Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander (читаем полную версию книг бесплатно txt) 📗
Bolitho druckte den Sabel fest an die Seite, und wieder storte ihn seine Fremdheit. Der Verlust seiner altvertrauten, ererbten Waffe ging ihm immer noch schmerzlich nahe. Aber er bi? die Zahne zusammen und schritt zur Pforte, ohne zu hinken, ohne sich seine Trauer anmerken zu lassen.
Die Seesoldaten prasentierten ihre Seitenwaffen, die Pfeifen schrillten, und Bolitho kletterte schnell an der Bordwand hinab zur
Barkasse, wo Allday ihn in elegantem dunkelblauem Rock und hellen Nankingbreeches erwartete.
Browne sa? schon im Heck des Bootes und musterte Bolitho mit ausdruckslosem Gesicht.
Wie sie mich alle anstarren, dachte Bolitho. Wie eine Art Ubermensch.
«Absetzen vorn! Rudert an — zugleich!«Allday legte die Pinne; die Sonne reflektierte so grell vom Wasser, da? er die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen mu?te.
Leise fragte Bolitho:»Na, Allday, wie schmeckt es, wieder frei zu sein?»
Der bullige Bootsfuhrer wandte den Blick nicht von einem nahen Wachboot, als er antwortete:»Ich habe die Marine schon oft zum Teufel gewunscht, Sir, und ich ware eine Memme, wenn ich das nicht zugeben wurde. «Im Wachboot druben wurden die Ruder zum Gru? senkrecht gestellt, der Leutnant zog im Stehen seinen Hut, als die Admiralsbarkasse vorbeizischte.»Trotzdem — jetzt ist sie mein Zuhause, und mir ist, als ware ich heimgekehrt.»
Browne nickte.»Mir geht's genauso, Sir.»
Bolitho setzte sich auf der Ducht zurecht und druckte den Hut fester in die Stirn.
«Aber um ein Haar waren wir nie mehr heimgekehrt, Oliver.»
«Riemen ein! Klar bei Bootshaken!»
Allday konzentrierte sich ganz auf das Anlegemanover und ignorierte die neugierigen Gesichter oben an der Reling der Dorsetshire, die blendenden Sonnenreflexe auf den Bajonetten, die roten und blauen Uniformrocke.
Schlie?lich stieg Bolitho zur Schanzkleidpforte hinauf, und wieder begann das Trillern und Stampfen des Begru?ungszeremoniells.
Der Vizeadmiral wartete unter der Poop, bis sein Flaggkapitan die Formalitaten abgewickelt hatte, dann schlenderte er heran, um Bolitho nun seinerseits zu begru?en.
Beide hatten als Kapitane gegen die amerikanische Revolution gekampft, aber danach war Bolitho Studdart mehrere Jahre nicht begegnet und sah nun uberrascht, wie stark gealtert er war. Er wirkte fullig und beleibt, und sein rundes, frohliches Gesicht verriet, da? er gern uppig lebte.
Nach einem herzlichen Handedruck rief Studdart aus:»Hol mich der Teufel, Bolitho, aber Ihr Anblick tut mir in der Seele wohl! Denn als letztes horte ich von Ihnen, da? die Franzosen angeblich Ihren Kopf auf einer Lanze spazierentrugen. «Er lachte laut auf.»Kommen Sie mit nach achtern, Sie mussen mir alles erzahlen. Ich bin gern genausogut informiert wie die Gazetten. «Mit einer vagen Geste zum Land setzte er hinzu:»Zweifellos haben die Spanier in Algeciras Ihre Ankunft beobachtet und werden die Neuigkeit schleunigst an Napoleon weiterleiten.»
In der gro?en Achterkajute war es angenehm kuhl; der Vizeadmiral entlie? seine Diener, schickte Browne mit einem Auftrag davon und lehnte sich dann bequem zuruck, um Bolithos Version der Ereignisse zu horen. Er unterbrach ihn kein einziges Mal, auch dann nicht, als Bolitho ihm seine Theorie uber die optischen Telegraphen darlegte. Bolitho bewunderte Studdarts muhelose Selbstbeherrschung und begann zu begreifen, weshalb er so schnell befordert worden war: Der Mann hatte gelernt, sich seine Besorgnis nicht anmerken zu lassen.
Erst als Bolitho auf Neales Tod zu sprechen kam, ergriff der Vizeadmiral das Wort.
«Da? wir Styx verloren haben, gehort zu dem Zoll, den der Krieg von uns fordert. Aber der Tod ihres Kommandanten ist deshalb nicht weniger erschutternd. «Er fullte ihre Weinglaser nach.»Trotzdem sollten Sie sich nicht die Schuld an Neales Tod geben. Ihre Flagge weht auf der Benbow und meine hier. Man hat uns eine ehrenvolle Fuhrungsaufgabe gegeben, und Sie sind uberdies von Admiral Beauchamp mit diesem Sondereinsatz in der Biskaya betraut worden. Sie haben Ihr Bestes getan, niemand kann Ihnen einen Vorwurf machen. Allein schon die Tatsache, da? Sie dieses gut funktionierende Telegraphensystem entdeckt haben, von dem keiner unserer sogenannten Agenten im Lande uns auch nur ein Wort gesagt hat, bringt uns zusatzliche Vorteile. Ihr Leben ist fur
England und die Kriegsmarine wichtig. Da Ihnen eine ehrenvolle Flucht gelang, haben Sie das Vertrauen, das Admiral Beauchamp in Sie setzte, voll gerechtfertigt. «Sir John lehnte sich zuruck und sah Bolitho frohlich an.»Habe ich recht?»
