Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander (читать книги без регистрации .txt) 📗
«Es tut mir nicht leid, da? ich hier bin«, sagte Segrave.»Gut!»
Zusammen stiegen sie an Deck, und die frische Luft tat ihnen wohl nach dem Gestank in der Kajute. Tyacke sah zum Wimpel hoch, prufte den Kurs am Kompa?. Ja, der Wind stand durch, hatte aber hier unter Land weniger Kraft. Er nahm das Teleskop aus seiner Halterung. Da fiel sein Blick auf den Deserteur namens Swayne. Er holte gerade die Lose aus einer Leine, bewegte sich dabei schnell und leicht: ein erfahrener Seemann. Seit er hier an Bord war, sah er nicht mehr so verzagt aus, denn solange man lebte, gab es Hoffnung. Auf dem Flaggschiff hatten ihn entweder zweihundert Hiebe oder der Strick erwartet. Der andere Fremde an Bord war ein Seesoldat namens Buller. Der hatte Rum gestohlen, sich betrunken und dann seinen Sergeanten verprugelt. Das war zuviel fur die Truppe. Auch ihn hatte man gehenkt oder ausgepeitscht.
Die anderen Manner kannte Tyacke bereits genau, sie kamen von der Miranda. Sperry, der Bootsmann, lie? zwei Manner die Fockrah mit einer Kette festsetzen, denn wenn die Flammen erst nach oben schlugen, waren Ketten notig, um Fahrt im Schiff zu halten. Das geteerte laufende Gut brannte sofort weg.
So jedenfalls hatte es Tyacke gehort. Wie jeder Seemann furchtete er Feuer an Bord am meisten. Ob er die Sache durchstehen konnte? Er wu?te, da? es darauf nur eine Antwort gab.
Der Kommandant hob das Glas und sah am Midshipman vorbei, dem das Haar ins Gesicht wehte. Das Land lag genau voraus, und die Huk, die die Einfahrt zur Bucht schutzte, war im fahlen Morgenlicht gut zu erkennen: grun und felsig. Die Decksplanken unter seinen Fu?en wurden langsam warm und wurden bald trocken wie Zunder sein. Wenn der Feind vorn an der Landspitze weitreichende Kanonen plaziert hatte, wurden sie nicht bis in die Bucht kommen. Kein Schiff hatte Chancen gegen eine Landbatterie, schon gar nicht, wenn sie mit gluhenden Kugeln scho?. Tyacke versuchte nicht daran zu denken, was eine gluhende Kanonenkugel unter Deck anrichten wurde.
«An Deck!«Der Ausguckposten zeigte nach achtern.»Die Miranda geht uber Stag.»
Tyacke drehte sich um. Die offene See achteraus hielt die Nacht noch langer fest. Mirandas gro?e Segel schienen formlich ubers Wasser zu fliegen, ihr Toppsegel flatterte, als sie durch den Wind ging. Es sah wirklich so aus, als verfolge sie den schabigen Sklavenhandler mit Feuereifer.
«Schutteln Sie alle Reffs aus, Mr. Sperry. Wir mochten doch nicht durch ein Schiff des Konigs aufgebracht werden — oder?«Sperry grinste und verschwand.»Sie werden an der Pinne gebraucht, Mr. Segrave. Wir haben noch etwa zehn Meilen bis zum Angriff.»
Segrave nickte. Hinter Tyackes absto?endem Au?eren hatte er seine gewinnende Kameradschaft entdeckt.
Im Fernglas offnete sich jetzt vor ihnen die Bucht wie eine Buhne.
«Wir laufen nach Nordost«, befahl der Kommandant,»auf die Untiefe zu, wie jedes kleine Handelsschiff, das von einem Kriegsschiff gejagt wird. Dann wenden wir und halten auf Steuerbordbug genau auf die ankernden Schiffe zu. Falls sie noch da sind. «Tyacke rieb sich das Kinn; er hatte sich doch rasieren sollen.»Also klar zur Wende, Mr. Segrave!»
Segrave bestatigte und stellte sich an der Pinne neben den jungen Seemann, der damals unten in der Kajute seine Messerwunde versorgt hatte.
«Wir werden's auch diesmal schaffen, Mr. Segrave«, sagte dieser.
«Ganz bestimmt. «Segrave lachelte zuruck.
Als ein Schu? ubers Wasser klang und Pulverrauch vom Bug der Miranda aufstieg, drehte sich Tyacke um. Simcox beherrschte das Spiel gut. Hoffentlich ubertrieb er es nicht und holte die Albacora ein. Plotzlich mu?te Tyacke an das Madchen denken, das er in Portsmouth gekannt hatte. Marion, richtig. Er wischte sich den Schwei? vom Gesicht.
Ein zweiter Schu? rollte uber die glitzernde See, die Kugel schlug eine Kabellange achteraus ins Wasser.
