Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .TXT) 📗
Der Bugmann stie? ein scharfes Zischen aus.»Da ist sie, Cap' n!»
Er deutete mit dem Bootshaken voraus. Seine gebeugten Schultern hoben sich scharf wie eine Galionsfigur gegen das dunkle Wasser ab.»Die Sperre, Sir.»
«Stopp, Jungs!«befahl Bolitho.»Bootshaken klar!«Etwa zwei Sekunden lang offnete Allday die Blende seiner Laterne und richtete sie nach achtern. Die umwickelten Riemen der Gig hoben sich tropfend und verstummten. Lautlos glitten die beiden Boote an die behelfsma?ige Sperre heran, und die Manner im Bug setzten die Haken sorgfaltig ein. Die Sperre bestand aus einem dicken Kabel, das sich in schwarzem Halbkreis in der Finsternis verlor. In rege l-ma?igen Abstanden wurde es von gro?en Fassern an der Wasseroberflache gehalten; obwohl in aller Eile zusammengebaut, reichte diese Sperre doch vollig aus, um ein Schiff am Einlaufen zu hindern.
Bolitho kletterte uber die eingezogenen Riemen nach vorn und stutzte sich auf die Schultern der keuchenden Matrosen. Das Kabel hatte sich vollgesaugt und war mit schleimigen Algen behangen, und er konnte sehen, da? es sich zu beiden Seiten unter dem Druck der Stromung ausbuchtete. So hatte er es auch erhofft und erwartet. Der andauernde heftige Regen, selten genug in diesen Breiten, hatte den kleinen Flu? auf den doppelten Wasserstand anschwellen lassen, so da? er sich nun brausend von den Bergen in die wartende See ergo?.
Uberrascht schaute Bolitho hoch — der Regen hatte aufgehort. Selbst die Wolken kamen ihm dunner, nicht mehr so drohend vor, und sekundenlang uberfiel ihn Panik. Dann schlug die ferne Kirchturmuhr einmal. Es war also entweder ein oder halb zwei Uhr; der Klang gab ihm die Ruhe wieder, und ohne etwas zu sagen, kletterte er zuruck. Es blieb noch viel Zeit, seine Manner mu?ten sich ausruhen. Leutnant Fowler beugte sich aus der Gig und flusterte gepre?t:»Kommen wir hinuber, Sir?»
Bolitho nickte.»Wir zuerst. Sie folgen, sobald wir klar sind. Das Kabel hangt zwischen den Bojen tief durch, es wird nicht schwierig.»
Dann erstarrte er, denn ein Matrose keuchte:»Sir — Boot in Steuerbord voraus!»
Sie sa?en stocksteif. Die Matrosen hielten die Boote voneinander ab, um die Gerausche zu dampfen. Erst unbestimmt und fern, dann deutlicher und naher horten sie das Spritzen und Knirschen von Riemen.
«Wachboot«, flusterte Bolitho. Wegen der kabbeligen Wellen war es unmoglich, das Boot selbst auszumachen, aber der regelma?ige Schlag der Riemen, der flache wei?e Gischtschnurrbart um den Bug waren genug. Bolitho horte einen Mann leise pfeifen und, vollig unerwartet und dadurch doppelt erschreckend, ein lautes zufriedenes Gahnen.
«Sie patrouillieren an der Sperre, Sir«, flusterte Piper. Er zitterte heftig, ob aus Angst oder Kalte, blieb Bolitho unklar.
Er horte, wie das Boot vor ihnen mit spritzenden Riemen vorbeizog; bei jedem Schlag wurde das Gerausch unbestimmter. Naturlich hielt der franzosische Bootssteurer bei dieser Stromung reichlich Abstand von der Sperre, auch wurde die Besatzung ohne ausdrucklichen Befehl nicht allzu scharf Ausschau halten, wenn die ganze Sperre noch intakt war. Schlie?lich konnte kein Schiff daruber hinweg, und da sie an beiden Enden bewacht war, mu?te man es sofort merken, falls sie zerschnitten wurde.
Bolitho entspannte sich ein wenig, als das Wachboot in der Finsternis verschwand. Es wurde vermutlich am anderen Ende eine Weile pausieren, ehe es wieder zuruckruderte, bei einigem Gluck eine Viertelstunde lang. Und inzwischen. Er wandte sich um und befahl kurz:»Also dann, Jungs! Hinuber!»
Quietschend und scheuernd, von flachen Riemenschlagen getrieben, rutschten die beiden Boote uber das durchhangende Kabel und glitten in den Hafen hinein. Ein direkt hinter ihnen liegendes Fa? sprang im Wasser hoch, und Bolitho erwartete fast einen plotzlichen Anruf oder ein Lichtsignal, da? sie entdeckt waren. Doch nichts geschah, und mit frischer Energie legten sich die Manner wieder im die Riemen. Als es vom Kirchturm zwei Uhr schlug, kampften sie sich mitten im enger werdenden Fahrwasser voran. Mit jeder muhseligen Minute wurde der Gegenstrom starker.
