Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander (читать книги txt) 📗
Luft.
Hier also sollte es zu Ende gehen, dachte Bolitho. Das Schicksal hatte es langst vorhergewu?t, nur die Menschen machten sich immer etwas vor.
Unten auf dem Hauptdeck duckten sich die Seeleute schutzsuchend, als noch mehr Wrackteile aus der Takelage prasselten, von den wippenden Netzen aufgefangen wurden oder spritzend ins Wasser schlugen. Die Leute waren erschopft. Sie hatten ihr Bestes gegeben, weitaus mehr, als man von ihnen erwarten konnte.
Bolitho ri? sich den Hut vom Kopf, hieb damit auf die ihm am nachsten stehende Kanone und rief gellend:»Auf, auf, Kinder! Eine letzte Breitseite!»
Eine Musketenkugel ri? ihm die Goldepaulette von der rechten Schulter, und ein Seesoldat buckte sich rasch und steckte sie in die Tasche.
Betaubt, blutverschmiert und mit pulvergeschwarzten Gesichtern taumelten die Stuckmannschaften noch einmal an ihre Kanonen, schwangen die Ladestocke wie verlangerte Arme und verbannten alles aus ihren Gedanken — bis auf die grellbunte Trikolore hoch uber den Rauchschwaden.
Bolitho rief zu Keen hinuber:»Noch eine Breitseite, Val, dann rammen sie uns!»
Erst danach merkte er, da? Keen beide Hande in die linke Seite pre?te und Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll. Aber er schuttelte den Kopf, als er Bolithos Besorgnis gewahrte.
Zischend stie? er durch die zusammengepre?ten Zahne hervor:»Nein, noch nicht, die Leute durfen mich nicht fallen sehen!«Quan-tock begriff, was geschehen war, und schwenkte auffordernd den Hut.»Feuer!«befahl er an Keens statt.
Auf Kernschu?weite brullten die britischen Kanonen auf, ihre Kugeln kreuzten sich mit dem Gegenfeuer des Feindes. Das Deck schien in lauter Splittern zu explodieren, achzend krummten sich die Kampf enden, andere schrieen Befehle fur Kameraden, die langst gefallen waren.
Aber Quantock war sich nur eines ungeheuren Triumphgefuhls bewu?t. Im entscheidenden Moment, jetzt, da sie sich in den Nahkampf sturzten und harte Disziplin, nicht weiche Anbiederei den Ausschlag gab, ubernahm er und nicht Keen das Kommando.
Aber irgend etwas stimmte nicht mit ihm. Die Beine rutschten unter ihm weg, er fiel. Kein Grund zur Sorge, irgendwer wurde ihm schon wieder aufhelfen. Als Quantock endlich begriff, da? die Blutlache unter ihm seine eigene war, blickten seine Augen schon so totenstarr wie die des Kadetten, der Bolithos Hut aufgehoben hatte.
XVIII Ruhe den Tapferen
Immer noch, selbst in den letzten Sekunden vor dem Rammsto?, feuerten die beiden Schiffe aufeinander, wenn auch nur mit einigen wenigen Kanonen. Aber es war, als hatten die Besatzungen die Kontrolle uber sich verloren oder als achteten sie, vom pausenlosen Kanonendonner betaubt, auf nichts mehr, was au?erhalb ihrer eigenen hollischen Welt lag. An Deck oben war die Luft zu einem todbringenden Element geworden, erfullt vom Feuer der Musketen und Pistolen, die vor allem auf die Offiziere und Wachganger des Achterdecks gerichtet waren.
Vor Bolithos Augen verengte sich die Lucke zwischen den beiden Schiffen immer mehr, die von den Rumpfen eingefangene See schwappte an den Bordwanden hoch und verwandelte sich in Dampf, wo sie auf die gluhenden Kanonenrohre traf.
Kugeln hammerten in Decksplanken oder Hangemattsnetze; oben in der Takelage peitschte morderischer Schrothagel den Rauch und uberzog Freund wie Feind mit rot schimmernden Arabesken aus Blut.
Keen klammerte sich mit einer Hand an die Querreling und pre?te die andere gegen die Rippen, mit dem Stoff seines Uniformrocks den Blutstrom aus der Wunde stillend. Aber sein Gesicht war totenbleich, und er reagierte nicht mehr, wenn die Kugeln zu seinen Fu?en ins Deck schlugen oder Manner neben ihm fallten.
Adam ri? den geschwungenen Sabel aus der Scheide und rief:»Da kommen sie!»
Mit blitzenden Augen beobachtete er, wie die Rumpfe so hart zusammenstie?en, da? noch mehr Trummer aus der Takelage fielen und beide Schiffe immer enger verflochten.
Allday warf sich mit der Schulter gegen Bolitho, stie? ihn beiseite und schrie, das Entermesser hoch uber seinem Kopf schwingend:»Die haben's auf Sie abgesehen, Sir!»
