Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander (книги бесплатно без регистрации TXT) 📗
Den konnte er nun vergessen. Aber Hyperion hatte es schwer getroffen. Ein Teil der feindlichen Breitseite war mit der Wucht eines Bergrutsches in ihren unteren Rumpf geschlagen. Bolitho wollte uber Deck gehen, da wurde sein Fu? festgehalten. Er blickte hinab und sah den jungen Seemann Naylor. Er lehnte an seinem umgeworfenen Geschutz und versuchte, Worte zu stammeln. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.
Keen rief:»Hierher, Sir Richard! Ich glaube, wir konnen. «Seine Fu?e rutschten in Blut aus, und als er Bolitho neben dem sterbenden Seemann knien sah, verstummte er. Bolitho ergriff die Hand des Junglings. Die Spanier mu?ten ihre Breitseite mit Kartatschen geladen haben; Naylor hatte ein Bein verloren, und in seiner Seite klaffte ein faustgro?es Loch.
«Lieg still, Naylor. «Bolitho hielt die Hand des Schwerverwundeten. Das Deck schien unter ihm zu schwanken. Er wurde verlangt, dringend sogar. Ringsumher tobte die Schlacht ohne Unterbrechung.
Der Seemann keuchte:»Ich — ich sterbe, Sir!«In seinen Augen standen Tranen. Er betrachtete sein Blut, das in die Speigatten flo?, wie etwas Fremdes. Verwirrt uber das, was geschah, stemmte er sich noch einmal hoch, und Bolitho spurte eine letzte Festigkeit in seinem Griff. Naylor fragte:»Warum ich, Sir?«Dann fiel er zuruck, aus seinem Mundwinkel sickerte ein rotes Rinnsal.»Warum gerade ich?»
Keen wartete, bis Bolitho die Hand loslie?, die ihm nun kraftlos entglitt.
Dann meldete er: «Capricious ist wieder manovrierfahig, Sir Richard! Aber dort druben bricht ein Spanier durch!«Er bestaunte seinen erhobenen Arm. Der Armel war aufgerissen, und doch hatte er die Musketenkugel nicht einmal bemerkt.
Bolitho eilte zur Reling. Ein zweites Schiff uberholte schon den Spanier, der die Breitseite abgefeuert hatte.»Will sicherlich zu seinem Admiral.»
Keen winkte.»Mr. Quayle! Sagen Sie der unteren Batterie, wir werden den dort gleich angreifen!»
Der Vierte Leutnant hatte alle Arroganz verloren. Vielmehr war er fast au?er sich vor Angst.
Keen drehte sich um.»Mr. Furnival!»
Doch der Fahnrich war ebenfalls gefallen, wahrend sein Kamerad stocksteif neben Jenour stand. Sein Blick war auf die Flaggen gerichtet, zwischen denen sein getoteter Freund lag, als wolle er sich von der Hitze des Gefechts ausruhen.
Bolitho bellte:»Gehen Sie unter Deck, Mr. Quayle! Dies ist ein
Befehl!»
Keen strich sich das Haar aus der Stirn und merkte, da? auch sein Hut weggerissen war.»Verflucht noch mal!«»Alle feuerbereit, Sir!«Keens Degen zuckte nieder.»Feuer!»
Schu? um Schu? der Breitseite bemalte das Kabbelwasser zwischen den Schiffen mit blutrotem Schein. Man horte deutlich, wie das Eisen der Hyperion in die Bordwand des Gegners krachte und Menschen und Geschutze zerschlug.
Eine zunehmende Brise wirbelte den Pulverdampfweg.
Keen warnte:»Sie treibt auf uns zu! Ihr Ruder ist weggeschossen!»
Bolitho horte es platschen. Als er sich umwandte, sah er einige Gehilfen des Bootsmanns von dem umgesturzten Geschutz wegtreten. Sie hatten Naylors Leiche schon uber Bord geworfen, nur noch sein Blut markierte die Stelle, wo er gekampft hatte und gestorben war. Immer noch hatte er seine Stimme im Ohr:»Warum gerade ich?«Es gab so viele, die diese Frage stellten.
Allday schatzte mit dem blo?en Entersabel in der Faust das naherkommende spanische Schiff kalt ab. Parris schrie gellend:»Klar zur Abwehr von Enterern!»
Major Adams hastete nach vorn, als der lange Kluverbaum des Gegners den Rauch durchstach und sich mit einer Erschutterung im Bugsprit der Hyperion verhakte, die selbst die Geschutzbedienungen innehalten lie?.
Keen brullte:»Weiterfeuern!»
Die unteren Zweiunddrei?igpfunder schossen gnadenlos uber das mit Trummern bedeckte Dreieck verraucherten Wassers. Wieder und wieder und noch einmal, bis des Feindes Kluverbaum brach, das Schiff mit einem Ruck langsseit klappte und die Mundungen von Freund und Feind zusammenstie?en.
