Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander (читать книги без регистрации .txt) 📗
Catherine wollte schon zur Treppe eilen, doch Bolitho sah, wie die Haushalterin den Kopf schuttelte. Da sagte er:»Bleib hier, Kate, und kummere dich um Mrs. Robbins. La?t euch was Hei?es zu trinken bringen. Ich bin bald wieder unten.»
Ein alterer Diener sa? oben vor der gro?en Tur, zu betroffen, um zu gru?en. Bolitho erinnerte er an Allday.
In dem gro?en Raum war es dunkel, drei Manner sa?en im Lichtschein der Lampe an Brownes Bett. Einer, offensichtlich der Arzt, hielt seine Hand und zahlte den Puls.
Ein anderer sagte leise:»Er ist gekommen, Oliver.»
Sie machten ihm Platz, und Bolitho setzte sich auf die Bettkante. Da lag der Mann, der sein Flaggleutnant gewesen war, bis er seines Vaters Adelstitel und Besitz geerbt hatte. Er trug ein Tageshemd, und seine Haut glanzte vor Schwei?. Seine Augen weiteten sich, als er Bolitho erkannte. Er flusterte:»Es geht dir gut — schon. Ich dachte schon, du lebst nicht mehr.»
«Nur ruhig, Oliver, ruhig. Was ist denn passiert?«fragte Bolitho den Arzt.
Wortlos hob dieser einen Verband an. Das Hemd war aufgeschnitten, die Brust mit Blut bedeckt.
Eine Schu?wunde.»Wer war das?«fragte Bolitho.
«Naher, komm naher!«Brownes Stimme trug nicht mehr weit.
Bolitho senkte das Ohr dicht an den Mund des jungen Mannes. Wie oft war er unbewegt mit ihm uber das Achterdeck geschritten, wenn um sie herum die Holle tobte. Ein tapferer junger Mann, der hier seinen letzten Kampf verlor.
«Es war Somervell. Ein Duell. «Jedes Wort schmerzte ihn, doch er gab nicht nach.»Deine Lady ist jetzt Witwe. «Er bi? sich auf die blutleeren Lippen.»Aber mich hat's auch erwischt.»
Verzweifelt fragte Bolitho den Arzt:»Konnen Sie denn nichts fur ihn tun?»
Der schuttelte den Kopf.»Da? er so lange uberlebt hat, ist schon ein Wunder. «Browne griff nach Bolithos Arm.»Der verdammte Somervell hat damals auch meinen Bruder getotet«, flusterte er muhsam.»Jetzt hab' ich's ihm heimgezahlt. «Sein Kopf rollte zur Seite, er hatte seine letzte Kraft verbraucht und war fur immer verstummt.
Bolitho druckte ihm die Augen zu. Nach einer Weile stand er auf.»Ich sage es jetzt Catherine, Oliver. «Sein Auge schmerzte ihn starker als je zuvor. Er ging zur Tur, wollte noch etwas sagen, spurte aber, da? niemand ihm zuhorte, und schlo? die Tur leise von au?en.
Unten wartete Catherine auf ihn mit einem Glas Brandy.»Ich wei? es schon«, sagte sie.»Allday ist wieder da und hat es mir erzahlt. Browne hat meinen Mann getotet und wurde dabei selbst todlich verwundet. Es tut mir so leid um deinen Freund, aber fur meinen Mann empfand ich schon lange nur noch Abscheu. «Sie reichte ihm das Glas.
«Oliver pragte das Wort von den wenigen Begluckten«, sagte er.»Diese Schar ist mit seinem Tod noch viel kleiner geworden.»
In der Kuche sa? Allday vor einer Lammpastete, von der er nur die Halfte geschafft hatte, stopfte seine Pfeife und sagte:»Ein Krug Bier ware jetzt willkommen, liebe Mrs. Robbins. Und bei langerem Nachdenken auch noch etwas von dem schonen Rum da druben!»
Die Haushalterin war betroffen vom Tod ihres Herrn und besorgt um ihre eigene Zukunft. Lord Oliver, wie man ihn in der Kuche nannte, war der letzte der Familie. Nach seinem Tod wurden Titel und Besitz an einen entfernten Cousin ubergehen — und was wurde dann aus ihr?
«Wie konnen Sie nur in dieser traurigen Stunde so unbeschwert essen, trinken und rauchen?«fragte sie bose.
Allday sah sie aus rotgeranderten Augen an.»Das will ich Ihnen erklaren. Ich habe uberlebt«, er zeigte nach oben,»wir haben uberlebt. Ich vergie?e fur jeden toten Kameraden eine Trane, aber wirklich kummern tu' ich mich nur um uns!»
Sie schob ihm den Steinkrug zu, obwohl er schon angetrunken war.»Benehmen Sie sich blo? anstandig, wenn die Bestatter nachher die Leiche abholen. Adel oder nicht, das Duell war gegen das Gesetz!»