Tatsachlich waren schon die ersten franzosischen Enterer von Argo-nautes Bugspriet an Deck gesprungen, als die Spiere uber das Vorschiff knirschte, dabei Rigg und Abwehrnetze zerrei?end, wahrend der Seegang beide Rumpfe anhob und immer dichter zusammenschob.
Eine Musketensalve der Briten fallte jedoch die meisten Enterer, ehe sie die Netze ganz weghacken konnten, und der Rest wurde mit Piken aufgespie?t, obwohl er schon im Ruckzug begriffen war.
Hauptmann Dewar zog seinen schweren Sabel.»Auf sie, Soldaten!»
Doch damit hatte er seinen letzten Befehl auf Erden gegeben; eine Kugel ri? ihm die untere Gesichtshalfte weg und warf ihn die Niedergangstreppe hinunter an Deck. Fassungslos starrte Hawtayne, sein Leutnant, die Leiche an, als weigere er sich, den Tod seines Vorgesetzten zu akzeptieren.
Endlich raffte er sich auf und rief:»Folgt mir!»
Bolitho sah die roten Uniformen durch den Rauch zum Vorschiff sturzen, wobei einige fielen, andere aber zum letztenmal ihre Musketen abfeuerten, ehe sie mit den Bajonetten gegen die zweite Welle der Enterer vorgingen, die wie vom Himmel gefallen an Deck landete.
Es nutzte nichts, der Feind war in der Uberzahl. Bolitho horte schon franzosisches Jubelgeschrei, das jedoch noch einmal in Fluchen und Angstgebrull uberging, als der Schrot einer Drehbassensalve ihre Reihen wie mit einer blutigen Sense ummahte.
Er sah Midshipman Evans neben der Niedergangsleiter kauern.
«Unter Deck mit Ihnen!«befahl er.»Sagen Sie ihnen, sie sollen weiterfeuern! Auf Befehl des Admirals!»
Das Feuer konnte beide Schiffe in Brand setzen, war aber ihre einzige Chance.
Aus dem Augenwinkel sah Bolitho franzosische Seeleute druben in die Besanwanten klettern; das vom Rauch getrubte Sonnenlicht schimmerte matt auf Hieb- und Stichwaffen, wahrend die Angreifer darauf warteten, da? Wind und Seegang ihr Achterschiff naher an Achates heranschoben. Bald mu?te ihnen aus den unteren Decks Verstarkung erwachsen.
Bolitho verzog das Gesicht, als unten einige seiner Vierund-zwanzigpfunder noch einmal in die Bordwand des Franzosen feuerten. Rauch, Funken und Splitter wirbelten uber das Seitendeck und rissen einige feindliche Enterer uber Bord, die zwischen den Rumpfen zermalmt oder unter Wasser gedruckt wurden.
Aber schon rannten Franzosen auf dem Seitendeck nach achtern, obwohl Bolitho entgangen war, wie sie sich durchgeschlagen hatten. Einer davon, ein Leutnant, hackte einen Matrosen nieder, bevor er nach unten auf das Batteriedeck springen konnte, und einige Kugeln zischten schon zum Achterdeck hinauf, wo Knocker mit seinen Mannern am Ruder stand, einem Hauflein Uberlebender auf ihrem Flo? vergleichbar.
Der franzosische Offizier entdeckte Keen an der Reling und machte einen Ausfall; entsetzt gewahrte Bolitho, da? Keen vor Schmerzen die Augen geschlossen hatte und nichts zu seiner Rettung tat.
Bolitho stie? einen lauten Ruf aus, und als der Blick des Leutnants zu ihm hin zuckte, hieb er ihm den alten Sabel in den Hals. Noch wahrend der Franzose mit einem gurgelnden Schrei, der in Blut erstickte, vornuber taumelte, schlug Allday mit dem Entermesser zu und fallte ihn wie ein Waldarbeiter einen jungen Baum.
Stahl klirrte gegen Stahl, als sich die britischen Matrosen auf dem Achterdeck sammelten, taub und blind fur das Gemetzel ringsum und nur darauf bedacht, die Stellung zu halten und nicht unter diese grausamen Schneiden und stampfenden Fu?e zu geraten.
Bolitho sah Adam den Ausfall eines zweiten franzosischen Leutnants parieren und wollte hin zu ihm, wollte zu Hilfe eilen. Doch selbst im Larm und Schlachten des Handgemenges blieb ihm nicht verborgen, mit welcher Geschicklichkeit Adam focht, wie gut er den Schwung des schwereren Angreifers gegen diesen selbst lenkte. Schon drangte er nach, ruckte, bei jedem Ausfall mit dem rechten Fu? aufstampfend, vor und zwang seinen Gegner aufs Vorschiff zuruck.