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Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander (прочитать книгу .TXT) 📗

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Eine Woche war jetzt vergangen, seit Sullivan in den Tod gesprungen war. Sieben lange Tage, in denen sein Schiff wieder und wieder die Kuste angesteuert hatte; aber jedesmal war irgendwo ein Segel oder auch nur ein Eingeborenenfahrzeug gesichtet worden, und er hatte wieder abgedreht.

Jetzt durfte er es nicht langer aufschieben. Nachmittags war Whitmarsh bei ihm gewesen. Der Mann hatte so viele eigene Probleme, da? eine Unterredung mit ihm schwierig gewesen war.

Immerhin hatte der Arzt klar und deutlich erklart, da? er die Verantwortung fur die Gesundheit der Mannschaft nicht mehr ubernehmen konnte, wenn Bolitho weiter darauf bestand, sich vom Land fernzuhalten. Die beiden verbliebenen Fasser Trinkwasser waren fast leer, und der Rest konnte kaum noch Wasser genannt werden — es war eher Schlamm. Immer mehr Manner lagen krank im Orlopdeck; und die, welche noch dienstfahig waren, durfte man keine Minute lang unbewacht lassen. Standig gab es Streit und Wutausbruche; und die Deckoffiziere mu?ten auch im Hinterkopf Augen haben, damit sie nicht ein Messer in den Rucken bekamen.

Herrick meldete:»Alle anwesend, Sir. «Er war wie die anderen gespannt und argwohnisch.

Bolitho wandte sich um und musterte seine Offiziere. Alle waren da au?er Soames, der die Wache hatte, sogar die drei Midshipmen. Er sah sie nachdenklich an. Das Kommende mochte ihnen eine Lehre fur spater sein.

«Ich beabsichtige, morgen wieder Kurs aufs Land zu nehmen.»

Don Puigserver und sein Leutnant standen beim Schott; Raymond, etwas entfernt von ihnen, rieb sich das Kinn mit ruckartigen, nervosen Bewegungen.

Davy sagte:»Ausgezeichnet, Sir«, und trank einen Schluck Wein.»Wenn wir den Leuten noch mehr Rum und noch weniger Wasser geben«, fuhr er fort,»sind sie bald zu blau, um auch nur einen Finger zu ruhren. «Er zwang sich ein Lacheln ab.»Eine schone Bescherung ware das.»

Bolitho wandte sich Mudge zu. Der sa? im breitesten Sessel, trug wie immer seinen dicken Rock und starrte zum offenen Oberlicht hinauf, wo eine Motte im Licht der Deckenlampe tanzte. Dann blickte er in Bolithos Gesicht und seufzte.

«Ich war nur einmal an dieser Kuste, Sir. Als Steuermannsmaat auf der Windsor, einem Indienfahrer. Wir steckten damals in derselben Klemme: kein Wasser, wochenlang Flaute, die halbe Mannschaft verruckt vor Durst.»

«Aber es gibt dort tatsachlich Wasser?«fragte Bolitho.

Der Alte rutschte in seinem Stuhl mit kurzen knarrenden Rucken zum Tisch hinuber und tippte auf die dort ausgebreitete Karte.»Wir sind jetzt in der Stra?e von Mozambique, das wissen wir alle. «Wutend glotzte er Midshipman Armitage an.»Abgesehen von ein paar, die zu blod sind, um Navigation zu lernen. «In etwas milderem Ton fuhr er fort:»Die afrikanische Kuste ist hier ziemlich wild und noch wenig erforscht. Schiffe laufen sie naturlich hin und wieder an, wegen Wasser. Oder vielleicht 'n bi?chen Handel. Und manchmal auch, um schwarzes Elfenbein zu laden.»

Midshipman Keen, der einzige, dessen Gesicht nicht von Uberanstrengung gezeichnet war, blickte Mudge erstaunt an.»Schwarzes Elfenbein, Sir?»

«Sklaven«, sagte Herrick scharf. Mudge lehnte sich behaglich zuruck.»Folglich mussen wir vorsichtig sein. Mit 'ner ausreichenden Truppe an Land gehen, das Wasser einnehmen, wenn ich tatsachlich noch wei?, wo welches ist, und dann gleich wieder auf See.»

«Meine Soldaten machen das schon«, warf Hauptmann Bellairs ein.

Mudge warf ihm einen zornigen Blick zu.»Genau, Sir! In ihren hubschen roten Rocken, mit Trommeln und Pfeifen — ein schones Bild, stelle ich mir vor. «Grob fugte er hinzu:»Die Wilden werden sie zum Fruhstuck fressen, ehe sie auch nur ihre verdammten Stiefel putzen konnen!»

«Horen Sie mal!«Bellairs war ehrlich schockiert.

Bolitho nickte.»Also gut. Der Wind steht richtig, wir mu?ten morgen gegen Mittag ankern konnen.»

«Aye«, stimmte Mudge zu.»Aber nicht zu dicht unter Land, Sir. Denn ein ganzes Stuck vor der Landspitze liegt ein Riff. Das hei?t: alle Boote zu Wasser und ein langer Pull fur die Leute.»