«Neuer Kurs Nordost liegt an, Sir!«Zum erstenmal horte er den stillen Segrave laut und deutlich rufen.
Gischt wehte uber das schmutzige Deck. Der Bootsmann zuckte nur kurz mit den Schultern, als ein dritter Schu? fiel und schon etwas naher lag als der letzte. Sperry spahte durch das Skylight in die Kajute hinunter. Hier hatte er sich damals mit der Schwarzen vergnugt.
So hing jeder seinen Gedanken nach. Tyacke fragte sich, ob das Madchen Marion sich an ihn erinnern wurde, wenn sie vom letzten Kommando eines gewissen Leutnant Tyacke in der Zeitung las.
Kapitan Daniel Poland hielt respektvollen Abstand zu Bolitho, der am Tisch mit dem Zirkel einige Entfernungen in der Karte nachma?.
«Soweit wir wissen, ist niemand mehr in die Bucht eingelaufen«, uberlegte der Vizeadmiral.»Sie oder Leutnant Varian hatten das doch bemerkt und mir gemeldet. Das hei?t, die Ostindienfahrer und die Fregatte liegen noch in der Bucht. Hab' ich recht?»
«Die Bucht ist riesig, Sir Richard«, gab Poland zu bedenken.»Viermal so gro? wie die Tafelbucht. «Er fuhlte sich unter Bolithos forschendem Blick unwohl.»Aber es wird schon so sein, wie Sie sagen.»
Bolitho zog seine Uhr heraus. Tyackes Brander und die Miranda mu?ten jetzt auf den vorgesehenen Positionen stehen. Immer noch dachte er an den Leutnant, der seinen Platz mit dem des Freundes getauscht hatte.
Jenour, der unruhig aus den Heckfenstern geblickt hatte, meldete Kanonenschusse, und Bolitho sah auf die Karte.»Es lauft wie geplant.»
Er sah sich in der Kajute um. Nach der Miranda schien er hier so viel Platz zu haben wie auf einem Linienschiff. Er wandte sich Poland zu.»Lassen Sie klar Schiff zum Gefecht machen, wann es Ihnen pa?t. Und bitten Sie Allday…»
Doch der war schon leise eingetreten und brachte Bolithos alten Degen. Bolitho hob die Arme, damit Allday ihm das Gehenk umlegen konnte.
«Wieder mal«, seufzte er dabei.
«Und wie immer«, antwortete Bolitho,»verlasse ich mich auf dich, alter Freund.»
Leutnant Tyacke senkte das Teleskop. Er wurde sich jedem Beobachter verdachtig machen, wenn er die beiden Ankerlieger zu lange durchs Glas studierte, statt sich um den Schoner zu kummern, der ihn verfolgte. Aber er hatte schon gesehen, was er suchte: Die beiden Schiffe, offensichtlich Ostindienfahrer, lagen vor Heck- und Buganker. Bolitho hatte also recht gehabt. Sie konnten wie eine Batterie an Land jeden Angreifer abwehren, der sich ihnen muhsam aufkreuzend naherte.»Sehen Sie sich das an, Mr. Segrave!«Der junge Matrose neben dem Midshipman deutete auf die Miranda. Mit Vollzeug ging sie durch den Wind, drehte fast auf der Stelle, nahm wieder Fahrt auf und kam so schnell naher, da? Segrave schon glaubte, Simcox mit seinem wehenden Haar druben an der Pinne zu erkennen.
Wieder stieg ein Wolkchen von ihrem Bug auf, und diesmal schlug die Kugel nur eine Bootslange entfernt ein. Gischt spritzte an Deck.»Verdammt«, fluchte Sperry,»wenn du noch mal so gut zielst, kriegst du's mit mir zu tun, Elias Archer!»
Segrave leckte sich die trockenen Lippen. Wie er und der junge Seemann hatte wohl auch der Bootsmann vergessen, da? sie den Stuckmeister der Miranda nie wiedersehen wurden.
«Wachboot, Sir!«schrie der Ausguck im Fockmast.
Tyacke prufte den Wimpel und den Stand der Segel.»Klar zur Wende, Mr. Sperry. «Er schatzte die Entfernung und prufte die Kraft des Windes. Sie waren jetzt schon eine Stunde lang tiefer in die Bucht hinein gesegelt, ohne da? sie jemand aufgehalten hatte. Sicherlich wurde aus vielen Fernglasern beobachtet, wie hier ein Sklavenhandler vor einem Briten floh. Vielleicht hatte auch der hollandische Kommandant die Albacora wiedererkannt.
Tyacke sah sich das Wachboot im Teleskop genauer an: ein kleiner Kutter, die Riemen schon eingelegt, loste sich gerade vom ihnen nachstgelegenen Handelsschiff. Messingknopfe glanzten auf der Uniform eines Offiziers, der im Heck des Kutters stand. Das Wachboot wurde sie anrufen und zum Beidrehen auffordern. Es gab nur eine Moglichkeit.