Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander (читать книги txt) 📗
«Horen Sie sie, Jethro?«fragte Adam aufgeregt.»Sie jubeln uns zu!»
Das Ufer war gesaumt mit Menschen, die Tucher schwenkten und Abschiedsgru?e ubers Wasser riefen, wahrend das gro?e Ankerspill das Schiff mit jedem Klicken weiter dem Land entzog.
Tyrrell nickte.»Ja, mein Junge, diesmal jubeln sie.»
Hauptmann Dewar kam schneidig heranmarschiert und griff schwungvoll gru?end zu seinem Hut.»Also gut«, sagte Keen, der sich von der allgemeinen Frohlichkeit anstecken lie?,»lassen Sie aufspielen. Das wollten Sie doch gerade vorschlagen, wie?»
Bolitho spurte, da? er den Handlauf unnotig fest umklammerte. Solch einen Abschied hatte er schon ungezahlte Male erlebt, aber trotzdem war es diesmal anders.
«Anker ist kurzstag, Sir!»
«Vorsegel los!»
Bolitho wandte sich um und sah Allday neben sich stehen. Seine rechte Hand.
«An die Brassen!«Mit vorgerecktem Kopf tigerte Quantock an Deck hin und her; im Augenblick jedenfalls war seine Verbitterung uber den komplizierten Anforderungen seines Handwerks vergessen.
«Anker ist frei!»
Es war kein schneidiges Manover unter Vollzeug und mit starker Krangung, nein, Achates ging langsam und mit der ganzen Wurde ihrer Jahre durch den Wind, lie? die Sonne kurz von ihrer Galionsfi-gur reflektieren und dann auf den verschalkten Stuckpforten und der frisch gestrichenen Rumpfwolbung schimmern.
«Bramsegel los, aber bi?chen plotzlich, Mr. Scott! Ihre Leute sind heute lahm wie alte Weiber!»
Knallend fullten sich die Segel mit Wind, bis sie steif wie Bretter standen; mit einer leichten Bugwelle unter ihrem Wasserstag glitt Achates auf die Hafenausfahrt zu.
Bolithos Augen hingen an dem schmalen Fahrwasser, das ihm nicht viel breiter vorkam als ein Hoftor. Auch Keen, das sah er mit einem kurzen Seitenblick, mu?te wieder daran denken, wie sie bei volliger Dunkelheit hier durchgebrochen waren.
«Recht so!«Das war Knockers Stimme. Sogar er schien ungewohnt heiter, als er fortfuhr:»Mr. Tyrrell, Sie kennen sich hier besser aus. Ich ware Ihnen dankbar fur Ihren Rat.»
Hoch uber ihnen glitt die Festung vorbei und darunter der leicht ansteigende Feldweg, auf dem der Trommelbube gefallen war und Rivers seinen gro?ten Fehler gemacht hatte.
Die Flagge uber dem alten Turm wurde gru?end gedippt; auf der zinnenbewehrten Bastion stand eine Reihe rotuniformierter Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten und salutierend gesenkten Fahnen. Die Bramsegel von Achates warfen huschende Schatten auf die Festungsmauern.
«So schnell werden die das alte Kathchen nicht vergessen«, murmelte Allday. Lauschend wandte er sich um, als der kleine Musikzug mit seinen Pfeifern und Trommlern ein munteres Abschiedslied anstimmte.
Bolitho sah, da? Alldays Hand noch einmal zur Wunde tastete, aber dann zog er sie entschlossen zuruck und legte sie neben seiner auf den Handlauf.
Als lasse er mit der Insel auch den Schmerz hinter sich zuruck.
XVI Das Geheimnis
Bolitho stieg die nassen Planken zur Luvseite hinauf und griff haltsuchend in die Wanten des Besanmasts.
Das Schiff schuttelte sich und stampfte schwer in den hohen Seen, die mit ungebrochener Wucht schrag gegen sein Achterschiff anrannten.
Wieder einmal sackte der Bug weg, donnernd stieg die See ubers Vorschiff ein und schaumte wie ein Wasserfall auf dem oberen Batteriedeck nach achtern, umbrandete die Kanonen und gurgelte schlie?lich durch die Speigatten au?enbords — bis zum nachsten Ansturm.
Trotz der heftigen Schiffsbewegungen und der unbehaglichen Nasse hatte Bolitho jubeln mogen; ihn erfullte eine Begeisterung, die er seit seinen Tagen als junger Kommandant nicht mehr gekannt hatte.
Das graue Gesicht des Atlantiks — wie sehr unterschied es sich doch von den Gewassern um San Felipe: gefurcht von wilden Seen, deren helle, brechende Kamme ihn anfletschten wie gelbe, scharfkantige Zahne, reckte es sich ihm trotzig entgegen.
