Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander (читать книги txt) 📗
Er sah das Wachboot langsam und ohne gro?e Begeisterung seine Runden um das Schiff ziehen, und konnte leicht erraten, womit sich die Gedanken der Bootsgasten und der Manner an Bord beschaftigten.
Seit ihr Gouverneur unter Arrest stand, verhielt die Inselbevolkerung sich ruhig und abwartend. Alle Feindseligkeiten waren eingestellt, einige Milizsoldaten sogar neu vereidigt worden, um die Marineinfanteristen auf der Festung zu verstarken. Aber Bolitho traute dem Frieden nicht. Es war eine feindselige Passivitat, denn zu angestrengt wandten die Einheimischen den Blick ab, wenn sie einem britischen Arbeitstrupp oder Offizier begegneten.
Die Seeleute reagierten zunachst enttauscht, dann verargert. Schlie?lich waren einige ihrer Kameraden gefallen — wofur, wu?ten die wenigsten — , und den Sieg hatten sie sich verlockender vorgestellt.
Jetzt zur Mittagszeit mischte sich der Geruch des erhitzten Teers mit dem wurzigeren Duft der taglichen Rumration, die in den Messen ausgegeben wurde. Das Hammern der Schiffszimmerleute verstummte; sie hatten den von der Festungskanone angerichteten Schaden schon fast behoben. Immerhin hatte ein Seemann durch Splitter ein Auge verloren.
Es klopfte, Keen trat ein, den Hut unter dem Arm. Auf Bolitho machte er jetzt einen entspannteren Eindruck, obwohl er ein gewaltiges Arbeitspensum bewaltigen mu?te; der Schiffsarzt und der Erste, der Master und der Zahlmeister, sie alle gingen den Kommandanten um die letzte Entscheidung an, und sei es nur, um die Verantwortung von sich abzuwalzen.
«Sie wollten mich sprechen, Sir?»
«Nehmen Sie Platz, Val. «Wohl zum hundertstenmal lockerte Bo-litho seinen Hemdkragen.»Wie geht die Arbeit voran?»
«Ich halte die Leute beschaftigt, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Aber Achates ist seeklar. Besser als neu, wurde ich sagen.»
Bolitho nickte, ihm war nicht entgangen, wie stolz Keen neuerdings auf sein Schiff zu sein schien. Vielleicht hatte er endlich den Schatten seines Vorgangers abgeschuttelt. Bolitho hatte auch von Keens Streit mit Quantock kurz vor der Ersturmung des Hafens gehort. Kaum zu glauben, was sie da fur ein Wagnis eingegangen waren. Aber die britische Flagge wehte wieder uber dem Fort, und dem au?eren Anschein nach hatte die Insel zum Alltag zuruckgefunden.
Bald mu?te er eine Depesche an den franzosischen Admiral absenden, dessen Schiffe in Boston warteten. Falls sie dort noch warteten… Dann wurde es um den Frieden der Insel geschehen sein und das Elend von neuem beginnen.
Mit einem Blick in Bolithos ernstes Gesicht sagte Keen:»Der Ad-miral auf Antigua wurde uns Unterstutzung nicht verweigern, Sir.»
Als er Bolithos Wangenmuskeln spielen sah, fugte er hinzu:»Doch daran haben Sie bestimmt schon gedacht.»
«Die Aufgabe hier wurde mir anvertraut, Val. Ich kann nicht uber meinen Schatten springen. «Mit einer Handbewegung unterband er Keens Protest.»Ich brauche gute Augen und Ohren drau?en auf See, nicht einen Flaggoffizier, der mir Vorschriften macht. Wenn wir Sparrowhawk nicht verloren hatten….»
Sie tauschten einen Blick; da? Duncan nicht mehr lebte, war immer noch unfa?bar.
Nachdenklich sagte Keen:»Wenn wir Anker lichten und uns auf die Suche nach diesem verdammten Schiff machen, konnen die Dinge hier au?er Kontrolle geraten. Das Fort ware leicht auszuhungern. Ich glaube, wir sollten ein Standgericht zusammentreten lassen und Sir Humphrey an der Gro?rahnock hangen, wie er es verdient. «Sein Ton war ungewohnlich ha?erfullt.»Solange er lebt, ist er eine Bedrohung fur uns.»
Sie fuhren beide zu den Fenstern herum, als drau?en ein Musketenschu? krachte.
«Vom Wachboot. Da mu? etwas passiert sein.»
Keen griff nach seinem Hut und sprang auf.»Ich sehe nach, Sir.»
