Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .TXT) 📗
Bolitho hoch.»Aber um Gottes willen, Miss Seton, was machen Sie hier?»
Das Madchen antwortete nicht gleich, sondern kniete sich neben Dalby hin und tupfte ihm Blut und Speichel von Gesicht und Brust. Selbst noch im gelben Laternenschein schien Bolithos Irrtum begreiflich: In Uniformrock und wei?er Kniehose, das starke kastanienbraune Haar im Nacken zusammengebunden, war Cheney Seton leicht fur einen Jungling zu halten.
Dalby starrte sie an und versuchte zu lacheln.»Kein Kanonenboot, Miss. >Linienschiff< hei?t das bei der Marine…«Sein Kopf sank zur Seite, und er war tot.
Bolitho sagte:»Ich hatte doch angeordnet, da? Sie bis auf weiteres in der Fahnrichsmesse bleiben sollten!«Er fuhlte sich auf einmal nicht mehr erschopft und verzweifelt, sondern eher argerlich.»Hier ist keineswegs der rechte Ort fur Sie!«Ihre Uniform und das am Hals offene Hemd waren blutbefleckt.
Ernsthaft, betroffen und anteilnehmend blickte sie ihm ins Gesicht.»Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen. Auf Jamaika habe ich viele Menschen sterben sehen. «Sie wischte sich eine Haarstrahne aus den Augen.»Als das Gefecht anfing, wollte ich helfen. «Sie blickte auf Dalby nieder.»Ich mu?te einfach helfen. «Dann sah sie wieder Bolitho an, und ihre Augen hatten einen fast flehenden Ausdruck.»Verstehen Sie das nicht?«fragte sie, streckte die Hand aus und fa?te seinen Armel.»Bitte seien Sie nicht bose. «Lange sah sich Bolitho auf dem wusten Orlopdeck um. Die nackten Korper der Verwundeten und Toten lagen durcheinander, wie makabre Skulpturen, und Rowlstone operierte an seinem Tisch mit einer Selbstverstandlichkeit, als existiere fur ihn nur, was vor ihm im schwankenden Lichtkreis der Laterne lag. Ruhig entgegnete Bolitho:»Ich bin nicht bose. Wahrscheinlich hatte ich nur Angst um Sie. Jetzt haben Sie mich beschamt. «Er wollte aufstehen, war aber zu keiner Bewegung fahig.
Sie antwortete:»Ich horchte auf den Kanonendonner und fuhlte das Schiff beben, als wurde es auseinandergerissen. Und die ganze Zeit dachte ich an Sie dort oben — so ungeschutzt.»
Bolitho beobachtete schweigend ihre ausdrucksvollen Hande, das Heben und Senken ihrer Brust, wahrend sie das Furchtbare aufs neue durchlebte.
«Da wollte ich diesen Mannern hier unten helfen«, fuhr sie fort.»Ich dachte, sie wurden es mir verubeln, da? ich am Leben und noch heil war. «Sie senkte die Augen, und er sah ihre Lippen zittern.»Geflucht und geschimpft haben sie wei? Gott genug, aber keiner hat sich beklagt, nicht einer!«Wieder sah sie ihm in die Augen, diesmal beinahe mit Stolz.»Und als sie horten, Sie wurden herunterkommen, haben sie tatsachlich versucht, Hurra zu rufen!»
Bolitho stand auf und half Cheney auf die Fu?e. Sie weinte jetzt, fast tranenlos, und widerstrebte nicht, als er sie durch die tiefhangenden Laternen zum Niedergang fuhrte.
An Deck uberraschte es ihn, da? die Sonne immer noch so hell schien, da? die Schiffe weitersegelten, unbekummert um das, was achteraus lag, und um die Manner, die sie trugen. Er schritt uber das Achterdeck mit seinen gro?en roten Flecken und den zersplitterten Planken, vorbei an den Rudergasten, die genau auf den Kompa? und den Stand jedes einzelnen pockennarbigen Segels achteten. An der Kajutentur sagte er leise:»Versprechen Sie mir, da? Sie sich hinlegen.»
Sie wandte sich um und blickte ihm forschend in die Augen.»Mussen Sie schon gehen?«Doch dann zuckte sie leicht die Schultern, oder vielleicht war sie auch nur erschauert.»Das war eine dumme Frage. Ich wei? ja, was Sie zu tun haben. Alle oben warten auf Sie. «Ihre Geste bei diesen Worten umfa?te das ganze Schiff und jeden Mann an Bord. Schuchtern beruhrte sie seinen Arm und schlo?:»Ich habe vorhin den Ausdruck Ihrer Augen gesehen und verstehe Sie jetzt besser.»
Von oben horten sie einen Ruf:»Captain, Sir, die Harvester bittet um Erlaubnis, fur die Bestattungen beizudrehen!»