«Ja. «Bolitho sah Davy an.»Sie besprechen mit dem Stuckmeister die Bewaffnung der einzelnen Boote. Drehbassen fur Pina? und Kutter, Standmusketen fur die anderen Boote. «Er blickte in die aufmerksamen Gesichter.»Und ein Offizier pro Boot. Auf manche von unseren Leuten mussen wir scharf aufpassen, und sei es auch nur zu ihrem eigenen Besten. «Er lie? die Worte wirken.»Denken Sie immer daran: die meisten sind in solchen Unternehmungen vollig unerfahren; nur weil wir jetzt zwei Monate zusammen sind, kommen sie Ihnen vielleicht wie befahrene Seeleute vor. Doch das sind sie nicht; also behandeln Sie sie entsprechend! Fuhren Sie sie und uberlassen Sie das nicht anderen weniger Qualifizierten.»

Er bemerkte, da? die Midshipmen Blicke tauschten wie Schuljungen vor einem Streich. Keens Augen glitzerten vor Erregung. Der kleine Penn war offensichtlich stolz, fur voll genommen zu werden. Dem ungluckseligen Armitage hatte die Sonne die Stirn verbrannt, weil er ein paar Minuten lang ohne Hut an Deck gewe sen war. Diese beiden Kerlchen waren leider noch unerfahrener als die meisten Matrosen.

Bolitho sah auf die Karte. Wenn Sullivan nicht gewesen ware, hatten sie die ganze Reise bis Madras ohne Unterbrechung geschafft, trotz der Ausfalle durch Krankheit. Herrick hatte ihm helfen wollen, indem er sagte, es sei eben Pech; Puigserver hatte ihm versichert, er stehe bei jeder Entscheidung uber das Wohl des Schiffes hinter ihm. Aber es waren eben seine Entscheidungen, daran konnte niemand etwas andern.

Unter den Anwesenden waren mehrere, die mit dem Schiffsarzt uberhaupt nicht mehr sprachen; und vielleicht nur aus diesem Grund hatte Bolitho nichts weiter dazu gesagt, da? Whitmarsh sich ausgerechnet Sullivan als Helfer ausgesucht und ihm, mochte er nun verruckt gewesen sein oder nicht, Gelegenheit gegeben hatte, das Wasser zu verderben. Er sah den Doktor nur beim Krankenstandsbericht und war jedesmal erschuttert uber den Zustand des Mannes: verbittert, innerlich kochend und dabei unfahig, seine Probleme mit anderen zu besprechen. Er versuchte es nicht einmal.

Bolitho horte eine Frauenstimme, und die anderen sahen zum Oberlicht hoch, wo an Deck Schritte zu vernehmen waren: Mrs. Raymond und ihre Zofe beim gewohnten Spaziergang unter dem Sternenhimmel. Hoffentlich pa?te Soames auf, da? sie das Achterdeck nicht verlie?en. Er konnte fur ihre Sicherheit nicht garantieren, wenn sie gewissen Matrosen vor die Hande liefen. Bolitho wu?te genau, welche Gefuhle die Mannschaft hegte.

Den Freiwilligen mu?te es ziemlich anders vorkommen, als die Rekrutierungsplakate ihnen versprochen hatten; und die Manner von den Gefangnishulken meinten jetzt vielleicht, sie hatten einen schlechten Tausch gemacht. Selbst fluchtige Verbrecher mochten von Zweifel und Reue geplagt werden. Ihre Verbrechen kamen ihnen nun, da sie Festnahme und Proze? nicht mehr zu furchten hatten, wohl weniger bedrohlich vor als Hitze, Durst und die tagliche Qual von Dienst und Disziplin.

Er sah, wie Raymond sich auf die Lippen bi?, wahrend seine Augen dem Klang der sich entfernenden Schritte folgten, als konne er durch die Decksplanken sehen. Gerade in der Enge des Schiffes entfremdeten sich seine Frau und er immer mehr. Es war schon eine seltsame Ehe.

Bolitho erinnerte sich an ein Vorkommnis der letzten Tage. Im Kartenraum, der ihm als Behelfskajute diente, hatte Allday ihm soeben den Arm neu verbunden. Mrs. Raymond war ohne vorher anzuklopfen eingetreten; weder er noch Allday hatten sie kommen gehort. Gelassen stand sie an der offenen Stuckpforte und sah wortlos zu. Bolitho war bis zum Gurtel nackt, und als er nach seinem frischen Hemd griff, hatte sie leise bemerkt:»Wie ich sehe, haben Sie noch eine andere Narbe, Captain.»

Bolitho hatte sich an die Rippen gefa?t und war sich plotzlich des rissigen Wundmales bewu?t geworden, das von einem Pistolenschu? zuruckgeblieben war. Grob hatte Allday gesagt:»Der Captain ist beim Anziehen, Madam! An Land sind die Sitten anscheinend anders als an Bord!«Aber sie war ruhig stehengeblieben und hatte ihn mit halbgeoffneten Lippen angesehen. Doch wie konnte sie verstehen, woran er dachte? An den Gegner, der auf ihn geschossen hatte: ein Offizier seines eigenen Bruders, der ein Verrater war, ein steckbrieflich gesuchter Renegat. Jetzt war Hugh tot und von den meisten, die ihn gekannt hatten, vergessen. Aber nicht von mir.

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