Achates wetterte den unerwarteten Sturm unter Breitfock und gerefften Marssegeln ab und hielt sich bei den rauhen Bedingungen recht tapfer. Trotzdem, in der kurzen Zeit, seit er an Deck gekommen war, hatte Bolitho den Bootsmann und seine Gang losgerissene Beiboote wieder festzurren gesehen, immer im Kampf mit dem uberkommenden Wasser, das sie von den Fu?en zu rei?en drohte; genauso mu?ten Kanonen neu gesichert werden oder Manner aufentern, um gebrochene Teile des Riggs zu reparieren.
Auch Keen hielt sich an Deck auf. Der Sturm zerrte an seinem Olzeugmantel, als er, uber den Kompa? gebeugt, sich schreiend mit dem Master unterhielt.
Seit ihrem Auslaufen von San Felipe hatte das Wetter sie standig genarrt. Zunachst war die Brise eingeschlafen, sobald die Insel hinter den Horizont gesunken war. Tagelang hatten sie in der Flaute gedum-pelt, ehe sie wieder Segel setzen und die vielen Seemeilen zuruckgewinnen konnten, die sie verdriftet waren.
Jetzt standen sie weit drau?en im Atlantik und bekamen die andere Seite zu spuren. Trotz der vielen Reparaturen, von denen manche mangels einer Werft nur behelfsma?ig ausgefuhrt waren, hatte sich das Schiff bisher behauptet. Zum Gluck fur uns alle, dachte Bolitho grimmig, denn das nachste Land waren die Bermudas, etwa zweihundert Meilen weiter nordwestlich.
Hier kam wieder eine. Bolitho hielt den Atem an, als die See ubers Luvschanzkleid kochte und ein paar Seeleute wie Treibholz wegschwemmte, ehe sie sich irgendwo festklammern konnten. Er blickte zu den Rahen auf, wo die gerefften Segel im diffusen Licht wie Metallplatten schimmerten.
Auf dem Achterdeck pa?ten geduckte Schemen den rechten Moment ab, ehe sie von einem Handlauf zum nachsten sprangen. Einige dieser Gestalten bemerkten den Admiral auf der Luvseite und zweifelten wohl an seinem Verstand, weil er das sturmumtoste Deck seiner ruhigen, trockenen Kajute vorzog.
Das Gesicht tropfna? von Gischt, kam Keen herangewankt.
«Mr. Knocker sagt, das kann hochstens noch einen Tag so bleiben, Sir. «Er duckte sich vor einer Wasserwand, die auf das Achterdeck krachte und uber die Niedergangsleitern zu beiden Seiten wieder abflo?.
«Wie wird Sir Humphrey mit all dem fertig?»
Keen spahte zum Gro?mast, wo zwei Manner einen Bunsch neuer Leinen klar zum Hochhieven machten, weil an der Gro?marsrah etwas gebrochen war. Dann entspannte er sich leicht, als er sah, da? sie sich rechtzeitig zu den Wanten fluchteten und sich anklammerten, ehe die nachste uberkommende See sie von Bord waschen oder gegen eine Kanone schmettern konnte.
Schreiend antwortete er:»Prachtig, Sir. Er schreibt die meiste Zeit.»
Bolitho druckte das Kinn in den Kragen, als Gischt und Spritzwasser von der Hutte auf ihn herabprasselten. Also bereitete Rivers seine Verteidigung vor. Oder er verfa?te seinen Letzten Willen. Wahrscheinlich hielt er sich so beschaftigt, um die Meilen zu vergessen, die Achates' zerschrammter Kiel unerbittlich verschlang.
Der Wachoffizier hangelte sich Hand uber Hand an der Querreling heran und rief:»Zeit fur die erste Kurzwache, Sir!»
Keen grinste in den Sturm.»Mein Gott, dabei sieht's eher aus wie Mitternacht.»
Bolitho uberlie? ihn sich selbst und tastete sich nach achtern unter die Hutte, wo es relativ ruhig war; hier dampfte massives Eichenholz das Getose von See und Sturm.
Aber in der Kajute ging der Hexentanz wieder los: Spritzwasser scho? durch die verschalkten Fenster in Luv, die Hangelampen kreiselten wild unter der Decke, und das Mobiliar tat sein Bestes, um sich aus Ozzards Sturmlaschings zu befreien.
Der Steward erschien in der Tur zur Pantry und klammerte sich haltsuchend an den Rahmen. Bolitho wollte ihn um ein hei?es Getrank bitten, lie? es aber, als er sah, wie grunlich-bla? Ozzards Gesicht war.
«Wie geht's Allday?»
Ozzard schluckte.»Liegt in seiner Hangematte und ruht sich aus. Vorher hat er einen gro?en Becher…«Aber allein der Gedanke an Rum war zuviel fur Ozzard; er drehte sich wurgend um und floh in die Pantry zuruck.