Bolitho beharrte:»Trotzdem ist mein Auftrag noch nicht erfullt: die Vernichtung der feindlichen Invasionsflotte, ehe sie in den Kanal verlegt werden kann. Da? wir jetzt uber die Semaphorenstaf-fel entlang der franzosischen Westkuste besser informiert sind, andert nichts daran. Nach wie vor konnen die Franzosen ihre Schiffe schnell und gezielt dorthin beordern, wo sie am dringendsten gebraucht werden, wahrend unsere vor aller Augen die Kuste absuchen. Die neuen Landungsschiffe sind jetzt eher noch sicherer, seit unsere Kommandanten wissen, wie effektiv sie durch die Se-maphoren geschutzt werden.»
Studdart lachelte schief.»Ich mu? schon sagen, Sie haben sich uberhaupt nicht verandert. Statt Befehle zu geben und das Risiko anderen zu uberlassen, treiben Sie sich wie ein junger Leutnant in Feindesland herum und setzen Leib und Leben aufs Spiel. «Er schuttelte den Kopf, plotzlich ernst geworden.»Aber so geht das nicht. Sie haben Ihre schriftlichen Befehle, und die konnen nur von Ihren Lordschaften selbst geandert werden, sobald London von Ihrer Rettung erfahren hat. Vielleicht bringt uns ja schon das nachste Schiff aus England entsprechende Neuigkeiten? Jedenfalls ist es gerechtfertigt, wenn Sie alle weiteren Aktionen jetzt erst einmal aufschieben. Die Entdeckungen, die Sie in Gefangenschaft gemacht haben, durchkreuzen Beauchamps Strategie. Lassen Sie's also gut sein, Bolitho. Sie haben sich einen ausgezeichneten Ruf erworben, um den Sie jeder, Nelson eingeschlossen, nur beneiden kann. Machen Sie sich hoherenorts keine Feinde. Ob im Frieden oder im Krieg, Ihre Zukunft ist gesichert. Aber wenn Sie bei der Admiralitat oder im Parlament unangenehm auffallen, sind Sie erledigt.»
Mi?gestimmt rieb Bolitho die Armstutzen seines Sessels. Er kam sich vor wie in der Falle, obwohl er wu?te, da? Studdart ihm einen richtigen Rat erteilt hatte. Wer wurde sich in einem Jahr noch um die Vorgange in der Biskaya scheren? Vielleicht war die Invasion sowieso nur ein Gerucht, und Frankreich wunschte sich genauso sehnlich den Frieden wie die anderen auch und dachte nicht an Uberraschungsmanover.
Studdart lie? ihn nicht aus den Augen.»Denken Sie zumindest gut nach uber meine Worte, Bolitho. «Er hob die Hand zu den Heckfenstern.»Sie konnen eine Weile hierbleiben und neue Befehle abwarten. Vielleicht beordert man Sie weiter ins Mittelmeer, als Unterstutzung fur Saumarez; alles ware besser als die verdammte Biskaya.»
«Ja, Sir, ich werde das bedenken. «Sorgsam stellte Bolitho sein Weinglas auf den Tisch.»Und in der Zwischenzeit mu? ich meine Depeschen nach England abfassen.»
Der Vizeadmiral zog seine Taschenuhr heraus.»Gutiger Gott, in einer Stunde erwartet mich der General an Land. «Er erhob sich in aller Ruhe.»Lassen Sie es beim Nachdenken nicht bewenden. Sie sind Stabsoffizier und sollten sich nicht mit Dingen befassen, die Ihren Untergebenen anvertraut werden konnen. Sie befehlen, die anderen gehorchen — so gehort sich das, wie Sie wissen.»
Bolitho erhob sich lachelnd.»Gewi?, Sir.»
Der Vizeadmiral wartete, bis sein Besucher die Tur erreicht hatte, dann fugte er noch hinzu:»Und ubermitteln Sie der Dame bitte meine warmsten Empfehlungen. Vielleicht hatte sie ja Lust, mit mir zu speisen, ehe sie uns wieder verla?t, he?»
Nachdem die Tur hinter Bolitho zugefallen war, schritt Studdart zu den Heckfenstern und starrte auf die Schiffe seines Geschwaders hinaus, die in der Runde vor Anker lagen. Er wu?te, Bolitho wurde seine Ermahnungen in den Wind schlagen. Hoffentlich blieb ihm auch diesmal sein Gluck treu. Denn bei einem neuerlichen Mi?erfolg erwarteten ihn entweder Tod oder Schande.