Selbst in der Finsternis konnte man die wei?gekalkten Hauser zu beiden Seiten des Hafens ausmachen. Sie standen terrassenformig am Hang; die unteren Fenster der hinteren Reihe blickten jeweils uber die Dacher der vorderen. Genau wie ein Fischerhafen zu Hause in Cornwall, dachte Bolitho. Leicht konnte er sich die steilen engen Gassen vorstellen, welche die Terrassen miteinander verbanden, die zum Trocknen aufgehangten Netze, den Geruch nach Fisch und Teer.
Heiser sagte Allday:»Da ist sie, Captain. Die Saphir.».
Der Rumpf des Zweideckers war nur ein dunklerer Schatten, aber vor den helleren Hausern hoben sich seine Masten und Rahen wie schwarzes Spinngewebe ab. Allday legte ganz leicht Ruder; gefolgt von der Gig, glitten sie weiter in die Fahrwassermitte und von dem schlafenden Schiff weg.
Der scharfe Geruch nach verkohltem Holz und verbrannter Farbe, den der Wind herantrug, erinnerte Bolitho an das Gefecht. Hier und da konnte er an Bord eine Blendlaterne ausmachen, auch den sanften Schimmer des Oberlichts auf der Back. Doch kein Anruf lie? sich horen, kein plotzlicher alarmierender Schrei.
Die eroberte Schaluppe Fairfax lag zwei Kabellangen hinter dem Franzosen in flacherem Wasser. Sie schwojte unruhig in der Stromung, den schlanken Bug landeinwarts gerichtet. Bolitho musterte sie genau, wahrend die beiden Boote voruberglitten. Sein erstes Kommando war eine Schaluppe gewesen, und auf einmal verspurte er Mitgefuhl fur die kleine Fairfax. Ein Schiff in Feindeshand stimmt einen stets irgendwie traurig, dachte er. Ohne ihre gewohnte Besatzung, ohne Schiffsfuhrung in der Muttersprache, mit neuem Namen und nach den Bedurfnissen des Siegers umgerustet, blieb sie trotz allem doch dasselbe Schiff.
«Die Brucke, Sir!«flusterte Piper. Es war nicht viel mehr zu sehen als ein grauer Buckel, aber Bolitho wu?te, da? sie das Ende des Hafens erreicht hatten; und wie zur Bestatigung seiner Berechnungen schlug die Kirchturmuhr dreimal. Beim Aufblicken sah er, da? jetzt durch Risse in den Wolken hier und da ein Stern blinkte. Also war der Sturm vorbei.
Unvermittelt kam der Augenblick der Entscheidung. Seine Manner konnten nicht mehr rudern; unter der Brucke rauschte die Stromung wie ein Wildwasser, und fur die muden, schwitzenden Ruderer gab es deshalb keine Rastchance.
Rasch blickte er sich im Boot um.»So, Jungs. Wir lassen uns jetzt also wie besprochen vom Strom treiben. Wir nehmen die Gro?rusten; Mr. Fowler entert uber die Back auf. «Leise zog er seinen Degen und deutete uber Bord.»Abfallen, Allday! Bleiben
Sie klar von der Gig — wir wollen Mr. Fowler nicht in die Quere kommen, er hat genug zu tun.»
Allday druckte die Pinne herum, die Riemen wurden leise eingezogen, und das Boot nahm direkten Kurs auf die schlanke Schaluppe. Alle hielten den Atem an, als das Wasser an der Au?enhaut, das Kratzen von gezogenem Stahl erschreckend laut klangen. Selbst das Bilgewasser unter den Bodenbrettern schwappte so vernehmlich, da? mancher Mann erschrocken zusammenfuhr.
Plotzlich draute die Fairfax uber ihnen. Fast schienen die Masten mit den angeschlagenen Segeln an die Sterne zu ruhren. Dann, als Allday die Pinne noch starker umlegte und die Jolle schwerfallig auf die Rusten zuschwang, zerri? eine Stimme direkt uber ihnen die
Stille.
«Qui v a la?»
Schwarz hoben sich Kopf und Schultern des Mannes vom festgemachten Gro?segel ab. Mit einer zugigen Bewegung ri? Bolitho Midshipman Seton hoch und zischte:»Los, Junge! Antworte ihm!»
Seton fuhlte sich noch schlapp von der Seekrankheit, und in der plotzlichen Stille klang seine Stimme gebrochen und schwankend. »Le patrouilleur.«Er wurgte, als Bolitho ihn nochmals ruttelte. »L'oficier de garde!»
Bolitho fuhlte sich krampfhaft grinsen und flusterte:»Gut gemacht!«Von oben her war ein Gemurmel zu horen, das nun, da alles in Ordnung schien, eher argerlich als besorgt klang.