«Erteilt!«rief Bolitho zuruck. Sein Blick war noch immer auf das Gesicht des Madchens gerichtet, und sein Verstand wehrte sich dagegen, an die tausend Dinge zu denken, die seiner harrten. Endlich sagte er:»Sie haben uns heute sehr geholfen. Ich werde das nicht vergessen.»
Er wandte sich um, der Sonne zu, und horte noch ihre leise Erwiderung:»Ich auch nicht, Captain!»
X Ein guter Offizier
Sir Edmund Pomfret stand neben dem gro?en Heckfenster in seiner Tageskajute, sorgfaltig den einfallenden grellen Sonnenschein meidend. Wahrend des ganzen Berichts hatte er die gleiche Stellung beibehalten: breitbeinig, die Arme auf der Brust verschrankt, Bolitho den Rucken zuwendend, so da? dieser weder des Admirals Gesicht sehen noch dessen Stimmung erraten konnte. Die Hyperion hatte erst die Transporter und dann die schwer beschadigte Harve-ster in die schutzenden Arme des Naturhafens einlaufen lassen und dann in der Morgenfruhe unterhalb der Bergfestung Anker geworfen. Bolitho hatte eigentlich erwartet, sofort auf die Tenacious gerufen zu werden; doch aus Grunden, die nur Pomfret kannte, hatte er bis sieben Glasen der Vormittags wache warten mussen, ehe das kurze Signal» Kommandant unverzuglich an Bord «auf dem Flaggschiff erschien.
Jetzt, als Bolitho die ausfuhrliche Beschreibung seiner Verteidigung des Konvois abschlo?, fuhlte er sich so mude und schlapp, als hatte er ein Schlafmittel eingenommen; daher konnte er seinen Worten so distanziert zuhoren, als betrafen sie jemand anderen. Pomfret hatte ihn nicht gebeten, Platz zu nehmen. Au?er ihm war noch ein rotgesichtiger Infanterie-Oberst in der Kajute, den Pomfret kurz als Sir Tonquil Cobban, Kommandeur der auf Cozar stationierten Soldaten, vorstellte. Jedoch war Pomfret ebenfalls stehengeblieben, und trotz seiner breitbeinigen Positur und der unbewe g-ten Schultern wirkte er nervos und gereizt.
«So haben Sie also die Snipe verloren, wie?«fragte er unvermittelt.
Es klang wie eine Anklage, doch Bolitho erwiderte nur mude:»Wenn ich noch ein weiteres Begleitschiff gehabt hatte, Sir, dann ware es vielleicht anders gekommen.»
Ungeduldig ri? Pomfret den Kopf hoch.»Wenn, wenn! Die ganze Zeit hore ich immer nur >wenn
«Sechzehn Tote und sechsundzwanzig Verwundete, von denen die meisten wohl durchkommen werden.»
«Hm. «Langsam wandte Pomfret sich um und trat an seinen Schreibtisch, auf dem eine gro?e farbige Seekarte lag. Lassig sagte er:»Ich hatte noch ein paar Tage auf Sie gewartet, aber dann ware ich auch ohne Nachschub abgesegelt. «Er warf Bolitho einen forschenden Blick zu.»Ich habe Nachricht von Lord Hood. Seine Truppe ist in Toulon gelandet, und ich habe Befehl, St. Clar einzunehmen.»
«Jawohl, Sir. «Auf diese Nachricht hatte Bolitho gewartet, doch nun, da sie kam, erschien sie ihm wie eine Wende zum Negativen. Er wu?te, da? Pomfret und der Colonel ihn genau beobachteten, und gab sich Muhe, seine Gedanken in Zaum zu halten. Er fragte:»Wunschen Sie, da? ich nochmals mit den Stadtvatern verhandle, Sir?»
Pomfret runzelte die Stirn.»Keineswegs. Ich war in Ihrer Abwesenheit nicht faul und habe alles fest in der Hand, das kann ich Ihnen versichern. «Er wandte sich mit einem fluchtigen Lacheln dem Oberst zu.»Die Frogs mussen sich jetzt anstandig benehmen,
eh?»
Nun erst sprach der Colonel. Er hatte eine dumpfe, drohnende Stimme und trommelte sich bei jedem Wort auf den tadellosen Uniformrock.»Jawohl, bei Gott! Da General Carteau auf Toulon marschiert, haben unsere neuen Alliierten in St. Clar gar keine andere Wahl, als uns zu unterstutzen!«Der Gedanke schien ihm Spa? zu machen.
Pomfret nickte.»Nun, Bolitho, ich wunsche, da? Sie Ihr Schiff unverzuglich wieder seeklar machen.»
«Die Reparaturen sind in vollem Gang, Sir. In den vier Tagen nach dem Gefecht haben wir alle Schaden an der Takelage beseitigt, und auch die meisten Innenreparaturen sind schon fertig.»