Schnell zog sie den Becher Rum weg, als Alldays Kopf auf den Tisch fiel. In diesem Haus war der Krieg immer sehr weit entfernt gewesen, hier hatte nie Mangel geherrscht. Nur wenn Lord Oliver selbst auf See gewesen war, hatte man an den Krieg gedacht. Doch mit Alldays letztem Satz war er wieder zuruckgekehrt.
Sie horte eine Tur klappen. Sicher gingen die beiden jetzt zur Totenwache nach oben. Ihre strengen Zuge wurden mild. Lord Oliver hatte es gefreut, so gute Freunde an seiner Bahre zu wissen.
Der Arzt, der beim Duell dabeigewesen war, machte kein Hehl daraus, da? er es eilig hatte, das Haus zu verlassen. Er konnte nichts mehr tun, beide Duellanten waren tot.
«Oliver hat also in einem Brief hinterlassen, da? er in Sussex bestattet werden wollte?«fragte Bolitho.»War er denn so sicher, da? er sterben wurde?»
Der Arzt sah kummervoll zu Catherine am Kamin hinuber und antwortete leise:»Viscount Somervell galt als erfahrener Duellant. Lord Brownes Brief war nur eine kluge Vorsorge.»
Unten an der Treppe wurde geflustert, Turen offneten und schlossen sich. Man bereitete alles fur die Uberfuhrung des Toten auf den Familiensitz in Sussex vor.
Catherine sagte:»Mein letzter Dienst an Somervell ist hoffentlich bald getan. Keine Sorge, Richard, ich werde dich dabei nicht enttauschen. «Sie nahm seine Hand, als seien sie beide allein im Raum.
Wieder einmal war Bolitho uberrascht von ihrer Kraft. Mit Hilfe des Doktors hatte sie Somervells Leiche bereits in das gro?e Haus am Grosvenor Platz bringen lassen. Mu?te sie nun in jenem Haus alle Vorkehrungen fur die Beerdigung ihres Mannes treffen? Er streichelte ihre Hand. Wenn sie das tun mu?te, wurde er ihr dabei helfen. Den Skandal konnte das kaum noch verschlimmern.
Ein Diener mit verweinten Augen offnete die Tur.»Pardon, aber der Leichenwagen ist jetzt da.»
Neue Stimmen, viele Schritte, dann trat ein kraftiger Mann in dunkler Kleidung ein und stellte sich als Hector Croker vor, der Verwalter des Browneschen Landsitzes. Er mu?te sofort aufgebrochen und ohne Rast und Ruh uber die gewundenen
Landstra?en nach London gejagt sein. Der Arzt ubergab ihm einen Umschlag mit Papieren, offensichtlich sehr erleichtert.
Croker sah Mrs. Robbins zwischen ihren Taschen und Koffern stehen.»Sie fahren mit uns. Seine Lordschaft hat bestimmt, da? Sie auf dem Gut bleiben. «Mrs. Robbins verschwand ohne langen Abschied.
Im Erdgescho? beobachteten sie, wie dunkelgekleidete Manner den Sarg durch die Halle und in den Wagen trugen. Bolitho folgte ihnen und gab ihrem Vormann ein paar Munzen. Catherine trat zu ihm vor die Tur und schob eine Hand unter seinen Arm.»Auf Wiedersehen, Oliver. Ruhe in Frieden.»
Ein Regenschauer jagte heran, aber sie blieben mit entblo?ten Hauptern drau?en stehen, bis der Wagen abgebogen war.
Im Haus wandte sich Yovell an Bolitho:»Soll ich packen, Sir Richard?»
Catherine kam seiner Antwort zuvor.»Ich packe selber, Sie werden anderweitig viel zu tun haben. «Sie sah Bolitho an:»Du willst doch bestimmt an Val schreiben, aber auch an Konteradmiral Herrick.»
«Ja«, sagte Bolitho nachdenklich.»Sie kannten Oliver so gut wie ich.»
Valentine Keen war in Chatham dabei, die Black Prince in Dienst zu stellen. Das Schiff war inzwischen vom Stapel gelaufen, doch nun begann die aufreibendste Arbeit. Erfahrene Seeleute und Unteroffiziere mu?ten gesucht werden, es gab endlose Verhandlungen mit den Proviantverwaltern. Wenn man nicht alles kontrollierte, wurde oft schlechtere Ware als bestellt angeliefert, auf da? sich Kramer und Zahlmeister den Gewinn teilen konnten. Aus einem Eichenwaldchen ein gut funktionierendes Kriegsschiff zu machen, einen Baustein in den holzernen Mauern, die England schutzten, das war eine kraftezehrende, schier endlose Aufgabe.
Bolitho mu?te auch Adam benachrichtigen, der die lecke Truculent mit seiner Anemone in den Hafen geschleppt, aber dort kaum Zeit zum Ankern gehabt hatte, so schnell wurde er wieder auf See gebraucht. Auch Adam war einer von Bolithos fruheren Flaggleutnants. Mehr als andere wu?te gerade er, wie sehr dieser Posten den Mann an den Admiral band.