durchsuchten, der dumm genug war, sich in Reichweite ihrer Kanonen zu begeben, studierten Bolitho und Keen die knappen Berichte. Tag fur Tag drangen sie weiter ins Mittelmeer vor.
Man sagte, da? Nelson sich im Atlantik mit seinem Freund und Zweiten Befehlshaber, Vizeadmiral Collingwood, vereinigt hatte. Nelson war wahrscheinlich zu der Uberzeugung gelangt, da? der Feind die britischen Geschwader durch List und schnelle Vorsto?e zu zersplittern suche. Erst wenn ihm das gelang, wurde Napoleon zur Invasion uber den Kanal ansetzen. Yovell hatte gemeint:»Wenn das stimmt, Sir Richard, sind Sie jetzt der ranghochste Offizier im Mittelmeer.»
Bolitho hatte das noch kaum in Betracht gezogen. Doch falls es zutraf, bedeutete es fur ihn eins: Wenn ihm der Feind uber den Weg lief, brauchte er keinen erst lange zu fragen. Das machte die Last der Befehlsgewalt ertraglicher.
Eines Vormittags sah er beim Spaziergang auf dem Achterdeck Leutnant Parris, der sich unsicher am Schanzkleid Bewegung verschaffte. Sein Arm war an der Seite festgeschnallt. Parris hatte sich seit Havens morderischer Attacke mehr in sich zuruckgezogen. Keen meinte, er ware wohl zufrieden, ihn als Ersten zu haben, konne sich aber noch kein Urteil erlauben.
Parris ging langsam zur Leeseite des Achterdecks und suchte Halt an einem Want, um dem Flug einiger Seevogel zuzusehen. Bolitho trat zu ihm.»Wie fuhlen Sie sich?»
Parris versuchte, sich aufzurichten, zuckte aber schmerzlich zusammen und bat um Entschuldigung.»Es geht nur langsam aufwarts, Sir Richard. «Sein Blick wanderte zu den geblahten Segeln und den winzigen Gestalten hinauf, die im Rigg arbeiteten.»Ich wurde mich weitaus besser fuhlen, wenn ich da oben wieder herumklettern konnte.»
Bolitho betrachtete sein ausgepragtes Zigeunerprofil. War das ein Frauenheld?
Unter dem prufenden Blick wurde Parris verlegen.»Ich mochte mich dafur bedanken, da? ich an Bord bleiben durfte, Sir Richard, auch wenn ich im Augenblick nutzlos bin.»
«Die letzte Entscheidung hatte Kapitan Keen.»
Parris verstand, seine Augen verloren sich in Erinnerungen.»Er macht dieses alte Schiff wieder lebendig. «Er zogerte, schien zu uberlegen, wie weit er gehen konnte.»Ich horte von Ihren Schwierigkeiten in London. Es tut mir leid.»
Bolitho schaute uber das blaue Wasser; sein verletztes Auge fing an, sich in der feuchten Luft leicht zu truben.»Die kuhnsten Ma?nahmen sind gewohnlich die sichersten. Ich glaube, auch das ist eine von Nelsons Redensarten.»
Parris trat zuruck, als Keen erschien.»Ich wunsche Ihnen viel Gluck, Sir Richard. Ihnen beiden.»
Keen traf Bolitho bei den Hangemattsnetzen.»Wir werden Malta morgen wahrend der Vormittagswache sichten. «Er deutete auf die kraftige Gestalt des Segelmeisters.»Mr. Penhaligon hat mich uberzeugt.»
Bolitho lachelte.»Ich unterhielt mich soeben mit dem Ersten Leutnant. Ein merkwurdiger Bursche.»
Keen lachte.»Ich wei?, ich sollte nicht daruber scherzen. Trotzdem, ich habe schon Kommandanten gehabt, die ich liebend gern erschossen hatte. Aber niemals war es umgekehrt.»
Unten auf dem Bootsdeck drehte sich Allday um. Er horte sie lachen. Keens alter Bootsfuhrer war auf ihrem letzten Schiff, der Argonaute, gefallen. Allday hatte einen neuen Mann fur ihn ausgesucht, aber insgeheim gewunscht, es hatte sein Sohn sein konnen. Keens neuer Mann hie? Tojohns. Vorher war er fur den Vortopp verantwortlich gewesen. Jetzt stand er neben ihm und blickte ebenfalls nach achtern.»Die Hyperion ist ein neues Schiff, seit er an Bord gekommen ist. Kennst du ihn schon lange?»
Allday lachelte.»Ein paar Jahre. Er pa?t mir und ist gut fur Sir Richard. Damit hat sich's.»
Auch Allday gedachte des Abschieds von Portsmouth Point. Das Publikum jubelte und schwenkte die Hute. Frauen lachelten, bis sie in Tranen ausbrachen. Er runzelte die Stirn, als der andere Bootsfuhrer seine Gedanken unterbrach.»Warum hast du gerade mich ausgesucht?«fragte Tojohns.
Allday uberlegte. Tojohns war ein guter Seemann und wu?te sich auch bei einer Prugelei zu behaupten. Er ahnelte nicht im geringsten Old Hogg, Keens fruherem Bootsfuhrer. Die beiden waren wie Feuer und Wasser, was man auch uber ihn und Stockdale gesagt hatte. Allday antwortete:»Weil du soviel redest.»
Tojohns lachte laut heraus, schwieg aber, als ein vorbeigehender Fahnrich ihn scharf ansah. Er konnte sic h nur schwer an seine neue Rolle gewohnen. Nun brauchte er nicht mehr bei jedem schrillen Pfiff mit seinen Vortoppgasten aufzuentern, um die wildgewordenen Segel zu bandigen. Wie Allday war er vom Wachegehen befreit. Zum erstenmal in seinem Leben stellte er etwas dar.
Allday sah ihn eindringlich an.»Merke dir: Was du auch dort achtern mitbekommst, behalte es fur dich. Verstanden?«Tojohns nickte. Dort achtern… Ja, er war jetzt jemand.
Von der Back der Hyperion schlug es sechs Glasen. Kapitan Valentine Keen unterdruckte ein Lacheln, beruhrte seinen Hut und gru?te Bolitho.»Der Meister hat unsere Ankunft richtig berechnet, Sir Richard.»