Gewehrfeuer knallte aus den Masten, Manner fielen neben ihren Geschutzen oder brachen beim Aufraumen der heruntergefallenen Takelage getroffen zusammen. Aus dem Gro?mast der Hyperion bellten die Drehbassen und fegten eine Anzahl Spanier hinweg, die sich auf die Enternetze schwangen.
Keen brullte:»Wir haben kein Ruder mehr im Schiff, Sir Richard! Mussen sehen, da? wir den hier loswerden. Der andere Zweidecker hat sich auch an ihm verfangen.»
Drei Schiffe, ineinander verkeilt. Dennoch wagten sie jetzt nicht, in das langsseit liegende Schiff zu feuern. Denn es bedurfte nur einer glimmenden Kartusche, um beide, Freund und Feind, in ein Flammenmeer zu verwandeln.
«Raumt die Unterbatterie, Val, schlie?t die Pforten! Ich brauche jede Hand hier oben!»
Mit nackten, von Pulverrauch geschwarzten Oberkorpern quollen sie herauf, um Major Adams Seesoldaten beizustehen. Gemeinsam gingen sie gegen die Angreifer vor.
Keen warf die Scheide fort und wog seinen Degen in der Hand. Er schaute im treibenden Rauch nach seinen Leutnants aus.
«Und wo ist mein verdammter Bootssteurer?«Seine Miene erhellte sich, als Tojohns auf ihn zurannte, mit hoch erhobenem
Entersabel, um die anderen Seeleute im Getummel nicht zu verletzen.»Hier, Sir!»
Jetzt kam auch Allday.»Zur Stelle, Sir!»
Keens Augen suchten den Ersten Leutnant an der Reling.»Bleiben Sie hier, Mr. Parris, und verteidigen Sie das Achterdeck!«Sein Blick streifte Bolitho, es war wie ein Handedruck zum Abschied.
Dann rannte auch er auf dem Steuerbord-Seitendeck nach vorn, wo der Feind heruberkletterte. Leutnant Lovering deutete mit seinem Degen.»Nach vorn auf die Back, ihr Burschen!«brullte er. Doch mitten im Sprung sturzte er zu Boden, der Degen baumelte noch an seinem Handgelenk. Ein verborgener Scharfschutze hatte sein Ziel gefunden.
Dacie, der einaugige Bootsmannsgehilfe, war schon auf der Galion im Handgemenge. Er schwang sein furchtbares Enterbeil. Drei Spanier hatte er bereits niedergehauen, ehe einige Seesoldaten ihm beisprangen. Sie stachen mit ihren Bajonetten durch die Netze und schleuderten die Feinde beiseite, die sich wie Fliegen in einem Spinngewebe verfangen hatten.
Wieder krachten die Drehbassen im Gro?mast. Einige spanische Seeleute, die als erste zu entern versuchten, wurden von ihrem todlichen Hagel umgemaht. Die sich bereits auf Hyperion befanden, fielen zuruck. Einer warf seinen Entersabel fort, als ihn die Soldaten in eine Ecke drangten, aber fur Pardon war es zu spat. Rauch trieb ubers Deck, und dahinter sah man nur noch Leichen. Triumphierende Seesoldaten erfochten sich ihren Weg auf das Deck des spanischen Schiffes.
Jenour stand mit gezogenem Degen neben Bolitho, das Gesicht so bleich wie das eines bereits Toten. Er schrie:»Zwei Spanier haben die Flagge gestrichen, Sir Richard!»
Trotz des Klirrens von Stahl und dem Knallen der Gewehre horte man schwache Jubelrufe von einem anderen Schiff und, so kam es Bolitho vor, auch Trommeln und Pfeifen.
Er stieg auf die Poopleiter, rieb sich die Augen und spahte durch den alles verhullenden Rauch. Mit Muhe konnte er die Obdurate erkennen, nun vo llig entmastet und neben dem spanischen Zweimaster liegend, mit dem sie zusammengesto?en war. Doch uber dem Spanier wehte jetzt die britische Flagge, und Bolitho vermutete, da? es Kapitan Thynnes Manner waren, die da jubelten.
Dann sah er Benbow sich an einem anderen schwer mitgenommenen Spanier vorbeischieben und ihm eine langsame Breitseite versetzen. Masten fielen wie gefallte Baume, aber Herricks Flagge flatterte uber dem Rauch, spottisch und heiter im Sonnenlicht. Hyperion hatte ihnen den Weg freigemacht, wie es Naylor vorausgesagt hatte.
Allday schrie:»Da — pa?t auf!»
Bolitho drehte sich um und sah eine Gruppe spanischer Seeleute das Seitendeck erklettern. Bevor es jemand merkte, hatten sie die Netze zerschnitten. Sie mu?ten an den Gro?rusten emporgeklettert sein wie Geschopfe, die aus dem Wasser kamen.