Bolitho nahm ein Teleskop aus seiner Halterung und wartete, bis Achates an ihrer Ankertrosse zuruckschwojte. Die Festung glitt in sein Blickfeld, die Mauerkronen von Hitzedunst verhullt, so da? die Flagge an den Himmel selbst gepinnt schien. Bolithos Blick wanderte weiter zum Vorland und zu dem vorgelagerten Inselchen mit seiner spanischen Missionsstation. Dann sah er hinter der Landzunge ein einzelnes braunes Segel auftauchen und schlie?lich zum letzten Schlag wenden, der es direkt in den Hafen fuhren wurde.
Achates' Kutter dumpelte abwartend, mit hochgestellten Riemen, auf der leichten Dunung.
Der Neuankommling war eine kleine Brigantine, wahrscheinlich ein Handler von den Inseln. Auf ihren Skipper wartete eine Uberraschung, sobald er erst den Hafen einsehen und Achates' machtigen Rumpf erkennen konnte.
Mit schwei?nassem Gesicht kehrte Keen zuruck.
«Unser Wachboot wird die Brigantine zu einer Boje eskortieren. «Als Bolitho sich zu ihm umwandte, fuhr er fort:»Wie es aussieht, ist sie beschossen worden. Ich lasse gleich unseren Arzt hinuberrudern.»
«Beschossen?»
Keen hob die Schultern.»So sieht es aus.»
«Na gut. Aber signalisieren Sie allen anderen Fahrzeugen, sich von ihr freizuhalten. Ich habe ein ungutes Gefuhl.»
Wieder richtete Bolitho das Glas auf die Brigantine, die jetzt die killenden Vorsegel wegnahm und geschickt an eine Festmacherboje heranschor.
Langsam und sorgfaltig musterte er ihren Rumpf mit dem Glas. Der Farbanstrich trug schwarze Pockennarben von Schrot- oder Schrap-nellbeschu?. Schwereres Kaliber hatte ein so leichtes Fahrzeug sofort versenkt. Bolitho konzentrierte sich auf die beiden Gestalten, die achtern an der Pinne standen: ein gro?er bulliger Mann in blauem Rock, das graue Haar zerzaust, und daneben.
Bolitho rief:»Verflucht noch mal, Val, es ist Adam! Wenn er unnotig viel riskiert hat, werde ich ihn.»
Sie sahen einander an und lachten.
«Aber ich kann mich da schlecht als sein Richter aufspielen, wie?»
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Beiboot der Brigantine bei Achates langsseits ging.
Bolitho hatte das Teleskop wieder sorgsam an seinen Platz gehangt. Adam sollte ihn nicht fur uberangstlich und allzu fursorglich halten. Trotzdem.
Keen sagte:»Ich gehe an Deck, um ihn zu begru?en, Sir. «Mit einem heimlichen Lacheln schlo? er die Tur hinter sich.
Als Adam die Kajute betrat, verriet sein Gesicht Besorgnis; er schien sich auf eine Strafpredigt gefa?t zu machen.
«Tut mir leid, Sir. «begann er.
Bolitho ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.»Du bist hier, und das ist die Hauptsache.»
Adam blickte sich in der Kajute um, als furchte er, Spuren des Kampfes zu sehen.
«Im Wachboot haben sie mir schon von dem Gefecht erzahlt, Onkel. Und da? ihr euch mit Gewalt die Einfahrt erzwingen mu?tet. «Er senkte den Blick, eine schwarze Strahne fiel ihm in die Stirn.»Auch von Sparrowhawks Verlust habe ich gehort. Das hat mich erschuttert.»
Bolitho fuhrte ihn zu einem Stuhl.»Wir wollen nicht mehr davon reden«, sagte er leise.»Erzahle mir lieber von deinen Problemen.»
Es war schon eine erstaunliche Geschichte, die der junge Leutnant zu berichten hatte. Erst vor wenigen Tagen, nachdem sie einen starken Sturm auf der Hohe der Bahamas abgewettert hatten, waren sie von einer Fregatte gestellt worden. Sie gab sich als spanisches Schiff aus und befahl ihnen, beizudrehen und ein Prisenkommando an Bord zu nehmen. Aber der mi?trauische Skipper der Brigantine blieb auf der Hut. Als das Prisenboot fast schon langsseits war, hatte er blitzschnell gewendet, mehr Segel gesetzt und mit dem gunstigen Wind seine Zuflucht in flacherem Wasser gesucht, wohin ihm die Fregatte nicht folgen konnte. Immerhin hatte das spanische Prisenkommando die fliehende Brigantine noch beschossen, mit einem Buggeschutz und zwei Drehbassen. Der Maat war getotet und der Rumpf mit Einschlagen ubersat worden.
Bolitho lauschte Adams hervorgesprudeltem Bericht, ohne ihn zu unterbrechen. Man durfte sich doch nie in Sicherheit wahnen, dachte er dabei. Wahrend er sich uber das kunftige Schicksal von San Felipe den Kopf zermartert hatte, war Adam einem unerklarlichen Angriff ausgesetzt gewesen und um ein Haar getotet worden.